BUSCHMANN-Interview: Jamaika-Chancen immer noch 50 zu 50

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Marion Theis:

Frage: Auf wie viel Schlaf kommen Sie zurzeit pro Nacht?

Buschmann: Das ist gar nicht so wenig, das sind etwa sieben Stunden. Ich kann mir vorstellen, dass einige meinen, dass das weniger sei, aber wir arbeiten den ganzen Tag über und es ist besser, den Tag über mit klarem Kopf zu arbeiten, als die Nacht durchzumachen und sich dann nicht mehr konzentrieren zu können.

Frage: Ist die viele Arbeit die Sache wert?

Buschmann: Ja natürlich, alle Parteien treten ja an oder sollten antreten, um etwas verändern zu können. Sie geben den Menschen Versprechen ab, für die sie gewählt werden und Politik ist dann eben das „Bohren dicker Bretter“. Das hat ja schon Max Weber geschrieben, und genau dieses Bohren dicker Bretter erleben wir jetzt halt.

Frage: Die FDP hat aber immer wieder angedeutet, sie könne die Verhandlungen platzen lassen. Was hat Ihnen das gebracht?

Buschmann: Wir haben nicht angedeutet, dass wir irgendwas platzen lassen wollen oder können oder sollen. Wir haben nur eins gesagt: Wir wollen vernünftig miteinander verhandeln und am Ende muss ein Ergebnis stehen, in dem sich alle Parteien, auch die FDP, wiederfinden kann. Wenn am Ende ein Ergebnis stünde, mit dem wir unseren Wählerinnen und Wählern nicht unter die Augen treten können, lassen wir uns nicht mit dem Knüppel der Neuwahlen dressieren und machen Männchen, sondern das Ergebnis muss einfach stimmen.

Frage: Meinen Sie, dass diese „Ich mache notfalls mein eigenes Ding-Haltung“ mit ein Grund dafür sein könnte, dass immer weniger Bürger eine Jamaika-Koalition gut finden?

Buschmann: Am Ende wollen die Bürger natürlich einerseits schnell Ergebnisse, das kann ich verstehen, ich bin auch ein ungeduldiger Mensch – andererseits wollen die Bürger auch keine Regierung, die über vier Jahre permanent streitet. Deshalb ist es sinnvoll, am Anfang ein bisschen intensiver miteinander zu verhandeln, damit man eine Geschäftsgrundlage hat, die auch über vier Jahre trägt.

Frage: Also, Sie glauben, die Bürger sind ungeduldig und deshalb weniger zufrieden als noch vor einem Monat?

Buschmann: Schauen Sie mal, das ginge mir selber doch auch so. Wenn ich irgendwo zuschauen müsste, wie Leute verhandeln, und zwar über etwas, was auch mich angeht – eine Regierung geht jeden an – dann würde ich mir doch auch schnell Klarheit wünschen. Das kann ich verstehen und das ist völlig normal. Auf der anderen Seite haben wir hier eine sehr ungewöhnliche Konstellation, das ist alles andere als eine Liebesheirat, wenn es dazu kommt, also wird man ein Stück weit intensiver miteinander sprechen müssen, als das sonst der Fall ist.

Frage: Die Grüne Parteispitze hat Kompromisse in der Klimapolitik angeboten, bei der Kohle und beim Verbrennungsmotor. Ist jetzt die FDP dran mit einem Zugeständnis?

Buschmann: Wir haben ja schon gesagt, dass wir eines schon gesehen haben: Unser Wunsch war es ja ursprünglich, die Bürgerinnen und Bürger in einem Volumen von 30 bis 40 Milliarden Euro zu entlasten im Rahmen einer großen Steuerreform. Wir haben jetzt gemerkt, das ist weder mit der Union, noch mit den Grünen so machbar. Deshalb haben auch wir gesagt, wir wollen da nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern wir konzentrieren uns jetzt auf zwei Elemente dieses großen Wurfs, den wir ursprünglich vorhatten, nämlich den Soli und eine Korrektur im Einkommenssteuertarifverlauf, der von der Krankenschwester bis zum Ingenieur die Leute entlastet.

Frage: Das ist Ihr Zugeständnis in der Steuerpolitik. Sie hatten vor Wochen schon erklärt, dass der Soli in den nächsten vier Jahren abgeschafft würde. Das war aber dann nicht so ganz korrekt. Worauf haben Sie sich jetzt genau geeinigt?

Buschmann: Geeinigt ist ja noch nichts. In den Sondierungs- wie in den Koalitionsverhandlungen gilt ja, es ist nichts vereinbart, bis nicht alles vereinbart ist. Unser Ziel ist es allerdings, und das haben wir auch intensiv vorgetragen, dass der Solidaritätszuschlag bis zum Ende dieser Legislaturperiode abgebaut sein muss, und unter Abbau verstehen wir seine Abschaffung.

Frage: Aber sogar der Sachverständigenrat fordert, dass der Soli allmählich abgeschafft werden muss, damit finanzpolitischer Spielraum bleibt und wäre der Soli sofort weg, wäre auf einen Schlag der komplette Steuerüberschuss auch weg. Wollen Sie das? Dann hätten Sie keinen Spielraum mehr für Finanzpolitik.

Buschmann: Die Grundaussage des Sachverständigenrats war erst mal, die neue Regierung solle bitte die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Das wollen wir auch. Es ist allerdings so, dass nur der Soli in der Hand des Bundestages und einer Bundesregierung allein liegt. Bei allen anderen Maßnahmen sitzt gewissermaßen noch eine fünfte Partei mit an Bord, nämlich die SPD über den Bundesrat. Wir müssen nun Wege finden, die realistisch sind, um zu einer Entlastung zu kommen. Mein Eindruck ist nicht, dass die SPD im Bundesrat konstruktiv an einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger mitwirken möchte, sondern sie möchte im Moment möglichst laut und breitbeinig zeigen, dass sie in der Opposition angekommen ist. Deshalb besteht die große Gefahr, wenn man alles mit allem verbindet und auf den Bundesrat angewiesen ist, dass am Ende für die Bürgerinnen und Bürger gar nichts herauskommt, und das kann niemand wollen.

Frage: Während und vor den Verhandlungen hieß es von der FDP immer wieder, die Chancen stünden 50 – 50, dass es etwas wird. Wie stehen sie jetzt?

Buschmann: Ich halte an dieser Einschätzung fest, denn wir hatten ja bislang die Phase der Stoffsammlung, jetzt haben wir die Phase der Aufbereitung, und erst in der letzten Phase, wo es um das Gegeneinander-abwägen und Kompromisse-machen geht, kann man ja nun wirklich sagen, ob sich daran etwas geändert hat, wie sehr man aufeinander zugeht. Und deshalb bleibe ich unverändert bei dieser Einschätzung.

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