KUBICKI-Interview: Seine Unabhängigkeit beweist man durch Standpunkte

Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein Wolfgang Kubicki gab „Zeit Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Ludwig Greven:

Frage: Herr Kubicki, Sie sind seit 25 Jahren – mit einer Unterbrechung – FDP-Fraktionsvorsitzender im schleswig-holsteinischen Landtag, sie treten bei der Landtagswahl am übernächsten Sonntag zum sechsten Mal als Spitzenkandidat. Wird das nicht auf Dauer langweilig?

Kubicki: Nein. Es ist jedes Mal wieder spannend. Wer wie ich Politik auch als Sport unter Wettbewerbsbedingungen betreibt, freut sich immer wieder auf Wahlkämpfe.

Frage: Mit ihrer Bekanntheit und ihrer Beliebtheit haben Sie stets dafür gesorgt, dass ihre Partei in Schleswig-Holstein besonders gut abgeschnitten hat, auch wenn es im Bund nicht so gut lief. Ist es jetzt ihre Aufgabe, die Wiederauferstehung der FDP einzuleiten – als Steilvorlage für ihren Parteivorsitzenden Christian Lindner bei der Landtagswahl in NRW eine Woche später?

Kubicki: Selbstverständlich ist das ein Teil der Strategie, die Christian Lindner und ich 2013 verabredet haben. Als meine Partei mich erneut als Spitzenkandidaten aufgestellt hat, war ein wesentlicher Beweggrund, mit meiner Person und meinen hohen Sympathiewerten um Wählerstimmen zu werben. Niemand wird mehr über den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag diskutieren, wenn wir hier in Schleswig-Holstein und eine Woche später in NRW zweistellige Ergebnisse holen.

Frage: Wenn die FDP wieder in den Bundestag einzieht, wäre es für Sie nicht reizvoller, Bundesminister zu werden als Landesminister im zweitkleinsten Flächenland?

Kubicki: Ich werde kein Landesminister. Das hätte ich werden können zwischen 2009 und 2012, als wir hier in der Regierung waren. Das habe ich abgelehnt, und das werde ich diesmal genauso halten, sollten wir in eine Regierung eintreten. Ich mache mir auch keine Gedanken, was nach der Bundestagswahl geschieht, solange wir nicht drin sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich Bundesminister werde, tendiert so oder so gegen Null.

Frage: Wenn die jetzige Landesregierung von SPD, Grünen und SSW am 7. Mai keine Mehrheit bekommt und es für Schwarz-Gelb nicht reicht, wonach es nicht aussieht, welche Koalition streben sie dann an: ein Jamaika-Bündnis mit CDU und Grünen oder eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen?

Kubicki: Ich strebe weder die eine noch die andere Koalition an. Jamaika ist wahrscheinlicher, von den Inhalten und auch von den Personen her. Aber ich schließe auch eine Ampelkoalition nicht aus.

Frage: Wäre eine Ampelkoalition, auch mit Blick auf NRW und die Bundestagswahl, nicht die interessantere Option, um die Unabhängigkeit der FDP zu demonstrieren?

Kubicki: Ich bin kein Anhänger eines Bündnisses mit der SPD. Aber ich halte es auch nicht für Teufelszeug. Auch mit der SPD können wir vernünftig regieren. Für eine sozialliberale Koalition wird es jedoch wahrscheinlich nicht reichen. Seine Unabhängigkeit beweist man im übrigen nicht durch Koalitionen, sondern durch Standpunkte.

Frage: Auch die Bundes-SPD liebäugelt ja mit einer Ampelkoalition, nachdem sie mit ihren Rot-Rot-Grün-Plänen im Saarland Schiffbruch erlitten hat.

Kubicki: Ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz muss sich fragen lassen, ob ihm noch zu trauen ist. Denn Rot-Rot-Grün unterscheidet sich von Sozialliberal fundamental. Jedenfalls weckt es mein Misstrauen, dass er sich nun einer Ampel zuwendet, nachdem er gesehen hat, dass Rot-Rot-Grün nicht funktioniert. Aber es gibt auch Sozialdemokraten, die ich sehr schätze und zu denen ich engen Kontakt habe. Peer Steinbrück ist einer von ihnen, auch Sigmar Gabriel, der in seiner eigenen Partei deutlich unter Wert gehandelt wurde.

Frage: In Rheinland-Pfalz gibt es schon eine Ampelkoalition. Ist die für Sie ein Vorbild?

Kubicki: Von meinem Parteifreund Volker Wissing höre ich, dass die Koalition dort sehr gut funktioniert, was vorher nicht zu erwarten war. Daran lernt man. Wenn man sich auf Zukunftsprojekte einigen kann und verabredet, etwas gemeinsam in Gang zu setzen, spielen persönliche Animositäten nur noch eine untergeordnete Rolle.

Frage: Gehören zu den Sozialdemokraten, mit denen sie gut zusammenarbeiten können, auch der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner und Ministerpräsident Albig?

Kubicki: Weder noch. Ralf Stegner ist ein sehr fähiger und intelligenter Politiker. Wenn er daraus etwas mehr Vermittelndes machen würde, wäre er nicht nur besser in seiner Partei gelitten, sondern auch in der Öffentlichkeit. Torsten Albig ist mir zu pastoral, zu inhaltsleer. Er hält bewegende Reden, aber sie enthalten wenig Substanz. So ist auch seine Politik.

Frage: Trotzdem schließen Sie eine Zusammenarbeit mit ihm nicht aus.

Kubicki: Das hängt natürlich auch von den Grünen ab. Aber es geht mir nicht um die Farbkombination, sondern darum, was mit wem möglich ist. Da ist mir die Konstellation egal, wenn die Inhalte stimmen.

Frage: Was sind denn für Sie die Knackpunkte?

Kubicki: Deutlich mehr Investitionen in die Infrastruktur und in die Schulen und mehr Personal im Bereich innere Sicherheit und Bildung. Schleswig-Holstein hat die niedrigste Investitionsquote von allen Bundesländern, die Straßen sind in einem miserablen Zustand, Schulgebäude verrotten, der Unterrichtsausfall ist zu hoch, die Schulabbrecherquote ebenfalls. Die Kindertagesstätten müssen beitragsfrei werden. Und wir müssen für ein wesentlich wirtschaftsfreundlicheres Klima sorgen. Schleswig-Holstein hat das niedrigste Wirtschaftswachstum von allen westdeutschen Ländern. Das muss sich ändern.

Frage: Trotz der von Ihnen beschriebenen Probleme gibt es keine rechte Wechselstimmung im Land, die Bürger sind mit der Arbeit der rot-grün-blauen Koalition ziemlich zufrieden. Werden sie am 7. Mai wieder nur die goldene Ananas gewinnen – ein hohes Ergebnis, aber keine Regierungsbeteiligung?

Kubicki: So toll sind die Werte der Regierung nicht. Sie muss um ihre Wiederwahl bangen. Ich bin da sehr gelassen.

Frage: Wenn die FDP in der Opposition bleibt, wechseln Sie dann in die Bundespolitik? Sie kandidieren ja auch für den Bundestag.

Kubicki: Fraktionschef bleibe ich mit Sicherheit nicht bis 2022. Weil wir keine Bundestagsfraktion haben, müssen die bekannten Politiker aus den Ländern am 24. September antreten, damit wir ein gutes Ergebnis erzielen. Mein Terminkalender wird jedenfalls nicht weniger gefüllt sein, meine Lust am politischen Diskurs wird auch nicht kleiner werden.

Zur Übersicht Pressemitteilungen