KUBICKI-Interview: Es ging noch nie so vielen so gut wie jetzt

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab der „taz“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Anja Maier:

Frage: Herr Kubicki, Sie sind gerade 65 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Was hat Ihnen denn Ihre Partei geschenkt?

Kubicki: Zunächst mal einen großen Empfang. Und dann ihre ganze Hinwendung und Zuneigung. Ich habe alle gebeten, mir keine Geschenke mitzubringen, sondern für meine Partei zu spenden, damit wir ausreichend Mittel haben, um unsere politische Botschaft unters Volk zu bringen.

Frage: Und, wie viel ist zusammengekommen?

Kubicki: Reichlich, ein fünfstelliger Betrag.

Frage: Mit 65 könnten Sie kürzertreten und noch ein bisschen Geld als Anwalt machen. Stattdessen treten Sie jetzt bei gleich zwei Wahlen an. In Kiel für die Landes-FDP und in Berlin für die Bundespartei. Warum?

Kubicki: Weil ich von meiner Partei darum gebeten und dafür gewählt worden bin.

Frage: Das war die offizielle Antwort. Was treibt Sie wirklich an?

Kubicki: Der Wille zum Erfolg. Ich bin da ganz preußisch. Ich gehöre dieser Partei 46 Jahre an, und ich will nicht damit aufhören, Politik zu betreiben, bis die FDP wieder mit einem ausreichenden Angebot im Deutschen Bundestag vertreten ist.

Frage: Ende dieser Woche findet Ihr Bundesparteitag statt. Welche Note dürften die Delegierten ihrem stellvertretenden Parteivorsitzenden geben?

Kubicki: Ich bin mit mir einigermaßen zufrieden. Letztlich aber werden die Delegierten darüber entscheiden. Ich rechne nicht mit einem schlechteren Ergebnis als vor zwei Jahren, da waren es über 90 Prozent.

Frage: Vermutlich wird es noch einen Landtagswahlbonus obendrauf geben.

Kubicki: Wenn es den gäbe, dann wäre ich bei einem Ergebnis nahe dem von Martin Schulz. Und das halte ich für unwahrscheinlich. Ich bin ja nach wie vor ein unbequemer Typ.

Frage: Nach dem Türkei-Referendum könnte beim Parteitag die Debatte über das Ende des Doppelpasses geführt werden. Wie stehen Sie dazu?

Kubicki: Den Doppelpass abzuschaffen ist eine mittelprächtige Idee, denn sie hilft im Zweifel nicht weiter. Loyalität ist keine Frage des Passes, sondern der inneren Einstellung. Die spannende Frage, die wir klären müssen, ist diese: Die Bundesregierung lässt ja Deutschtürken hier über türkische Politik abstimmen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es zulassen wird, dass in Deutschland zum Beispiel über die Einführung der Todesstrafe abgestimmt wird.

Frage: Erstaunlich, ich hielt für möglich, dass Sie für Wählerstimmen von Ihrem eigenen Grundsatzprogramm abrücken.

Kubicki: Für mich ist der Doppelpass weder ein Schreckgespenst noch eine Heilslösung, den haben wir schließlich auch mit anderen Ländern als der Türkei. Und ich rücke von Positionen, die ich einmal eingenommen habe, nicht deshalb ab, weil Erdogan diese Abstimmung mit Schummelei gewonnen hat.

Frage: Nach dem Parteitag wird in Schleswig-Holstein gewählt. Wie ist Ihr Verhältnis zu dem Grünen Robert Habeck?

Frage: Wir mögen uns. Ich halte ihn für eine herausragende Erscheinung in der schleswig-holsteinischen Politik. Davon haben wir nicht so viele.

Frage: Haben Sie sich gefreut, dass er nicht antritt?

Kubicki: Das verstehe ich bis heute nicht. Das Problem, das die Grünen jetzt haben, tragen sie ja offen vor: Wer will, dass Robert Habeck Minister bleibt, muss Grün wählen. Das wird die Menschen nicht erreichen, im Gegenteil. Das Kriterium ist doch die politische Gestaltungsoption.

Frage: Wäre Habeck der bessere Spitzenkandidat im Bund gewesen?

Kubicki: Auf jeden Fall. Die Grünen hätten mit ihm deutlich mehr Chancen und wären jetzt nicht so im Sinkflug. Anders als mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Ich fände es schade, wenn Habeck aus der Politik ausscheiden würde. Aber auch da ist mein Schmerz begrenzt, er gehört ja bedauerlicherweise nicht meiner Partei an.

Frage: Kommen wir zur Bundestagswahl. Seit Martin Schulz Spitzenkandidat ist, geht es endlich wieder um etwas: um die Frage Union oder SPD. Warum sollten die Leute Ihnen jetzt noch ihre Stimme geben? Es hat in den letzten Jahren auch ohne FDP geklappt.

Kubicki: Das sieht eine Reihe von Menschen offensichtlich anders. Wir sind in den Umfragen bei sechs Prozent, das ist doch schon mal erfreulich. Die Menschen merken, dass sie keine Erziehungsberechtigten brauchen, sondern politische Kräfte, die ihnen was zutrauen. Außerdem ist der Schulz-Hype ja schon wieder zu Ende. Und dass sie Angela Merkel noch eine weitere Wahlperiode ertragen müssen, das nehmen die Leute mittlerweile auch wieder in Kauf.

Frage: Die Verheißung der SPD lautet momentan, dass Koch und Kellner wechseln. Die SPD würde führen, Merkel wäre weg. Wo also würde da die FDP gebraucht?

Kubicki: In Berlin scheint sich Tristesse breitzumachen. Deshalb wäre es vielleicht ganz schön, Typen wie Lindner und Kubicki zu haben, die den Laden ein bisschen aufmischen. Und die darüber nachdenken, wie man etwas erwirtschaftet, bevor man es verteilt. Entscheidend ist, wir brauchen eine funktionsfähige Wirtschaft, eine vernünftige Außenpolitik, die auf Ausgleich bedacht ist. Wir brauchen vor allem klare Kante, was Rechtsstaat und Demokratie angeht.

Frage: In welcher Rolle sähen Sie die FDP denn gern nach der Bundestagswahl – als Sperrminorität oder als kleinen Regierungspartner?

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