Europa braucht eine neue Iran-Strategie
Die Proteste der iranischen Bevölkerung gegen die Führung des Landes reißen nicht ab. Das Regime antwortet mit gewaltsamer Unterdrückung. Bijan Djir-Sarai erwartet jetzt Entschlossenheit im Umgang mit dem Iran.
Vor drei Wochen wurde die 22-jährige Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie das islamische Kopftuch nicht den Regeln entsprechend getragen habe. Nach ihrer Festnahme starb Amini unter ungeklärten Umständen. Seitdem protestieren vor allem junge Menschen gegen das islamistische Regime und die systematische Unterdrückung der Frauen im Iran.
„Was wir sehen, ist eine Revolution“, sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er fordert ein selbstbewusstes und entschlossenes Auftreten der EU und Deutschlands gegenüber dem Iran: „Wenn die europäische Staatengemeinschaft, die sich auf genau den Werten gründet, für die die iranische Bevölkerung von der eigenen Führung abgeschlachtet wird, weltweit glaubwürdig und unerschütterlich für Freiheit und Menschenrechte einstehen will, muss sie ins Handeln kommen. Warme Worte allein können wir nicht länger wie eine Monstranz vor uns hertragen“, schreibt er in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Das FDP-Präsidium hat mit dem Beschluss „An der Seite der iranischen Frauen im Kampf um Freiheit“ reagiert. Darin heißt es: „Das patriarchale und islamistische Mullah-Regime im Iran übt seit Jahrzehnten auf verschiedensten Ebenen Macht gegenüber Frauen aus und sorgt für eine fortbestehende massive Unterdrückung.“ Für die Freien Demokraten sei es daher selbstverständlich, dass die jüngsten Ereignisse und massiven Verstöße gegen fundamentale Freiheitsrechte im Iran einer Reaktion bedürfen.
Jetzt eine konkrete Strategie entwickeln
Für Djir-Sarai ist klar, was nun unmittelbar passieren muss: „Die brutale Repression friedlicher Demonstrationen durch das iranische Regime muss sofort eingestellt werden. Die Umstände des Todes von Mahsa Amini müssen durch unabhängige Instanzen lückenlos aufgeklärt werden. Allen bereits erfolgten gewalttätigen Akten der Sicherheitsbehörden in Iran muss unabhängig nachgegangen werden.“
Da der Mullah-Staat bereits deutlich gemacht hat, dass die politische Führung keinesfalls auf Ansinnen regierungskritischer Demonstranten reagieren wird, mahnt Djir-Sarai, dass es „von überragender Bedeutung“ sei, „dass Europa jetzt eine konkrete Strategie für den Umgang mit der Islamischen Republik entwickelt“.
Was Deutschland jetzt für die mutigen Iraner tun muss
Konkret fordert er: „Erstens müssen die europäischen Staaten der iranischen Zivilbevölkerung uneingeschränkte Unterstützung zuteil werden lassen.“ Europäische Staaten, die sich aus Überzeugung eine feministische Außenpolitik verordnet haben, dürften „diese mutigen Frauen nicht im Stich“ lassen. Essenziell sei dabei, dass die Presse- und Internetzensur im Iran beendet wird. „Der gesamten Bevölkerung muss umgehend ein umfassender Zugang zu Informationskanälen eröffnet werden“, fordert Djir-Sarai, der selbst im Iran geboren und aufgewachsen ist. „Dafür muss die EU unverzüglich prüfen, welche technischen Möglichkeiten ihr zur Verfügung stehen, um den freien Zugang zu Informationen zu fördern, beispielsweise durch den Aufbau einer VPN-Infrastruktur.“
„Zweitens muss die EU schnellstens schlagkräftige Sanktionen verabschieden, die zielgerichtet die iranische Oligarchie treffen. Es darf nicht sein, dass Mitglieder der Sittenpolizei, Angehörige der Revolutionswächter und andere Regimetreue, die schwerste Menschenrechtsverletzungen verantworten, gleichzeitig jegliche Vorzüge der Freiheit in Europa genießen können. Entsprechend muss eine Visa-Sperre verhängt und Vermögen in Europa eingefroren werden.“ Diese Position hatte Djir-Sarai zuvor auch bei einer Kundgebung vertreten und in einer Aktuellen Stunde im Bundestag wiederholt.
Beim Atomabkommen gleichrangig über Menschenrechte sprechen
Darüber hinaus müsse sich die EU die dringende Frage stellen, ob die Fortsetzung des Atomabkommens JCPoA mit Iran im Lichte der dramatischen Entwicklungen noch vertretbar sei, mahnt der FDP-Außenpolitiker. „Verhandlungen mit einem Regime zu führen, das jegliche Legitimation eingebüßt hat, ist hochgradig problematisch. Eine Fortsetzung der Atomverhandlungen mit Iran ist nur dann nachvollziehbar, wenn gleichzeitig und gleichrangig über die eklatanten Menschenrechtsverletzungen gesprochen wird.“ Der „naive Kuschelkurs“ Europas müsse enden, personenbezogene Sanktionen sollten verhängt werden. „Die Führung der Islamischen Republik muss wissen, dass die Weltöffentlichkeit nichts vergisst“, hatte Djir-Sarai in der Aktuellen Stunde formuliert.
Seiner Ansicht nach muss auch die „äußerst konfliktäre geopolitische Rolle“ Irans auf den Tisch: „Iran erschüttert den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Ob Irak, Syrien oder Jemen – Iran ist in der Region verantwortlich für Destabilisierung und eklatante Menschenrechtsverletzungen.“ Zudem unterstütze die iranische Führung Russland im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine mit Drohnen und „verfolgt darüber hinaus das Ziel, Israel von der Landkarte zu tilgen“. Ohne eine ernste und gleichwertige Berücksichtigung dieser Aspekte sei die Fortführung des Atomabkommens sinnlos, so die klare Überzeugung des FDP-Generalsekretärs.
Auch interessant:
- Beschluss des FDP-Präsidiums: An der Seite der iranischen Frauen im Kampf um Freiheit
- Gastbeitrag von Bijan Djir-Sarai in der FAZ
- Bijan Djir-Sarai im mdr-Aktuell-Interview
- Bijan-Djir-Sarai in der Aktuellen Stunde
- FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im heute journal update
- FDP stellt sich an die Seite der mutigen Frauen im Iran
- Offener Brief der FDP-Fraktion an den iranischen Botschafter
- Statement von FDP-Fraktionschef Christian Dürr