Antragsbuch für den 75. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Niedersachsen

Landwirtschaft mit Perspektive

Landwirtschaft mit Perspektive

Landwirtschaft besitzt für Deutschland eine herausragende ökonomische Bedeutung, die weit über den eigentlichen Sektor hinausgeht. Die Produktion von Lebensmitteln ist in unserem Lande häufig in sonst eher strukturschwachen Regionen Grundlage vielfältiger Wertschöpfungsketten von vor- und nachgelagerten Unternehmen, insbesondere auch des Agrarhandels, von Bau- und Stalleinrichtungsfirmen, der Landmaschinentechnik, von Veredelungsbetrieben und der gesamten Ernährungswirtschaft mit insgesamt hunderttausenden häufig hochqualifizierten Arbeitsplätzen und Berufsbildern.

Die von Politik immer wieder umgesetzten Forderungen nach immer höheren Produktionsstandards in Deutschland und die gleichzeitig sprichwörtliche Preissensibilität des Konsumenten haben seit Jahrzehnten die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe beschädigt, weil vom Lebensmitteleinzelhandel Preise aufgerufen werden, die durch die teilweise über EU-Forderungen hinausgehenden Standards verursachten Produktionskosten von Betrieben in Deutschland nicht mehr decken. Insbesondere Betriebe etwa aus Süd- und Osteuropa besitzen aufgrund dieser Entwicklung erhebliche Kosten- und Wettbewerbsvorteile, und es werden vielfach Erzeugnisse aus dem Ausland zu günstigeren Preisen angeboten und gekauft als in Deutschland produzierte.

Die Menschen wünschen Lebensmittel aus heimischer Erzeugung und der weit überwiegende Teil der Bevölkerung steht hinter den aktuellen Forderungen der Landwirtschaft. Unsere heimische Landwirtschaft wird als regionaler Erzeuger von Grundnahrungsmitteln zu Recht als systemrelevant eingestuft. Doch die Transformation und auch gesellschaftliche Wertschätzung der Landwirtschaft darf sich nicht auf die Lebensmittelproduktion reduzieren. Landwirtschaftliche Betriebe werden in den nächsten Jahren kluge Entscheidungen treffen müssen, ob Flächen neben der Produktion von Lebensmitteln zu Wohn- oder Gewerbeland umgewandelt werden, zur Gewinnung von Energie, zur Bindung von CO2 oder als Ökosystemdienstleister genutzt werden. Wir Freie Demokraten sehen darin nicht nur Herausforderungen, sondern vor allem Chancen. Chancen für Gesellschaft und Landwirtschaftliche Betriebe. Doch durch bürokratische Überregulierung in ihrer unternehmerischen Freiheit und Innovationsfähigkeit werden die Betriebe gerade in dieser entscheidenden Phase zur Zukunftsweichenstellung entscheidend eingeschränkt. Damit muss sofort Schluss sein!

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Landwirtschaft fordern wir ein sofortiges Maßnahmenprogramm für die Land- und Forstwirtschaft mit folgenden Eckpunkten:

  1. 1. Harmonisierung der Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft auf europäischer Ebene. In einem europäischen Binnenmarkt müssen im Sinne der Wettbewerbsgleichheit die Produktionsbedingungen einheitlich gestaltet sein. Daher sollten systematische Notzulassungen von Pflanzenschutzmitteln in einigen Ländern ebenso der Vergangenheit angehören wie erhöhte deutsche Sonderanforderungen gegenüber dem EU-Standard. Auch bei der Besteuerung von Agrardiesel streben wir eine EU-einheitliche Lösung an. Wir verlangen in diesem Zuge, dass es zu keinerlei Sonderbelastungen für die deutsche Landwirtschaft kommen darf, die nicht vollständig finanziell ausgeglichen werden.

  2. 2. Einführung einer sofortigen Tarifglättung mit einer Entfristung der Tarifermäßigung nach § 32c EStG. Gleichzeitig fordern wir die Anhebung der Gewinngrenze in §7 EStG von bisher 200.000 Euro auf 300.000 Euro sowie eine künftige dynamische Anpassung dieser Grenze. Die steuerlichen Nachteile aus den stark zunehmenden Gewinnschwankungen, unter anderem durch Klima- und Weltmarkteinflüsse, die nicht von der heimischen Landwirtschaft zu beeinflussen sind, sollen dadurch ausgeglichen werden.

  3. 3. Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage zur Stärkung des betrieblichen Risikomanagements zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Weltweite Krisen, wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, aber auch starke Ertragsschwankungen in Folge zunehmender Klimaveränderungen stellen die Landwirtschaft vor immer größere Herausforderungen und beeinträchtigen die Einkommenssicherheit unserer Höfe. Wir fordern deshalb, dass Landwirte in Form einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage diesen Risiken Rechnung tragen können.

  4. 4. Ermöglichung von Investitionsprämien auch für die Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft im geplanten Wachstumschancengesetz. Der Transformationsbereich Landwirtschaft wird Deutschland auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranbringen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken wie Handwerk, Industrie und Dienstleistungen. Daher fordern wir im Zuge der Gleichbehandlung mit diesen Wirtschaftszweigen, der Landwirtschaft verlässliche faire Chancen auf wirtschaftlichen Erfolg und die Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Ziele einzuräumen.

  5. 5. Rückführung aller Beeinträchtigungen und Auflagen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Am Beispiel der Stickstoffdüngung, die Landwirte im ganzen Land in den vergangenen Monaten erheblich reduziert haben und deshalb aktuell immer häufiger deutlich unter dem Bedarf düngen, wird deutlich, dass die Regelungen im Düngerecht - besonders in den Roten Gebieten - auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden müssen. Wir fordern deshalb nachdrücklich, die vorurteilsfreie Wissenschaft statt Ideologie zur Basis der deutschen Agrarpolitik zu machen.

  6. 6. Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ausschließlich auf wissenschaftlicher Grundlage. Eine fachliche Beurteilung auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ist sowohl zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch zum Schutz der Natur notwendig. Land- und Forstwirte betreiben Pflanzenschutz, um ihre Bestände vor Schäden durch Krankheiten zu schützen. Das entspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit, weil so eine gute Flächeneffizienz erreicht und gesunde Nahrungsmittel produziert werden. Wir fordern daher, dass Pflanzenschutzmittel, die bei definierten Anwendungen (zum Beispiel Gewässerabstandsauflagen) von den nationalen Zulassungsbehörden in Deutschland, wie dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), sowie von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für unbedenklich erklärt werden, auch zugelassen werden.

  7. 7. Rückführung aller nicht unbedingt notwendigen bürokratischen Erfordernisse verbunden mit einer höchstmöglichen Umsetzung der Digitalisierung in allen behördlichen Vorgängen und die Einführung eines konsequenten Monitorings bzw. die Evaluierung bürokratischer Erfordernisse auf nationaler und europäischer Ebene. Am Beispiel der Regelungen im Düngerecht gibt es aktuell keinen Grund mehr für die völlig überzogenen, aufwändigen Erhebungs- und Nachweispflichten und die dazugehörigen Melde- und Kontrollstrukturen. Wir fordern daher, die Bürokratie zu stoppen und damit einhergehende Wettbewerbshindernisse zu beseitigen.

  8. 8. Ein Auflagen-Moratorium für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft gegen Anforderungen, die über den EU-Standard hinausgehen in Verbindung mit einem Programm zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt. Wir lehnen jeden agrarpolitischen Sonderweg auf Ebene der Bundesländer oder auf nationaler Ebene ausdrücklich ab. Wir fordern, die Offenheit für technischen und digitalen Fortschritt zu gewährleisten.

  9. 9. Die dauerhafte Rücknahme der von der EU beschlossenen verpflichtenden 4-prozentigen Flächenstilllegung. Deutschland sollte mit seinen erzeugungsfähigen Böden seine Verantwortung für aufziehende weltweite Hungersnöte und die Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele anstreben, anstatt das Gegenteil zu bewirken. Wir fordern, die Ernährungssicherheit in Europa und in Deutschland weiter nachdrücklich zu verfolgen.

  10. 10. Das europäische Gentechnikrecht muss vollständig neu geregelt werden, um die Bewertung der inzwischen klassischen grünen Gentechnik an den heutigen Wissensstand anzupassen. Darüber hinaus wollen wir neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas9 transparent, rechtlich klar und fortschrittsorientiert so regeln, dass das Produkt und nicht die Methode der Erzeugung bewertet wird. Neue Züchtungstechniken ergänzen das Portfolio der biotechnologischen Methoden. Sie erlauben präzise, zeit- und kostensparende Änderungen im Erbgut einer Nutzpflanze, die von natürlichen Mutationen nicht zu unterscheiden sind. Daher sollte für diese neuen Züchtungsmethoden grundsätzlich das Sortenschutzrecht und nicht das Patentrecht angewandt werden.

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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