Infektionsschutzgesetz sorgt für mehr Normalität
Am Sonntag laufen alle tiefgreifenden Corona-Einschränkungen auf Bundesebene aus. Das neue Infektionsschutzgesetz sorgt für mehr Normalität und ermächtigt die Länder zu passgenauen Maßnahmen.
Mit dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften kehrt Deutschland weitgehend zur Normalität zurück. Bestehende Freiheitseinschränkungen der Menschen werden zurückgenommen, gleichzeitig bleibt der Schutz besonders vulnerabler Gruppen garantiert. Zudem sichert die Koalition die Handlungsfähigkeit in jeder Phase der Pandemie. „Wir gehen einen großen Schritt in Richtung Normalität. Aber wir geben den Ländern auch die Instrumente, die sie brauchen, um im Notfall handlungsfähig zu sein“, fasste Bundesjustizminister Marco Buschmann das Vorgehen der Ampel-Koalition zusammen.
Er meint im Interview mit der „Rheinischen Post“ : „Inzwischen haben wir seit Wochen eine stabile Lage auf den Normal- und auf den Intensivstationen. Die Situation ist beherrschbarer. Damit fällt die Begründung für viele eingriffsintensive Corona-Maßnahmen weg.“ Man könne nicht bloß präventiv auf Dauer millionenfach Grundrechte beschränken. Darauf müsse jede Lösung Rücksicht nehmen. Er unterstrich zugleich: „Niemand behauptet, die Pandemie sei vorbei. Jeder Tote bleibt ein Toter zu viel.“
Grundrechtseingriffe müssen sehr sauber begründet werden
Er verwies darauf, dass mehr als jeder Zweite der Menschen, die sterben, ungeimpft sei. „Wir können aber nicht ein ganzes Land in Haft nehmen, weil es Menschen gibt, die sich bewusst für ein erhöhtes Risiko entscheiden“, verteidigt er die Änderungen am Infektionsschutzgesetz gegen die Kritik: „Uns Freien Demokraten war es wichtig, dass wir wieder zu mehr Normalität kommen. Und man kennt Karl Lauterbach und weiß, wie er denkt und wie viel Wert er auf Vorsorge legt. Wir haben beides erreicht: nur noch wenige Einschränkungen im Alltag und Handlungsfähigkeit in Hotspots hinter hohen Hürden. Das ist ein guter Kompromiss, der vor allem der Lage gerecht wird.“
Er bleibt dabei: „Grundrechtseingriffe müssen sehr sauber begründet werden. Wir sind weit, weit entfernt von Zuständen, wie wir sie letzten Herbst und Winter hatten. Geht die Gefahr zurück, müssen auch die Gefahrenabwehrmaßnahmen zurückgefahren werden. Das tun wir.“
Wir gehen einen Weg wie alle anderen europäischen Länder
Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte die geplanten Lockerungen. „Es geht darum, was ein Rechtsstaat zu tun hat in so einer Situation“, sagte er am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei richtig, dass der Staat nicht darauf warte, dass Gerichte so etwas entscheiden, sondern dass die Politik an dieser Stelle handle. Dürr verwies außerdem auf die europäischen Nachbarländer wie Frankreich oder Norwegen, die eine höhere Inzidenz hätten. „Sie alle nehmen Maßnahmen zurück, denn wir haben mit Omikron eine andere Situation“, so der Politiker. Deutschland solle keinen Sonderweg gehen.
„Die Menschen in Deutschland haben die Corona-Maßnahmen sehr gewissenhaft mitgetragen und umgesetzt. Jetzt ist es die Aufgabe der Politik, ihr Versprechen zu halten und Normalität wiederherzustellen“, kommentierte Dürr den Entwurf der Bundesregierung für die Corona-Regeln ab dem 20. März. „Die Grundlage für derartige Einschränkungen fällt jetzt weg, da unser Gesundheitswesen glücklicherweise nicht überlastet ist. Es ist daher wichtig, nun auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen zu setzen“, betonte Dürr. Zugleich bleibe es dabei, dass Masken im ÖPNV und Fernverkehr weiterhin möglich sind und die Menschen in Alten- und Pflegeeinrichtungen durch Tests und Masken besonders geschützt werden können.
Die Eigenverantwortung ist besonders wichtig
FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus sieht in der aktuellen Lage „das Positive“: Man sei keineswegs in der gleichen Situation wie vor zwei Jahren. Heute habe mit Impfungen und Masken jeder die Möglichkeit, sich gegen das Virus zu schützen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP verwies unter anderem auf milde Verläufe durch Omikron und führte an, die intensivmedizinische Behandlung habe sich von hohen Infektionszahlen „weitgehend entkoppelt”. Das Virus müsse nun anders beurteilt werden. Trotz hoher Infektionszahlen sei die Belastung der Krankenhäuser nicht im gleichen Ausmaß gewachsen, denn die Zahl schwerer Verläufe sei geringer als bei früheren Virusvarianten.
„Wir müssen doch die nächsten Jahre mit diesem verdammten Virus leben“, sagt Aschenberg-Dugnus. „Da ist die Eigenverantwortung besonders wichtig.“ Mit der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes erfülle man nun das Ziel aller vergangenen Maßnahmen: Die Überlastung des Gesundheitssystems verhindern und vulnerable Gruppen schützen. Nur dort wo es nötig sei, werde es weiter Einschränkungen geben. „Da setzen wir nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.“
Gesetzentwurf zum Infektionsschutzgesetz
Mit einer weiteren Änderung des Infektionsschutzgesetzes sollen künftig mögliche Schutzvorkehrungen der Länder gegen die Corona-Pandemie auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. Konkret bedeutet das, dass vom 20. März an bundesweit eigentlich fast keine Corona-Einschränkungen mehrgelten sollen. Keine Maskenpflicht in Innenräumen, keine Zugangsbeschränkungen, kein Abstandsgebot. Ausnahmen sind grundsätzlich für besonders sensible Bereiche wie Pflegeheime und Kliniken vorgesehen, außerdem für Fernzüge und Flugzeuge.
Darüber hinaus soll es Sache der Länder sein, strengere Maßnahmen festzulegen: Bei einer lokal begrenzten, bedrohlichen Infektionslage soll künftig eine Hotspot-Regelung greifen. In dem Fall können die betroffenen Gebietskörperschaften erweiterte Schutzvorkehrungen anwenden, etwa Maskenpflicht, Abstandsgebote oder Hygienekonzepte. Was ein Hotspot ist, entscheiden sie weitgehend selbst. Die künftige bundesweite Rechtsgrundlage für Corona-Regeln soll an diesem Freitag von Bundestag und Bundesrat besiegelt werden.