Gesamte Wirtschaft braucht Öffnungsperspektive
Der Unmut in der deutschen Wirtschaft über den Corona-Kurs ist enorm. Wirtschaftsminister Altmaier wird sich einiges anhören müssen am kommenden Dienstag. Noch wichtiger für die gesamte Wirtschaft wäre ein klare Öffnungsperspektive, meinen die Freien Demokraten.
„Deutschland war nicht darauf vorbereitet, Massen von Anträgen rechtssicher und digital zu verarbeiten. Deswegen gab es bei den Soforthilfen im Frühjahr ein großes Chaos“, erläutert Wissing, der zugleich Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz ist. „Hätte man mit den Ländern diese Verfahren ausgewertet, wäre man zu einem klaren Ergebnis gekommen: Das war Kraut und Rüben. Das lief irgendwo zwischen Chaos und dem Verdacht der strafbaren Handlung.“ Dann sei den Sommer über allerdings nichts passiert. Die Hauptverantwortung für die Verzögerungen sieht Wissing bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Wissing sagt: „Durch diese verzögerte Auszahlung kommt bei den Unternehmen zunehmend Panik auf. Vertrauensverlust, Angst, Verzweiflung – so würde ich das beschreiben.“ Wenn man drei Monate vergeblich auf Hilfe gewartet habe, dann verbreite sich eine gewisse Perspektivlosigkeit. Er halte es deshalb für „dringend erforderlich, Öffnungssignale zu senden“.
Am Ende des „Wirtschaftsgipfels“ müssten „konkrete belastbare Ergebnisse stehen, die zu schnellen Verbesserungen bei den betroffenen Unternehmen führen“, mahnt Theurer. Er kritisiert, dass bei dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin wieder keine Persepktive aufgezeigt wurde. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für die vielen Einzelhändler, Gastronomen und den Mittelstand. Ihnen droht die Pleite und der Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz. Dass die Überbrückungshilfe III nun beantragt werden kann, ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, verweist er auf den Umstand, dass nach langem Warten seitens der Wirtschaft die Antragstellung für die Überbrückungshilfen III am Mittwoch freigeschaltet wurde. Die ersten Abschlagszahlungen sollen demnach ab dem 15. Februar starten.
Seine Parteikollegin Bettina Stark-Watzinger kritisierte, dass die zugesagten schnellen Hilfen für die Geschäftsschließungen erst
Wochen und Monate später im Schneckentempo bei den betroffenen Unternehmen ankämen. „Denen gehen gerade die letzten Reserven aus“, mahnte die FDP-Finanzpolitikerin. „Hinzu kommt,dass ihnen die Perspektive fehlt, wie und wann es weitergeht.“ Die Betroffenen müssten weiter Miete zahlen und ihre Kosten tragen, aber seit Wochen hätten sie keine Einnahmen mehr. Die „existenzgefährdende Rettungspolitik“ von Bund und Ländern wirke zunehmend demotivierend. „Wir müssen aufpassen, dass aus der Corona-Krise keine schwere Wirtschaftskrise wird, weil großzügig angekündigte Hilfen nicht ankommen“, erklärte die FDP-Politikerin. Der Bund und das Land Hessen müssten bei der Auszahlung der November- und Dezemberhilfen, sowie der Überbrückungshilfe III, die man aufgrund mangelnder Software noch nicht einmal beantragen könne, Tempo machen.
Theurer moniert: „Nach dem bisherigen Debakel bei der Auszahlung von Wirtschaftshilfen ist völlig unklar, wann die Gelder ankommen werden. Noch wichtiger für die gesamte Wirtschaft wäre ein klare Öffnungsperspektive.“ Die Bundesregierung müsse „unverzüglich“ einen Stufenplan vorlegen, der eine verantwortbare Öffnung anhand klarer Kriterien ermögliche, wirbt er für den 7-Stufen-Plan, den die FDP-Fraktion vorgelegt hat. „Zudem muss der steuerliche Verlustrücktrag deutlicher ausgeweitet werden, um schnell die Liquidität der Unternehmen zu sichern.“
Die Ergebnisse des Treffens mit der Kanzlerin seien nicht die einzigen Vorgänge, die Zweifel an der Führungsstärke der Regierung weckten, meint Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Eine entscheidende Frage sei, wie in der Pandemie den betroffenen Unternehmen und Betrieben geholfen werde. Buschmann wirft Bundeswirtschaftsminister Altmaier vor, nicht mit der berechtigten Kritik am Chaos bei den Überbrückungshilfen umgehen zu können. Er halte es für verantwortungslos, wenn der Wirtschaftsminister mit dem Finger auf die Landeswirtschaftsminister zeige. Altmaier versuche, sich der Verantwortung zu entziehen.
„Es ist großes Chaos bei den Überbrückungshilfen angerichtet worden. Wenn man den Bundeswirtschaftsminister darauf anspricht, reagiert er wie ein Kind, das man beim Griff in die Keksdose erwischt hat.“ Die Landeswirtschaftsminister hätten in Wirtschaftsministerkonferenzen immer wieder auf die Probleme, die schlechte Software, die späte Auslieferung der Software, das komplizierte Verfahren, hingewiesen. „Das kann nicht der Weg sein, wie wir mit dem Thema Überbrückungshilfe umgehen, weil es hier um Tausende und Hunderttausende Existenzen geht und den Menschen mittlerweile das Geld ausgeht. Das stärkt nicht das Vertrauen in die Bundesregierung und es sollte hier schnell nachgebessert werden.“
Auch Lindner kritisiert, dass die Abwicklung seitens des Bundeswirtschaftsministeriums „viel zu bürokratisch und schleppend“ verläuft. Außerdem sei eine der wesentlichen Maßnahmen immer noch nicht praxistauglich umgesetzt: „Dass wir die Verluste des Jahres 2020 und 2021 voll gegen die Gewinne der Jahre 2017, 2018 und 2019 bei der Steuer verrechnen lassen. Das wäre eine direkte Liquiditätshilfe für betroffene Betriebe.“
Und damit das Ganze „kein Verarmungsprogramm für die Generation der Kinder und Enkel“ werde, brauche es schnellstmöglich eine Rückkehr zu soliden öffentlichen Finanzen. „Der Staat muss also seine Ausgaben priorisieren: Wo ist wirklich öffentliches Geld nötig? Etwa bei der Finanzierung und Verbesserung der Bildung. Welche Subvention können wir uns aber sparen? Und wir werden dann dafür sorgen müssen, dass wir Ausbildungsund Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum bekommen.“ Dafür werde die Politik zukünftig „die Idee der Wirtschaftsfreundlichkeit vom Bürokratieabbau über das Steuerrecht bis hin zu kluger Infrastruktur neu entdecken müssen“.
Gegenwärtig würden viele Programme, Progrämmchen, Subventionen, Investitionshilfen von der Politik ausgelobt: „Die Grünen wollen 500 Milliarden Euro Schulden machen und dann selbst als grüne Partei in der Regierung entscheiden, wo das Geld investiert wird. Unsere Idee ist eine andere. Wir wollen den Bürgern und den Betrieben mehr lassen von dem, was sie sich selbst erwirtschaftet haben. Weil die Menschen besser wissen, welches Produkt, welche Dienstleistung, welches Geschäftsmodell Zukunft hat, als wir Politiker das können.“ Lindner erwartet, dass „diese Aktivierungsenergie“ auch zu einer Selbstfinanzierung führt. Dann nämlich, wenn es gelingt, durch steuerliche Maßnahmen unser Land auf einen anderen, einen höheren Wachstumspfad zu führen. Wenn es gelänge, durch eine solche Aktivierungsenergie einfach nur 0,5 Prozent mehr Wachstum pro Jahr in Deutschland zu generieren, dann hätte sich die Abschaffung des Solidaritätszuschlags schon um ein Vielfaches selbst finanziert.
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