Hochschulen sind keine rechtsfreien Räume
Angesichts zunehmender propalästinensischer Proteste hat Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Universitäten zu konsequentem Vorgehen gegen Antisemitismus aufgefordert.
Propalästinensische Proteste gibt es seit Wochen auch an deutschen Hochschulen. Von Berlin über Leipzig bis nach München organisieren Studierende derzeit Aktionen gegen den Gaza-Krieg und besetzen Campusse. Im Februar ist in Berlin ein jüdischer Student der FU von einem Kommilitonen krankenhausreif geprügelt worden. In Berlin wurden nun Teile der Humboldt-Uni von der Polizei geräumt.
Bildungsministerin Stark-Watzinger bezeichnete derartige Vorfälle in einem Interview mit der „Jüdischen Allgemeinen“ als „unerträglich“. Sie sieht die Ausschreitungen an US-Universitäten als eine Warnung. Universitäten mögen Orte maximaler Freiheit sein, doch sind sie keineswegs rechtsfreie Räume. Hochschulen sollten daher konsequent von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, um gegen Antisemitismus vorzugehen. Stark-Watzinger hob die Bedeutung der Hochschulen als Orte des friedlichen und rationalen Diskurses hervor. Zugleich unterstrich sie die Notwendigkeit, den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Daher können Besetzungen, Hetze und Gewalt nicht toleriert werden.
Bundesjustizminister Marco Buschmann rief zu einer Auseinandersetzung mit Argumenten auf und nahm die Dozenten in die Pflicht. „Es darf keine Bedrohung, keine Beleidigung, keine Billigung von Straftaten stattfinden“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Weder Antisemitismus noch Gewalt dürfen toleriert werden
„Ich persönlich würde mir wünschen, dass Dozenten ihre Studenten dazu ermutigen, Argumente vorzutragen. Gerade an Universitäten sollte das stärkere Argument zählen — und nicht das lautere Geschrei“, so Buschmann.
Deutschland habe eine besondere Verantwortung gegenüber Israel, unterstrich der Justizminister. Für das Leid im Gazastreifen trage die palästinensische Terrororganisation Hamas die Verantwortung. Selbstverständlich könne sich auf die Meinungsfreiheit auch berufen, wer mit dieser Haltung nicht einverstanden sei. „Die Grenze ist dort erreicht, wo Gewalt ausgeübt oder zu ihr aufgestachelt wird, wo Persönlichkeitsrechte verletzt oder Kennzeichen terroristischer Organisationen verwendet werden“, führte der Justizminister an.
Er empfinde manche Begleiterscheinungen der Proteste an den Universitäten als besonders schmerzhaft, so der FDP-Politiker weiter: „Denn dort sollen junge Menschen Konflikte austragen — und zwar mit rational überprüfbaren Argumenten. Nicht, indem andere niedergebrüllt oder mit der Faust bedroht werden.“
Vorurteile abbauen, Zivilcourage stärken
Bettina Stark-Watzinger mahnte, die deutsche Vergangenheit verpflichte zu einer besonderen Verantwortung. Antisemitismus müsse konsequent bekämpft werden. Zu diesem Zweck habe die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Aktionsplan gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit verabschiedet. Die Bildungsministerin wies jedoch auch darauf hin, dass Antisemitismus unter Studierenden nicht überproportional häufig vorkommt. Eine vom Bildungsministerium geförderte Studie zeigte tatsächlich, dass antisemitische Einstellungen bei Studierenden weniger verbreitet sind als in der Gesamtbevölkerung. Dennoch berichtete jeder dritte der befragten jüdischen Studierenden von Diskriminierung aufgrund ihrer Religion. Dies sei besorgniserregend, betonte Stark-Watzinger.
Viele Hochschulleitungen hätten bereits Maßnahmen ergriffen, um jüdische Studierende zu schützen. Es wäre fatal, wenn sich diese wegen der Angst vor Übergriffen aus dem Studium zurückziehen würden. Daher seien nun alle gefordert, nicht wegzusehen und sich dem Antisemitismus entschlossen entgegenzustellen. Die Bildungsministerin unterstützt daher auch den Vorschlag eines Aktionstages gegen Antisemitismus an Schulen und Hochschulen. Dieser Vorschlag des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, biete die Möglichkeit, sich intensiv mit Antisemitismus auseinanderzusetzen, Vorurteile abzubauen und Zivilcourage zu stärken.