Aus der Krise kann eine erstarkte Finanzbranche entstehen
Harald Christ sieht aufgrund der Corona-Krise zwar Herausforderungen für die europäische und deutsche Finanzbranche. Dennoch ist er optimistisch, dass aus der Krise eine erstarkte Branche mit soliden Institutionen entsteht.
Laut Christ ist es jetzt wichtig, dass wir uns mit dem Thema Regulatorik auseinandersetzen. Die Finanzmarktkrise und die Pleite von Lehmann Brothers 2008 habe erhebliche Auswirkungen gehabt, denen regulatorisch gegensteuert worden sei. „Wir müssen jetzt auf den deutschen und den europäischen Finanzmarkt schauen, aber auch sehr genau darauf achten, was in anderen Ländern passiert“, meint der Finanzexperte. Es wäre wichtig, jetzt zu überprüfen, welche Maßnahmen sinnvoll waren und welche ihr Ziel verfehlen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Institute belasten.
Christ prognostiziert, dass wir einen steigenden Kostendruck sehen werden, was zu weiteren Zusammenschlüssen führen werde. Seiner Meinung nach ergebe es keinen Sinn, dass wir so viele Landesbanken haben. Zusammenschlüsse von Landesbanken, Bausparkassen und von einzelnen kleinen Instituten seien hingegen sinnvoll angesichts des sehr kleinteiligen Marktes in Deutschland. „Damit sollte aus meiner Sicht ein Rückzug der Politik aus dem Bankgeschäft einhergehen“, fordert Christ.
Corona sei nicht nur für den Finanzbereich „ein Brennglas auf alle politischen Versäumnisse der letzten Jahre. Die Pandemie macht uns deutlich, dass wir im Bereich Digitalisierung bei Weitem nicht da sind, wo wir sein müssten auch im internationalen Wettbewerb“, so der FDP-Bundesschatzmeister. Die Pandemie habe offengelegt, wie kompliziert unser Bildungswesen organisiert sei und wie schwerfällig die Digitalisierung der Schulen vorangehe. Des Weiteren wurden uns die Versäumnisse im Gesundheitswesen vor Augen geführt. Christ kritisiert, dass Deutschland auf eine solche Pandemie nicht vorbereitet gewesen sei, obwohl solche in einer globalisierten Welt vorprogrammiert seien.
Laut Christ wird das ganze Ausmaß der Krise erst in einigen Monaten deutlich. „Und dann, glaube ich, kommen enorme gesellschaftliche Herausforderungen auf uns zu. Dann merken die Menschen plötzlich: Es geht um meinen Arbeitsplatz, um meinen Geldbeutel.“ Auch die deutschen Innenstädte werden vor erhebliche Herausforderungen gestellt werden, insbesondere was Hotellerie, Gastronomie, Tourismus und das Schausteller-Gewerbe betrifft, ist er sich sicher.
Und das obwohl zu Beginn der Corona-Krise der Bundesfinanzminister Olaf Scholz und der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier noch gesagt hätten, dass kein Arbeitsplatz verloren gehen werde und kein Unternehmen, das unverschuldet durch Corona in Mitleidenschaft gezogen worden ist, Pleite ginge. „Das kann man heute wirklich ins Märchenbuch packen“, findet Christ deutliche Worte. Trotz aller Herausforderungen sei er aber zuversichtlich, dass wir sie stemmen werden. „Aber über die Wege und Maßnahmen kann man sich natürlich streiten.“
Eine Bankenkrise sieht der Bundesschatzmeister nicht auf uns zu kommen. Das deutsche Finanzsystem sei stabiler denn je. Allerdings werde es zu einem erhöhten Konsolidierungsdruck auf einzelne Häuser kommen insbesondere bei den Sparkassen und Volksbanken. Auf europäischer Ebene hingegen werden die Themen Länderstabilität, Lastenverteilung und Risikoverteilung stärker in den Fokus rücken, meint Christ. „Wir werden sicherlich wieder eine Diskussion um den Euro bekommen und über europäische Länderstabilität.“ Und dann sei es die Aufgabe der Politik, für Stabilität im Euroraum zu sorgen.