RÜLKE-Interview: Das Ziel ist, mitzuregieren

FDP-Präsidiumsmitglied und Sprecher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz Dr. Hans-Ulrich Rülke gab der „Südwest Presse“ (Samstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Axel Habermehl und Dr. Jens Schmitz

Frage: Herr Rülke, Ihre Partei spricht oft von Fortschritt. Jetzt laden Sie mitten in der Pandemie zum Präsenz-Parteitag ein. Ging das nicht digital?

Rülke: Nein, weil es ein Wahlparteitag ist. Unsere Satzung lässt es nicht zu, digital zu wählen, weil das Wahlgeheimnis so derzeit nicht sicher zu wahren ist. Unsere 8000 Mitglieder haben wir gebeten, von ihrem Teilnahmerecht keinen Gebrauch zu machen. Wir haben auch darum gebeten, dass die Abgeordneten ohne Mitarbeiter kommen, sodass sich der Parteitag reduziert auf Delegierte und Journalisten. Wir haben 400 Delegierte; erfahrungsgemäß kommen 350.

Frage: Sie haben diese Woche das FDP-Wahlprogramm vorgestellt und gesagt Wirtschaft, Digitalisierung, Bildung und Innere Sicherheit würden die bestimmenden Themen des Wahlkampfs. Klimaschutz gehört nicht dazu?

Rülke: Doch, aber Klimaschutz ist natürlich in die anderen Themen inkludiert. Das Thema Wirtschaft ist in Baden-Württemberg ein Mobilitätsthema. Wir wollen wirklich klimafreundliche Technologien, nicht nur scheinbare wie die batterieelektrische Mobilität, wo sämtliche Emissionen, die mit der Batterie verbunden sind, unter den Teppich gekehrt werden. Damit kann man sich selber betrügen, aber man hilft dem Klima nicht. Wirklichen Klimaschutz kann man etwa durch Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, eher erreichen. Nicht wenige Wissenschaftler vertreten auch wie wir die Auffassung, dass die Klimaschutzziele ohne umweltfreundliche Wasserstofftechnologie nicht zu erreichen sind.

Frage: Ein eigener Schwerpunkt ist der Klimaschutz bei Ihnen dennoch nicht, anders als die Innere Sicherheit. In Baden-Württemberg lebt man so sicher wie sonst kaum irgendwo. Bereitet sie Ihnen tatsächlich mehr Sorgen als das Weltklima?

Rülke: Nein. Ich kann nur nicht dem Klima dadurch helfen, dass ich sage: Das mache ich jetzt als eigenständigen Punkt. Ich muss dem Klima konkret helfen in der Energie-, Wirtschafts- und Mobilitätspolitik. Genau das tun wir. Was die Innere Sicherheit anlangt: Ich weiß nicht, ob alle Stuttgarter Ihre Analyse teilen, es wäre kein wichtiges Thema.

Frage: Wegen eines aktuellen Ereignisses erheben Sie das zum Schwerpunkt?

Rülke: Nein. Wenn wir etwa nicht einmal 40 Prozent der Ausreisepflichtigen abschieben können aus Baden-Württemberg, kann ich nicht sagen: Die Sicherheitslage stellt mich zufrieden.

Frage: Die innere Sicherheit wird vor allem von Ausreisepflichtigen gefährdet?

Rülke: Nicht vor allem, aber auch. Ich sage nur: Man kann nicht sagen, es ist alles bestens im Bereich Innenpolitik. Wir beschreiben das auch nicht allein als Repressionsthema, sondern auch als Bürgerrechtsthema. Unser Thema ist die Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit. Und da gibt es an der einen oder anderen Stelle Bereiche, wo der zuständige Minister zu weit gehen will. Zum Beispiel tragen wir Bodycams in Privaträumen oder die Online-Durchsuchung nicht mit.

Frage: Derzeit stellt die FDP die kleinste Fraktion im Landtag. Ab wie viel Prozent würden Sie von einem Erfolg sprechen? 

Rülke: Das wesentliche Ziel ist, mitzuregieren. Und ich würde lieber mit 10 Prozent regieren als mit 11 in der Opposition zu sitzen.

Frage: Wer wäre ihr liebster Koalitionspartner?

Rülke: Am unproblematischsten wäre die CDU. Realistisch ist das derzeit nicht. Realistisch sind Dreierbündnisse: eine Deutschland-Koalition oder eine Ampel. Da die CDU uns inhaltlich näher steht als Grüne oder die SPD, heißt das, die nächste Wunschkoalition wäre eine Deutschland-Koalition. Aber in Zeiten, in denen es Parlamente gibt wie in Thüringen, wo die Radikalen eine Mehrheit haben, kann man nicht demokratische Parteien ausgrenzen. Deshalb schließen wir eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht aus.

Frage: Sie haben gesagt, eine Wasserstoff-Strategie sei die einzige Bedingung an einen Koalitionspartner.

Rülke: Im Wahlprogramm steht das als einzige harte Bedingung.

Frage: Das klingt, als sei die FDP wieder so weit, dass sie um fast jeden Preis regiert. Haben Sie vielleicht noch andere, mittelharte Bedingungen?

Rülke: Es gibt eine ganze Reihe von anderen, wenn Sie so wollen, mittelharte Bedingungen. Wir sind für die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung und gegen die Privilegierung der Gemeinschaftsschule. Wir sind dafür, die Schulen digital so auszubauen, dass Bildungsgerechtigkeit hergestellt wird. Wir brauchen den breiten Ausbau der digitalen Infrastruktur, also Glasfaser, und wir brauchen digitale Endgeräte für alle Schüler. Wir wollen einiges für den Wohnungsbau tun: etwa die Grunderwerbssteuer absenken und die Landesbauordnung entschlacken von bürokratischen Monstern wie der Pflicht zu Efeu auf dem Dach. Und wir wollen bei der Mobilitätspolitik natürlich eine Perspektive für den Verbrennungsmotor. Da sind wir uns mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann einig, aber nicht mit Verkehrsminister Winfried Hermann.

Frage: Demnächst muss eisern gespart werden. Wo wollen Sie Schnitte setzen?

Rülke: Wir haben in der Vergangenheit eine Aufblähung des Haushaltes erlebt bei konsumtiven Projekten, wie beispielsweise Personal in vielen Ministerien. Es gibt Schwerpunkte, die wir für richtig halten. Zum Beispiel bei Lehrern und der Polizei. Allerdings haben die Grünen dann festgestellt, das sind zwei CDU-Ministerien, also brauchen wir auch mehr Beamte. Zum Beispiel in der Umweltverwaltung wurden hunderte Beamte neu eingestellt. Sowas halten wir für falsch.

Frage: Wollen Sie die wieder rauswerfen?

Rülke: Die können wir nicht von heute auf morgen rauswerfen. Aber wir können sie perspektivisch abbauen. Wir können andere Prestigeprojekte zurückführen: Wir brauchen nicht ein Nationalpark- Zentrum, dessen Kosten auf mittlerweile über 50 Millionen explodieren. Was wir brauchen, sind Investitionen in die Infrastruktur.

Frage: Welche Ministerien wünscht sich Ihre Partei?

Rülke: Ich glaube, dass wir gut daran tun, zunächst mal den Bär zu erlegen, bevor wir das Fell verteilen. Aber unsere Kernkompetenzen, die Bereiche Wirtschaft, Digitalisierung, Bildung liegen natürlich nahe.

Frage: Was wäre Ihre eigene Wunschposition?

Rülke: Sicher kann ich mir auch persönlich vorstellen, in Regierungsverantwortung zu gehen. Aber ich glaube, der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen zu sagen: Das und das macht der und der. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir das vor der Wahl konkretisieren und sagen, das wären unsere Anwärter. Aber das wäre jetzt noch zu früh.

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