BIRKNER-Interview: In Hannover ist Jamaika unwahrscheinlich

Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen Stefan Birkner gab „SWR2“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Mirjam Meinhardt.

Frage: Wie enttäuscht sind Sie, dass der Traum von Schwarz-Gelb auch in Niedersachsen offenbar schon wieder zerplatzt ist?

Birkner: Also in der Tat sind die inhaltlichen Überschneidungen mit der CDU in Niedersachsen am größten. Aber, das als großartigen Traum zu verstehen, das ginge mir zu weit. Wir treten als eigenständige, politische Kraft an und wollen unsere Inhalte da umsetzen und nehmen das zur Kenntnis und warten erst mal ab, wie dann am Ende tatsächlich das Wahlergebnis sein wird.

Frage: Jetzt haben Sie schon vor der Wahl ausgeschlossen eine Ampel zu bilden, also mit SPD und Grünen zusammen in die Regierung zu gehen. Dann bleibt im Grunde nur die Opposition oder?

Birkner: Also Hintergrund ist, dass wir sagen, wir wollen Rot-Grün, die Politik die die Niedersachsen machen, eben nicht verlängern, sondern beenden, weil wir das eben für grundfalsch halten und da einen Politikwechsel erreichen wollen und das würde in einer solchen Konstellation nicht gehen. Und am Ende werden wir abwarten müssen, wie gesagt, wie eben dann das Wahlergebnis tatsächlich ist. Dann werden wir auch sehen, wo was geht. Wir wissen nicht, ob die Linke hineinkommt in den Landtag, welche Auswirkungen das dann konkret haben wird. Insofern ist es meines Erachtens, bei allem Verständnis dafür, aber eigentlich zu früh, um da tatsächlich zu spekulieren.

Frage: Die Ampel haben Sie in Interviews bereits definitiv ausgeschlossen. Deswegen frage ich danach. Möglich wäre auch noch ein Jamaika-Bündnis. Für wie groß halten Sie denn da die Möglichkeiten in Niedersachen?

Birkner: Also da gibt es natürlich auch inhaltliche Herausforderungen und Problemstellungen die zu bewältigen wären. Wenn in einem solchen Bündnis ein Politikwechsel zu erreichen wäre, wir also einen echten Neustart in der Bildungspolitik, bei der Inklusion und Unterrichtsversorgung zum Beispiel erreichen könnten, dann ist das eine denkbare Variante, ist aber angesichts der politisch-spezifischen Verhältnisse in Niedersachsen also eine echte Herausforderung und alles andere als ein einfaches Unterfangen.

Frage: Da sprechen Sie den Punkt an, dass die Neuwahlen nur deshalb nötig waren, weil ja eine Abgeordnete der Grünen zur CDU gegangen ist. Also im Grunde ist das Klima völlig vergiftet, oder?

Birkner: Also wir bemühen uns als Freie Demokraten immer und ich denke, das ist uns in den letzten fünf Jahren der Oppositionspolitik auch gelungen, dass wir hart in der Sache, aber angemessen im Ton und auch nicht menschlich verletzend argumentieren. Aber mein Eindruck ist, dass das nicht allen immer gelungen ist und dass es da schon auch tiefe Gräben gibt, die dann zum Beispiel den Ausdruck auch in diesem Übertritt und in dem Umgang damit gefunden haben. Das ist, glaube ich, in der Tat sehr, sehr schwierig, diese Gräben dann zu überwinden.

Frage: Das heißt, für wie groß halten Sie die Chance für Jamaika?

Birkner: Dafür ist es wirklich zu früh. Das kann ich wirklich nicht einschätzen. Auf Bundesebene würde ich sagen, Fifty-Fifty. Im Lande ist es noch unwahrscheinlicher, weil wir auch es hier mit Grünen in Niedersachen zu tun haben, die politisch sehr weit links stehen, die also nicht etwa wie die in Schleswig-Holstein pragmatisch sind, sondern nach unserer Einschätzung eben eher wie die Nordrhein-Westfälischen Grünen, also alle sehr, sehr schwierig und insofern unwahrscheinlicher als Fifty-Fifty, so kann man es vielleicht sagen.

Frage: Und woran machen Sie das fest, dass die Grünen so schwierig sind in Niedersachsen?

Birkner: Ja, zum Beispiel in der Landwirtschaftspolitik. Hier erleben wir einen Landwirtschaftsminister, der sich nicht wirklich um die Probleme kümmert und sie lösen möchte und die Themen, die wir eben auch natürlich in Niedersachsen in dem Feld haben, sondern der sich auf dem Rücken der Landwirte profiliert um sein städtisches Klientel anzusprechen und das ist eben aus unserer Sicht eine völlig verantwortungslose Politik, die da betrieben wird. Das ist aber nur ein Beispiel. Auch in der Bildungspolitik haben wir große Differenzen.

Frage: Jetzt haben Sie die Bildungspolitik angesprochen. Sie wollen, dass da etwas Neues passiert, dass man da vorankommt, gerade in der Bildungspolitik. Jetzt ist es aber so, dass selbst, wenn Sie mit der CDU koalieren würden, Herr Althusmann war ja für Bildungspolitik in Niedersachsen schon mal lange zuständig. Also, wie glauben Sie, dass Sie da zu etwas Neuem kommen?

Birkner: Also konkret fordern wir eine Unterrichtsgarantie, weil wir eben etwa jede Woche 100.000 Stunden Unterrichtsausfall in Niedersachsen erleben. Das muss beendet werden und das hat auch was mit politischer Prioritätensetzung zu tun, wo man denn die Fachunterrichtsstunden auch tatsächlich einsetzt. Also, dass der Chemielehrer oder die Chemielehrerin auch tatsächlich den Chemieunterricht gibt und diese Stunden nicht für Hausaufgabenbetreuung verwendet werden. Und das ist etwas, was man machen kann mit den vorhandenen Lehrkräften. Neue bekommt man nicht so schnell wie es nötig wäre, das ist ein Problem. Aber mit den vorhandenen Lehrkräften Prioritäten zu bilden, das ist die Herausforderung und die Aufgabe und der verweigert sich rot-grün und so wie ich es einschätze, wäre das wohl ein Punkt, der mit der CDU möglich wäre, weil die da ähnlich tickt. Aber das bliebe abzuwarten. Aber in der Tat, es ist eher theoretischer Natur – ein Zweierbündnis.

Frage: Jetzt haben Sie die CDU angesprochen. Wir haben über Jamaika schon gesprochen. Also in Niedersachsen schwierig, im Bund sagen Sie etwa Fifty-Fifty. In den Umfragen hören wir ja, dass im Grunde die Bevölkerung sich schon auf Jamaika eingestellt hat. Wie erklären Sie sich das?

Birkner: Ja, das habe ich auch zur Kenntnis genommen. Das möglicherweise durch die anhaltende Berichterstattung, dass das dann immer weiter Interessant wird, weil es ja schon bemerkenswert ist, weil wir ja auch auf Bundesebene noch nicht einmal mit den Sondierungsgesprächen begonnen haben. Also über die Inhalte ist noch gar nicht gesprochen worden. Im Moment waren wir in einer Phase, wo die CDU und die CSU sich erst einmal finden mussten und erst einmal klären mussten, mit wem und wie sie in solche Gespräche gehen. Insofern müssen wir mal die weiteren Diskussionsverläufe abwarten, ob das immer noch so positiv gesehen wird, wenn dann die Inhalte auf den Tisch kommen, denn darum geht es ja am Ende, dass wir tatsächlich eine inhaltliche, gemeinsame Politik bestimmen können und das scheint mir noch offen zu sein.

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