Antragsbuch für den 75. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz

Modernisierung und Internationalisierung der Juristenausbildung

Modernisierung und Internationalisierung der Juristenausbildung

Die FDP setzt sich für eine zukunftsorientierte und innovative Juristenausbildung ein, die den sich kontinuierlich verändernden Anforderungen unserer modernen Gesellschaft und der globalen Vernetzung gerecht wird. Diese Notwendigkeit wird besonders deutlich angesichts der rückläufigen Absolventenzahlen und des bestehenden Fachkräftemangels. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sind die folgenden Schritte von großer Bedeutung:

1. Integrierter Bachelor an allen Juristischen Fakultäten:

Der integrierte Bachelor in Kombination mit dem ersten Staatsexamen soll an allen Juristischen Fakultäten eingeführt werden.

2. Möglichkeit des Abschichtens in der Ersten Staatlichen Pflichtfachprüfung:

Die Möglichkeit des Abschichtens in der Ersten Staatlichen Pflichtfachprüfung sollte bundesweit eingeführt werden, um den Studierenden mehr Flexibilität und Anpassungsmöglichkeiten zu bieten.

3. Verbesserung der Examensbedingungen:

Die Möglichkeit eines Verbesserungsversuchs sollte unabhängig vom Freischuss in allen Bundesländern ermöglicht werden. Gleichzeitig sollten die damit verbundenen Kosten bundesweit reduziert werden und die bewährten Ruhetage deutschlandweit beibehalten werden.

4. Stärkung der digitalen Kompetenz:

Digitale Technologien sollten in der Ausbildung verstärkt eingesetzt werden und bundesweit das E-Examens sowie digitale Klausuren als zeitgemäße Prüfungsmethode eingeführt werden. Legal Tech und die Digitalisierung des Rechts sollten verpflichtend in den Pflichtfachstoff des Staatsexamens aufgenommen werden.

5. Internationalisierung und Fremdsprachenkompetenz:

Die Juristenausbildung sollte vermehrt auf Internationalisierung und den Ausbau von Fremdsprachenkompetenz setzen, um den Absolventinnen und Absolventen eine breitere Perspektive auf globaler Ebene zu eröffnen.

6. Stärkung der Juristischen Methodik:

Die Juristische Methodik sollte gestärkt und gleichzeitig der Pflichtfachstoff reduziert werden, um den Studierenden eine vertiefte Auseinandersetzung mit den juristischen Methoden zu ermöglichen.

7. Verbesserung der Studierendenbetreuung:

Um eine optimale Betreuung sicherzustellen, sollte ausreichend Personal an den Universitäten zur Verfügung stehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Studierenden die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.


Begründung:

Zu 1:

In Anlehnung an die Konzepte privater Law Schools in Deutschland befürwortet die FDP die Möglichkeit für Jurastudierende, einen integrierten „Bachelor of Laws“ in Kombination mit dem ersten Staatsexamen zu absolvieren. Dabei soll das etablierte System der beiden Staatsexamen, das als Grundlage für die Zulassung zum Richteramt dient, unverändert bestehen bleiben.

Die Vorteile der Einführung eines integrierten Bachelors sind vielfältig:

  • Durch einen integrierten Bachelor haben Studierende, die nicht den traditionellen rechtswissenschaftlichen Weg einschlagen möchten, die Chance, frühzeitig in das Berufsleben einzusteigen, ohne die zeitaufwändige Vorbereitung auf das Staatsexamen absolvieren zu müssen. Dies eröffnet diverse Einsatzmöglichkeiten in Wirtschaft und Industrie sowie der Verwaltung, wie die steigende Nachfrage nach Wirtschaftsjuristinnen und -juristen verdeutlicht.

  • Darüber hinaus trägt der integrierte Bachelor dazu bei, den psychischen Druck im Studium zu verringern, indem er den Studierenden im Falle des endgültigen Nichtbestehens des Staatsexamens eine solide Basis bietet. Dies verhindert, dass Studierende trotz langem Studiums ohne Qualifikationen dastehen und es zu einer „Alles-Oder-Nichts“-Situation kommt. Im Zuge des Studiums haben viele Studierende bereits verschiedene juristische Leistungen erbracht, die mit einem Bachelor-Abschluss honoriert werden würden.

  • Ein Bachelor-Abschluss würde die internationale Vergleichbarkeit erheblich erleichtern: Leistungen, die während eines Studiensemesters im Ausland erbracht werden, könnten direkt in das Bachelor-Zeugnis einfließen, da Credits nach internationalem Standard verwendet werden. Ausländischen Studierenden eröffnet sich die Gelegenheit, in Deutschland ein rechtswissenschaftliches Studium mit einem international vergleichbaren Abschluss zu durchlaufen, ohne gleichzeitig einen Masterabschluss absolvieren zu müssen. Dies macht ein Jura-Studium in Deutschland für ausländische Studierende attraktiver.

  • Die Einführung eines Bachelor-Abschlusses bewirkt, dass die während der ersten Jahre des Studiums erbrachten Leistungen im Rahmen des Bachelor-Abschlusses relevant sind. Da bisher nur die Noten des staatlichen Examens und der Schwerpunktprüfung die Abschlussnote bestimmen, werden Examensinhalte oft erst während der intensiven Examensvorbereitung erlernt. Dies führt zu einer starken Verdichtung der Lernzeit unmittelbar vor dem Examen. Die Einführung eines Bachelor-Programms könnte dazu führen, dass Studierende bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Lernen beginnen, was zu nachhaltigerem und ausgewogenerem Lernen führt. Darüber hinaus werden sich Studierende frühzeitig mit der Frage auseinandersetzen, ob das juristische Studium tatsächlich die richtige Wahl ist.

Eine verbindliche Einführung des integrierten Bachelor-Programms ist aufgrund der Einschränkung der Hochschulfreiheit problematisch. Land und Bund könnten den mit der Einführung eines integrierten Bachelors einhergehende organisatorische Aufwand an den Hochschulen durch finanzielle Unterstützung abfedern und somit einen Anreiz setzen.

Zu 2:

Der Begriff „Abschichten" beschreibt die Möglichkeit, die schriftlichen Prüfungsleistungen im Rahmen des ersten juristischen Staatsexamens auf Antrag in zwei oder drei zeitlich getrennten Abschnitten zu erbringen, anstatt alle sechs Klausuren in einem engen zeitlichen Rahmen aufeinanderfolgend abzulegen. Die FDP plädiert dafür, die Möglichkeit zur Abschichtung in allen Bundesländern einzuführen.

Dies eröffnet den Studierenden die Möglichkeit, sich die verschiedenen Rechtsgebiete getrennt und gründlich über einen längeren Zeitraum anzueignen. Dieser Ansatz soll dazu beitragen, den Stress bei juristischen Prüfungen zu verringern. Die Nutzung der Abschichtung sollte an eine festgelegte Anmeldefrist für die Prüfung gebunden sein, und die Klausuren müssen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters abgelegt werden.

Zu 3:

Die Option eines Verbesserungsversuchs kann Studierende dazu zu ermutigen, das Erste Examen frühzeitig abzulegen. In einigen Ländern ist es nur möglich, den Verbesserungsversuch nach erfolgreichem Bestehen des Freiversuchs zu nutzen. Wir schlagen vor, bundesweit die Möglichkeit einzuführen, den Verbesserungsversuch unabhängig vom Freiversuch zu ermöglichen.

Die Gebühren für die Teilnahme an einem Verbesserungsversuch variieren erheblich zwischen den Ländern. Während in einigen Ländern im ersten Examen keine Gebühren anfallen und nur sechs Länder überhaupt Gebühren erheben, liegt die Gebühr in Hessen mit 400 EUR am höchsten. Trotz des eigentlichen Zwecks, Verfahrenskosten zu decken, scheinen Gebühren oft eher dazu zu dienen, potenzielle Interessentinnen abzuschrecken. Daher fordern wir eine transparente Evaluation der Kosten für Verbesserungsversuche und eine angemessene Reduzierung dieser Gebühren auf bundesweiter Ebene.

Um sich zwischen den Examensklausuren zu regenerieren, sind Ruhetage zwischen den Schreibtagen unverzichtbar. Einige Prüfungsämter in verschiedenen Ländern überlegen jedoch, diese abzuschaffen, um Kosten für Raummieten und Personal zu reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass das Staatsexamen bereits eines der anspruchsvollsten Prüfungssysteme ist und einen entscheidenden Einfluss auf den zukünftigen beruflichen Werdegang angehender Juristinnen hat, erscheinen weitere Verschärfungen der Bedingungen unangemessen. Als Freie Demokraten setzen wir uns entschieden dafür ein, Ruhetage deutschlandweit beizubehalten.

Zu 4

Die fortschreitende Digitalisierung beeinflusst die Gesellschaft und den Rechtsverkehr in hohem Maße. Themen wie der elektronische Rechtsverkehr und Legal Tech gewinnen zunehmend an Bedeutung im juristischen Berufsfeld. Vor diesem Hintergrund setzt sich die FDP dafür ein, dass angehende Juristinnen und Juristen eine umfassende digitale Kompetenz vermittelt bekommen, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden. Eine mögliche Umsetzung könnte durch eine Grundlagenvorlesung erfolgen. Legal Tech und die Digitalisierung des Rechts sollten verpflichtend in den Pflichtfachstoff des Staatsexamens aufgenommen werden.

Digitale Technologien können zudem die Flexibilität des Lernprozesses erhöhen, den Zugang zu Lehrinhalten zu erleichtern und den Studierenden die Möglichkeit zu geben, zeitgemäße Technologien aktiv in ihre juristische Ausbildung einzubinden. Die FDP fordert eine finanzielle Förderung digitaler Lehr- und Lernmethoden, interaktiver E-Learning-Plattformen einzuführen sowie digitaler Ressourcen zur eigenständigen Studienarbeit. Dabei könnten innovative Ansätze wie die Implementierung eines digitalen Handbuchs oder die Anwendung von Videokorrekturen für Probeklausuren zum Einsatz kommen.

Die FDP setzt sich darüber hinaus für eine flächendeckende Einführung des E-Examen ein. Auch alle Klausuren im Studium sollen am Computer geschrieben werden können.

Zu 5

Die fortschreitende Globalisierung erfordert eine internationalere Perspektive in der Juristenausbildung. Die FDP setzt sich dafür ein, die Internationalisierung der Juristenausbildung zu fördern. Dies kann durch die Einführung von Austauschprogrammen, die Vergabe von Doppelabschlüssen, die Zusammenarbeit mit internationalen Universitäten und die Anrechnung der während eines Auslandssemesters erbrachten Studienleistungen erreicht werden. Studierende sollten die Möglichkeit haben, verschiedene Rechtssysteme kennenzulernen, interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln und ihre Perspektive auf juristische Fragestellungen zu erweitern. Hierbei soll besonders Wert auf die Förderung von Fremdsprachenkompetenz gelebt werden, um den Studierenden die Chance zu geben, sich auch sprachlich für internationale und europäische rechtliche Herausforderungen zu rüsten.

Zu 6:

Das Ziel der juristischen Ausbildung sollte es sein, Kernkompetenzen wie problemorientiertes Arbeiten, präzise Subsumtion, nachvollziehbare Argumentation und verständliches Schreiben zu erwerben und auf vielfältige Fälle anzuwenden. Hierfür ist es nicht erforderlich, Vorlesungen und Klausuren in zahllosen Nebengebieten zu absolvieren, die den Prüfungsstoff unübersichtlich gemacht haben. Der staatliche Pflichtfachstoff ist in den Bundesländern über die Jahre immer weiter ausgewuchert. Die Anzahl der erforderlichen Nebengebiete im Grundstudium sollte daher reduziert werden und stärker am tatsächlichen Bedarf auf dem juristischen Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Durch den Abbau von Spezialmaterien wird Raum geschaffen, um die juristische Methodik anhand exemplarischer Rechtsbereiche einzuüben und Grundlagenbezüge herzustellen.

Zu 7:

Der FDP ist bewusst, dass die Realisierung der beschriebenen Ansätze zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen erfordert. Der Betreuungsschlüssel, das Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden, ist im Jurastudium im Hinblick auf den hohen Selbstorganisationsaufwand des Studiums und im Vergleich zu anderen Studiengängen unangemessen und führt oftmals zu einer starken Überforderung der Studierenden. Daher engagiert sich die FDP dafür, sicherzustellen, dass ausreichendes Personal an den Universitäten zur Verfügung steht, um eine hochwertige Betreuung der Studierenden sicherzustellen.

zurück zum Antragsbuch