Eine Frage der Souveränität
Digitalminister Volker Wissing spricht sich für eine wertebasierte Regulierung von Künstlicher Intelligenz aus. Die Bundesländer kritisiert er für ihre Blockade des Onlinezugangsgesetzes.
Neue KI-Technologien können das Leben der Menschen deutlich verbessern und die Verwaltung entlasten. Doch die Digitalisierung scheitert laut Digitalminister Volker Wissing häufig bei der Umsetzung im Einzelfall – zuletzt beim Onlinezugangsgesetz. Er setzt auf mehr Innovationsfreude und die Unabhängigkeit von Technologien aus China und den USA. Wissing zeigt sich enthusiastisch, wenn er auf Deutschlands Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung blickt. „Wir sind neben den USA die führende KI-Nation weltweit, gefolgt von Japan und China“, erläuterte der Digitalminister in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Deutschland habe eine der modernsten Infrastrukturen weltweit. „Wir haben 97 Prozent Abdeckung mit 4G, 91 Prozent mit 5G. Bei künstlicher Intelligenz (KI) sind wir das Land mit den zweitmeisten Patentanmeldungen der Welt. Wir haben Unternehmen im Land wie Aleph Alpha, insgesamt mehr als 500 KI-Start-ups“.
Wissing, der am Sonntag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und einer Delegation nach China reist, betonte zugleich: „Künstliche Intelligenz kann nur aus einem Umfeld von Partnern kommen, die unsere Werte teilen: G7 oder die OECD.“ China gehört zu keiner der beiden Gruppen. „Für uns in Europa ist die wertebasierte Regulierung besonders wichtig.“ Wichtig sei zugleich, nicht nur auf die großen KI-Unternehmen aus dem Silicon Valley zu setzen: „Wir dürfen uns bei KI nicht von Kalifornien abhängig machen. Das ist eine Frage der Souveränität.“
Autonomes und vernetztes Fahren
Das Thema autonomes und vernetztes Fahren werde auf der Reise nach China eine wesentliche Rolle spielen. Alter, Geschlecht, Freizeitverhalten – all dies könne mittlerweile alleine über die Daten eines Autos bestimmt werden. „Wir sind gerade dabei, mit China und den USA über internationale Zulassungsvorschriften von solchen Fahrzeugen zu sprechen“, so Wissing. „Wir müssen dafür sorgen, dass Autos, die bei uns hergestellt werden, am Ende auch weltweit fahren können.“
Das gelte auch umgekehrt – selbst vor dem Hintergrund der Frage, ob die Autodaten der Deutschen bei chinesischen Firmen sicher seien. „Wir brauchen den Marktzugang in China, umgekehrt akzeptieren wir natürlich auch den Wettbewerb hierzulande. Alles andere wäre nicht im Interesse der Verbraucher, die ja beste Qualität zum günstigsten Preis haben wollen.“ Er ist überzeugt, dass die deutschen Autohersteller die Transformation hin zu künstlicher Intelligenz schaffen, „auch weil sie in Forschung und Entwicklung beeindruckend sind“.
Digitalisierung in der Verwaltung vorantreiben
Die Digitalisierung der Verwaltung gestaltet sich weiterhin mühsam. Dies liege vor allem an der schleppenden Umsetzung innerhalb der einzelnen Fachressorts und an Blockaden des Bundesrates, wie zuletzt beim Onlinezugangsgesetz. „Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die sich mehr Digitalisierung wünschen, im konkreten Einzelfall dann auch nicht die Bremser sind“, übte er scharfe Kritik an den Bundesländern. Es sei nicht das erste Mal, dass im Bundesrat Gesetze gestoppt werden, die die Länder im Nachhinein dann doch für wichtig erachten. Digitalisierung scheitere häufig in den Köpfen.
Das Onlinezugangsgesetz soll ein Meilenstein für die Digitalisierung der Verwaltung werden. Vorgesehen ist die Einführung neuer digitaler Kommunikationswege in der Verwaltung, einschließlich der BundID für Online-Authentifizierung bei der Nutzung verschiedener digitaler Verwaltungsleistungen. Auch sollen elektronische Alternativen zur Schriftform und ein qualifiziertes elektronisches Siegel eingeführt werden.
Das Bundeskabinett hat nun beschlossen, zur Reform des Onlinezugangsgesetzes den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen, um die Gesetzesvorhaben voranzutreiben. „Man kann im Jahr 2024 kein Digitalisierungsgesetz blockieren“, appellierte Wissing. Lange Zeit galt Deutschland als Vorreiter in der Verwaltung, aufgrund dieser Selbstgewissheit wurden notwendige Veränderungen verschlafen. Angesichts des Fachkräftemangels ist nun aber klar, dass die Digitalisierung dort gebraucht wird. Der Digitalminister warnt, „wenn wir so weitermachen, verlieren wir unsere technologische Führung“.
KI verändert die Welt
Neue KI-Technologien bieten großes Potenzial zur Verbesserung des Lebens der Bürgerinnen und Bürger. Schließlich habe Digitalisierung laut Wissing auch immer etwas Altruistisches. Es gehe darum, Daten zu generieren und zu verknüpfen, um damit etwas für die Gemeinschaft zu tun. Die Abkehr von analogen Strukturen eröffnet immer auch neue Chancen. Zum Beispiel kann die Digitalisierung von Fahrscheinen dazu beitragen, dass der öffentliche Nahverkehr durch die Nutzung von Daten zu Abfahrtszeiten und Strecken effizienter und präziser geplant werden kann. Durch die Nutzung von Daten zu Scheibenwischern in Autos könnten Unfälle verhindert werden, indem andere Autofahrer in Echtzeit vor Aquaplaning gewarnt werden. „KI verändert die Welt. Wenn wir es richtig machen, zum Guten“, unterstrich der Digitalminister.