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Freiheit (ent)steht unter Druck: Liberale Resilienz in Zeiten von Krieg, Katastrophen und Krisen
Freiheit (ent)steht unter Druck: Liberale Resilienz in Zeiten von Krieg, Katastrophen und Krisen
Ein besseres System als die liberale Demokratie gibt es nicht. Die liberale Demokratie ermöglicht als einzige Regierungsform die Herrschaft des Volkes, einen gewaltfreien Regierungswechsel und die freie Entfaltung der Bürgerinnen und Bürger. Denn in der liberalen Demokratie sind Wahlen und Abstimmungen frei und fair, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geachtet und geschützt, notfalls auch gegen den Willen einer Mehrheit.
Doch die liberale Demokratie steht unter Beschuss: Sie wird von Innen angegriffen durch Extremisten. Der Angriff erfolgt in Gestalt von rechtsextremem Terror, wie den NSU-Morden, der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle, der Anschlag in Hanau oder der Sturm auf den Bundestag zeigen. In deutschen Parlamenten sitzen mit der sog. Alternative für Deutschland (AfD) Rechtsextremisten, parlamentarische Brandbeschleuniger dieses Terrors. Die AfD spricht offen von „Remigration“ und schmiedet gemeinsam mit Nazis Pläne für die Massendeportation von Millionen Menschen, die sich legal in unserem Land aufhalten und zum Teil Deutsche sind. Liberale Demokratien müssen auch dem Machtstreben der Regierenden standhalten: In Ungarn haben wir gesehen, wie Demokratie und Rechtsstaat durch politische Einflussnahme ausgehebelt werden können. Die Diskursfähigkeit ist bedroht. Der Umgangston wird rauer. Das Internet ist geprägt von Hass, Hetze und Desinformation. Diese Entwicklung wirkt abschreckend auf die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit und gefährdet den politischen Pluralismus.
Von außen wird die Demokratie durch eine unheilvolle Achse autokratischer Staaten bedroht, allen voran der Volksrepublik China, Russland und der Islamischen Republik Iran. Der russische Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine und der barbarische Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel sind die jüngste Manifestation dieser Wahrheit. Währenddessen schüren deutsche Politikerinnen und Politiker in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Kreml Angst vor einem Atomkrieg und verharmlosen Kriegsverbrechen der Hamas. Die Feinde der Demokratie im In- und Ausland stützen sich gegenseitig und arbeiten Hand in Hand an der Zerstörung der Freiheit.
Unser Staat wirkt im Angesicht all dieser Krisen oft langsam und schwerfällig. Auch deshalb gesellt sich zu dieser Bedrohungslage eine Vertrauenskrise in die Wettbewerbsfähigkeit der liberalen Demokratie. Uns als Demokratinnen und Demokraten muss das wachrütteln. Denn nur die liberale Demokratie ist in der Lage, freiheitliche Antworten auf die Bedrohungen unserer Zeit zu finden. Deshalb werden wir uns mit aller Kraft für die liberale Demokratie einsetzen. Dazu müssen Staat und Gesellschaft eine neue Krisenfestigkeit erlernen. Dafür gibt es mit Taiwan, Israel und vielen weiteren Staaten Vorbilder, wie dies gelingen kann. Es ist für Deutschland höchste Zeit, auch unter Druck freiheitliches Vorbild und nicht historische Singularität zu werden. Deshalb fordern wir:
- „Humor over Rumor“: Nach taiwanischem Vorbild soll die Desinformations-Taskforce im Bundesinnenministerium ausgebaut werden und eine koordinierende Funktion in der Bundesregierung einnehmen. Rapid-Response-Teams in den Kommunikationsabteilungen und Social-Media-Strategien der Ministerien müssen zum Standard für „Public Diplomacy” werden. Der Verfassungsschutz muss Herkunft und Verbreitungsweise von Desinformationskampagnen systematisch erfassen und dem Parlamentarischen Kontrollgremium hierüber berichten.
- Journalismus stärken: Wir wollen Journalismus aus der Mitte der Gesellschaft heraus stärken. Für Non-Profit-Journalismus fordern wir deswegen die einfache und unbürokratische Möglichkeit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Um Journalistinnen und Journalisten besser zu schützen, sollen ihre Personalien bei Strafanzeigen oder im Rahmen der Akteneinsicht bei Strafprozessen grundsätzlich nicht weitergegeben werden.
- Cool bleiben – Medienkompetenz wie in Finnland: Nach finnischem Vorbild wollen wir die Medienkompetenz ab der Grundschule stärken. Im Schulunterricht muss ein Verständnis für die Funktionsweise von Algorithmen, Desinformation, Deepfakes, die Manipulation von Statistiken, kognitive Verzerrungen und Propaganda geschaffen werden. Medienkompetenz muss daher fester Bestandteil aller Phasen der Lehramtsausbildung werden.
- Politische Fehlerkultur: Politikerinnen und Politikern sind Menschen. Ihnen muss deshalb zugestanden werden, Fehler zu machen. Die Öffentlichkeit erwartet aber zu Recht, dass Fehler aufgearbeitet werden, um eine Wiederholung auszuschließen. Daher fordern wir einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der gescheiterten Russlandpolitik und russische Einflussnahme. Zudem sollte eine Enquetekommission die Fehler im Umgang mit der Corona-Pandemie aufarbeiten und Vorschläge für künftige Pandemien erarbeiten.
- Kein Vergessen – Erinnerungskultur erneuern: Eine lebhafte Erinnerungskultur und Aufarbeitung der eigenen Geschichte ist Grundvoraussetzung für eine stabile Demokratie. In Deutschland wird der Fokus dabei immer auf der Shoa liegen. Dazu sehen wir es als unerlässlich an, dass jeder Schüler eine Holocaust-Gedenkstätte und eine Synagoge besucht.
- Wehrhaftigkeit der Verfassung stärken: Das Grundgesetz hat sich als Garant für ein freiheitlich-demokratisches Deutschland bewährt. Dennoch müssen wir mit Blick auf die Entwicklungen in Polen und Ungarn feststellen, dass auch das Grundgesetz Verbesserungsbedarf aufweist. Deshalb wollen wir das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts sowie einen Mechanismus zur Auflösung einer Blockade bei der Wahl der Richterinnen und Richter, im Grundgesetz verankern. Ebenso sollte die Anzahl der Senate und der Richterinnen und Richter, die Dauer ihrer Amtszeit, der Ausschluss ihrer Wiederwahl und die Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz festgeschrieben werden. Um auch die obersten Bundesgerichte besser zu schützen, wollen wir die Verhältniswahl für die Vertreter des Bundestages im Richterwahlausschuss auch im Grundgesetz verankern. Zudem soll künftig ein Drittel der Mitglieder des Richterwahlausschusses von der Richterschaft gewählt werden. Auch das System der Verhältniswahl wollen wir im Grundgesetz festschreiben. Gesetze, die Besetzung, Rechte oder Verfahrensabläufe von obersten Bundesorganen, Teilen dieser Organe oder ihrer Angehörigen regeln (Organgesetze), sollen einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Hierunter fällt vor allem das Bundeswahlgesetz. So stellen wir sicher, dass zentrale Institutionen unserer Demokratie nicht durch eine Mehrheit im Bundestag entmachtet werden können. Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz ist um die Merkmale der sexuellen und geschlechtlichen Identität zu erweitern.
- Unabhängige Wahlkreiskommission stärken: Bei der Wahlkreiseinteilung wollen wir die Wahlkreiskommission stärken. Eine Abweichung von Empfehlungen der Kommission soll künftig nur mit Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages zulässig sein.
- Schutz politischer Mandatsträger: Drohungen und Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker haben in den letzten Jahren leider stark zugenommen. Dafür ist in unserer Demokratie kein Platz. Wir fordern daher einen besseren Schutz personenbezogener Daten von Kandidierenden auf politische Ämter.
- Reform des Verfassungsschutzes: Wir wollen den Verfassungsschutz reformieren und stärker aufstellen, um den aktuellen Herausforderungen besser gerecht zu werden sowie verlorenes Vertrauen infolge zahlreicher Skandale zurückzugewinnen. Deshalb fordern wir, die Integration der Landesämter für Verfassungsschutz in das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Gemeinsame Extremismus und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) wollen wir auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Für den Einsatz von V-Personen wollen wir eine Rechtsgrundlage schaffen, die insbesondere einen Richtervorbehalt vorsieht. Das Parlamentarische Kontrollgremiums (PKGr) wollen wir stärken.
- Extremismusprävention bei der Polizei: Der weit überwiegende Teil der Polizistinnen und Polizisten leistet seinen Dienst getreu der Verfassung und trägt aktiv zum Schutz unserer Rechts- und Verfassungsordnung bei. Umso wichtiger ist es, eine Unterwanderung der Polizei durch Rechtsextremisten zu verhindern. Wir fordern, dass bei jeder Bewerberin und jedem Bewerber für die Polizei eine einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1) durchgeführt wird. Zudem fordern wir eine Studie zu Extremismus und Rassismus bei der Polizei.
- Dem radikalen Islamismus entschlossen entgegentreten: Religiöser Autoritarismus hat keinen Platz in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Deshalb wollen wir den radikalen Islamismus konsequent bekämpfen. Dazu wollen wir ausländische Einflussnahme auf Moscheen und muslimische Gemeinden in Deutschland begrenzen. Die Entsendung von Imamen nach Deutschland soll im Einzelfall untersagt werden können. Die Finanzierung muslimischer Gemeinden durch Geldgeber außerhalb der EU soll grundsätzlich untersagt werden. Stattdessen wollen wir die Ausbildung deutscher Imame fördern. Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) wollen wir reformieren. Extremistische Verbände sollen aus der DIK ausgeschlossen werden. Progressive muslimische Gemeinden wollen wir einbinden.
- Digitale Wehrfähigkeit: Einer der Hauptkriegsschauplätze im Informationszeitalter ist der Cyber- und Informationsraum (CIR). Im CIR lassen sich defensive und offensive Aktivitäten nur schwer trennen. Um eine effektive Abschreckung zu ermöglichen, sollten auch reaktive, offensive Fähigkeiten der Bundeswehr bei der Cyberkriegsführung aufgebaut werden.
- Ausländischen Agenten das Handwerk legen: Wir fordern ein entschlossenes Vorgehen gegen ausländische Agentenaktivitäten. Polizeistationen der Volksrepublik China und russische Spione im BMWK sind inakzeptabel. Spionageabwehr und Gegenspionage beim Bundesamt für Verfassungsschutz sind daher auszubauen. Die Spionageabwehr muss ausschließliche Bundeskompetenz werden. Der Aufgabenbereich des Militärischen Abschirmdienstes ist auf alle verteidigungswichtigen Einrichtungen auszuweiten. Die Rechtsgrundlagen der einzelnen Nachrichtendienste sind anzugleichen, soweit dies die Zusammenarbeit erleichtert. Behörden, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und kritische Unternehmen sind verpflichtet, Spionageabwehrkonzepte zu implementieren.
- Gesellschaft unter Druck: Wir wollen nach israelischem Vorbild in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz das deutschlandweit erste Resilienzzentrum aufbauen, um Hilfsangebote und Bewältigungsstrategien für Menschen zu schaffen, die von posttraumatischen Belastungsstörungen betroffen sind. Wir wünschen uns, dass das Resilienzzentrum bei Erfolg perspektivisch als Vorbild für weitere Zentren dient.
- Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes: Nach dem Vorbild der schwedischen Übung „Total Defense 2020“ sollen regelmäßig gesamtgesellschaftliche Zivilschutzübungen durchgeführt werden. Vorbereitungen sind auch für hybride Angriffe und den Verteidigungsfall zu treffen. In Krisenkursen für Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Verwaltung und Wirtschaft soll nach finnischem Vorbild das Verhalten im Ernstfall vermittelt und ein gesamtsicherheitspolitisches Verständnis gefördert werden.
Begründung:
Erfolgt mündlich.