LINDNER-Interview: Wir wollen das Land entfesseln und die Menschen entlasten

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Bild am Sonntag“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Burkhard Uhlenbroich und Roman Eichinger.

Frage: Herr Lindner, nach nur 15 Monaten haben Sie sich von Ihrer Generalsekretären Linda Teuteberg getrennt. War das ein großes Missverständnis?

Lindner: In den vergangenen 15 Monaten hat sich die Lage in Deutschland grundlegend verändert. Millionen Menschen haben Sorgen um ihre Existenz und ihren Arbeitsplatz. Und unser Land gerät in einen Schuldensumpf. Die neue Lage müssen wir in unserer personellen Aufstellung berücksichtigen. Deshalb habe ich Volker Wissing, unseren Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, als Generalsekretär vorgeschlagen. Unser Land braucht die Rückkehr zu soliden Finanzen sowie einen Neustart für Arbeitsplätze und Wachstum.

Frage: Linda Teuteberg hat also einfach Pech gehabt?

Lindner: Eine neue Mannschaftsaufstellung ist im Sport normal. Anfang Juli habe ich Linda Teuteberg angeboten, an neuer Stelle im Präsidium mitzuarbeiten. Sie hat sich für einen anderen Weg entschieden.

Frage: Mehr als drei Viertel der FDP-Abgeordneten sind Männer, die Generalsekretärin ist gescheitert und wird durch einen Mann ersetzt. Wie groß ist das Frauenproblem der FDP?

Lindner: Mit Bettina Stark-Watzinger kandidiert eine Wirtschaftsexpertin neu für die Parteispitze. Viel wichtiger sind aber Inhalte – und da hat leider eher die CDU ein Frauenproblem. Wir wollen Kinderbetreuung und Schule so modernisieren, dass junge Menschen gefördert und Familien entlastet werden. Eine digitale Unterrichtspflicht wäre ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zukünftig dürfen Frauen im Mutterschutz nicht mehr aus Vorstandspositionen abberufen werden. Wir sind für die Liberalisierung der nichtkommerziellen Leihmutterschaft. Und wir wollen, dass Arztpraxen Frauen über den legalen Schwangerschaftsabbruch informieren können. Leider sperrt sich gegen all das die CDU.

Frage: Und da ist es zweitrangig, ob diese Politik von Männern oder Frauen gestaltet wird?

Lindner: Es ist es wahrscheinlich, dass nach unserem Parteitag mehr Frauen in der Führung vertreten sind als davor. Aber in der Tat sollte das Geschlecht keine Rolle spielen, wenn richtige Politik gemacht wird.

Frage: Derzeit krebst die FDP in Umfragen knapp über der 5-Prozent-Hürde. Haben Sie die Sorge, dass Sie nächstes Jahr wieder aus dem Bundestag fliegen?

Lindner: Keine. Das war vor der letzten Wahl genauso, dann bekamen wir fast elf Prozent. Dafür kämpfen wir wieder.

Frage: Die SPD hat Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Ihr Stellvertreter Wolfgang Kubicki kann sich mit ihm eine Ampel-Koalition vorstellen. Sie auch?

Lindner: Olaf Scholz ist ein respektabler Politiker. Aber es zählen Inhalte. Wir wollen in Zukunftsfelder wie Digitalisierung investieren, wir wollen das Land entfesseln und die Menschen entlasten. Herr Scholz hat neue Schulden und mehr Bürokratie angekündigt. Die Ampel ist inhaltlich noch nicht sonderlich attraktiv. Wer sich mit der SPD einlässt, bekommt ja auch Saskia Esken und Kevin Kühnert im Gepäck. SPD und Grüne sollten vor allem sagen, wie sie es mit der Linkspartei halten. Ich vermute, sie bereiten einen Linksruck vor.

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