RÜLKE-Interview: Hemmungslos in die Verschuldung

FDP-Präsidiumsmitglied und Sprecher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz Hans-Ulrich Rülke gab dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Peter Reinhardt.

Frage: Herr Rülke, Sie bleiben für Ihren Urlaub in Baden-Württemberg. Könnte sich ein Politiker in Corona-Zeiten überhaupt eine Auslandsreise erlauben?

Rülke: Ich gehöre nicht zu denen, die anderen vorschreiben, was sie dürfen. Meine Frau und ich wollen auf jeden Fall verhindern, dass wir nach dem Urlaub in Quarantäne müssen, wenn es plötzlich einen Corona-Ausbruch im Feriengebiet gibt. Baden-Württemberg bietet schöne Orte. Da ist es in einem Corona-Sommer naheliegend, hier den Urlaub zu verbringen.

Frage: Wie sieht denn zu Beginn der Sommerferien die Zwischenbilanz der FDP für 2020 aus?

Rülke: 2020 war für die FDP bisher sicher ein schwieriges Jahr. Die erste Hälfte war mindestens genauso von Corona beherrscht wie 2011 von der Fukushima-Reaktorkatastrophe. So große Themen nutzen immer den politischen Parteien, die dafür erkennbare Eckpositionen haben. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in den letzten Monaten den starken Staat gewünscht hat. Davon hat nur die Union profitiert, alle anderen nicht, also auch nicht die FDP.

Frage: Wie stellen Sie sich im Wahlkampf auf die Corona-Konstellation ein?

Rülke: Gerade bricht die Wirtschaftsleistung zweistellig ein. Das exportorientierte Baden-Württemberg wird wahrscheinlich sogar stärker leiden als andere Bundesländer. Kommt es im Herbst zu einer Pleitewelle, bestimmen nicht mehr Corona-Ängste das Denken der Menschen, sondern die Folgen der Wirtschaftskrise. Niemand kann verlässlich prognostizieren, wie sich eine zweite Welle auf die politische Stimmung auswirken würde. In Israel hat beispielsweise zunächst Netanjahu den Söder gemacht und wurde in den Umfragen belohnt. Jetzt kommt dort die zweite Welle und alle finden plötzlich Netanjahu schlecht. Wer heute hohe Umfragewerte hat, sollte nicht sicher sein, dass es so bleibt.

Frage: Wie kann man sich auf solche Stimmungswechsel einstellen?

Rülke: Darauf kann man sich gar nicht einstellen. Man kann nur machen, was man für richtig hält und hoffen, dass es hinreichend Wähler gibt, die das für sinnvoll halten. Schon jetzt plant Grün-Schwarz eine Rekordverschuldung.

Frage: Wie gut ist das Land gegen eine zweite Welle gewappnet?

Rülke: Nicht gut. Ministerpräsident Kretschmann hat den Kurs geändert. Im Mai und Juni hat er gebremst, als die CDU Hilfen für alle möglichen Wirtschaftszweige gefordert hat. Er hat auf die gewaltigen Steuereinbrüche hingewiesen und auf die Unsicherheiten beim Infektionsgeschehen. Nun hat er die Einsicht, dass wir nicht schrankenlos in die Verschuldung gehen können, über Bord geworfen. Er will wiedergewählt werden. Um vor der Wahl alle Wünsche zu erfüllen, geht man hemmungslos in die Verschuldung, begründet es mit Corona und hofft darauf, dass die bedienten Interessengruppen das am Wahltag belohnen. Herr Kretschmann will sich über Schulden die Wiederwahl erkaufen.

Frage: Nach den Regeln der Schuldenbremse braucht es für neue Kredite eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Wird die FDP da mitmachen?

Rülke: So wie sich Herr Kretschmann das vorstellt sicher nicht. Wir erwarten, dass man mit der Opposition redet und diskutiert, was corona-bedingt unabweisbar ist. Da gehört das ganze Wünsch-dir-was der Ministerien nicht dazu. Man muss auch die Frage stellen, wo man Ausgaben auch wieder etwas zurückschneiden kann.

Frage: Fallen Ihnen vorab Beispiele für Kürzungen ein?

Rülke: Wir haben in der Umweltverwaltung einen Stellenaufwuchs, der durch nichts gerechtfertigt ist. Prestigeprojekte, die wie das Besucherzentrum im Nationalpark Schwarzwald immer teurer werden, brauchen einen Deckel. Es ist auch die Frage, ob das CDU- Vorzeigeprojekt Klimaschutzstiftung noch in die Zeit passt.

Frage: In Stuttgart werden gerade Fahrverbotsschilder für Diesel mit Euronorm 5 aufgestellt. Die CDU hatte erklärt, die werde es mit ihr nicht geben. Und nun?

Rülke: Wir werden die CDU an diesem Versprechen messen. Will sie Wort halten, müssen die Schilder wieder abmontiert werden. Sollte dieses Fahrverbot in Kraft treten, hat die CDU im Allgemeinen und ganz speziell Herr Strobl die Öffentlichkeit belogen.

Frage: Wie passt das zusammen, dass Sie den CDU-Landesvorsitzenden Strobl so hart angehen, obwohl sie mit dessen Partei nach der Wahl am liebsten regieren würden?

Rülke: Die Kritik richtet sich so stark gegen Herrn Strobl, weil er einfach der schwächste Minister im Kabinett bleibt und die meisten Fehler macht. Wäre Herr Strobl jetzt Spitzenkandidat, würde das natürlich schlecht zusammenpassen. Das wurde er nicht, weil seine Partei selbst gemerkt hat, dass er der schwächste Minister ist und man mit ihm keine Wahl gewinnen kann.

 

Zur Übersicht Pressemitteilungen