TEUTEBERG-Gastbeitrag: Demokratie braucht die offene Debatte

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg schrieb für die „Fuldaer Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Es wirkt so einfach: In der Coronakrise fahren wir alles herunter und warten, bis es einen Impfstoff gibt. Dann fahren wir alles wieder hoch und machen dort weiter, wo wir aufgehört haben. Wie lange es auch immer dauert. So klang lange Zeit der Tenor der Diskussion um Lockerungen vonseiten der Bundesregierung, so klingt er manchmal noch. Hört sich gut an, funktioniert aber leider nicht. Denn wir leben in einer hochkomplexen, dynamischen Welt. Wenn sie zu lange stillsteht, hat das weitreichende Folgen in allen Bereichen des Lebens. Das Ende eines Shutdowns ist weit anspruchsvoller als sein Anfang.

Andauernde Quarantänen und Kontaktbeschränkungen bedeuten, dass Unternehmen und Arbeitsplätze zerstört und ganze Existenzen vernichtet werden. Schon jetzt ist für zehn Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und soziale Isolation bedeuten zusätzliches Leid und auch Schäden an Seele und Gesundheit. Welche gesellschaftlichen Verwerfungen aus diesen mittelbaren Folgen der Krise entstehen, ist schwer zu ermessen. Sicher ist aber, dass es Verwerfungen gibt und geben wird. Eine lebendige Demokratie und menschliche Wesen überhaupt sind jedenfalls nicht auf Isolation ausgelegt.

Darum müssen die schwerwiegenden Auswirkungen der Freiheitseinschränkungen immer wieder mit dem Gesundheitsschutz abgewogen werden. Unsere Demokratie braucht die offene Debatte wie die Luft zum Atmen. Denn nur so funktioniert Willensbildung: Für alle sichtbar werden Argumente ausgetauscht und abgewogen. Übrigens auch verschiedene Erfahrungen, Sichtweisen und Ideen. Eine solche Debatte ermöglicht, eine informierte Einschätzung zu entwickeln. Außerdem sendet sie ein Signal aus: Wir prüfen ständig, was möglich ist und wir werden, wenn und soweit der Infektionsschutz es zulässt, schrittweise zur Normalität einer offenen Gesellschaft zurückkehren. Das gibt Perspektive und schafft Akzeptanz auch für schmerzliche Einschränkungen.

Die Freien Demokraten fordern diese Debatte seit mehreren Wochen und langsam hat auch die Bundesregierung verstanden, dass Öffnungen diskutiert und vorbereitet werden müssen. In einigen Ländern gibt es erste Lockerungen. Das begrüßen wir. Leider kommen auch Vorschläge auf, die über das Ziel hinausschießen. Dazu gehört der Plan des Gesundheitsministers, einen Immunitätsausweis einzuführen, der Genesenen ihre Ungefährlichkeit bescheinigt. Sie hätten sich damit wieder frei bewegen dürfen, der Rest der Gesellschaft nicht. Hier wären die Nebenwirkungen jedoch größer als der Nutzen. Es sollte, auch in Zeiten von Corona, nur Arzt und Patient etwas angehen, welche Erkrankungen jemand hatte. Außerdem würde ein solcher Corona-Pass die Gesellschaft zwangsläufig spalten. Zudem würde mit dem Pass ein starker Anreiz geschaffen, sich aktiv zu infizieren. Das kann nicht gut gehen.

Wir müssen mit strikten Hygienekonzepten, Abstandsgeboten und so vielen Tests wie möglich arbeiten und dabei regional differenziert vorgehen. Das heißt auch: Wenn es einen lokalen Ausbruch gibt, müssen lokal Maßnahmen ergriffen werden – bis hin zum neuerlichen Shutdown. Mittlerweile liegt der Immunitätsausweis von Jens Spahn auf Eis. Er fand offenbar keine Akzeptanz. Zuvor wurde er öffentlich diskutiert – so wie es in unserer Demokratie sein sollte.

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