Wir müssen das Aufstiegsversprechen in unserem Land erneuern
FDP-Chef Christian Lindner ist im ARD-Sommerinterview kämpferisch. Die Soziale Marktwirtschaft sei die DNA der FDP - und mit dieser Grundüberzeugung der Freien Demokraten will er die Menschen gewinnen.
Die Rufe nach einem starken Staat sind gerade besonders laut: Das Gesundheitssystem braucht in der Pandemie Ausstattung und Fachkräfte, die Wirtschaft ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die Eigenverantwortung des Einzelnen ist da weniger gefragt – das sagt auch Lindner: „Man konnte das merken und spüren: Damit findet man gegenwärtig nicht den Applaus des Tages.“
Der FDP-Chef bleibt sich und dem Kurs der FDP aber treu, die Freiheit des Menschen, die Bürgerrechte und das Wohl der Volkswirtschaft zu verteidigen. Es sei die Aufgabe der liberalen Opposition, die Einschränkung von Grundrechten kritisch zu hinterfragen, bekräftigt Lindner. Mit den jetzigen abgeschwächten Regelungen sei er „viel zufriedener als mit dem harten Lockdown“. Dass der Staat derzeit sehr viel Geld ausgibt, um die Wirtschaft anzukurbeln, bereitet Lindner Unbehagen: „Man kann eine Volkswirtschaft dieser Größe nicht mit Staatsverschuldung am Leben halten.“
Selbstverständlich müsse der Staat in einer solchen Krise auch ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen und ein Sicherheitsnetz für die Beschäftigung spannen, so wie die Freien Demokraten das schon vor dem Schnüren des Konjunkturpaketes gefordert haben. Doch im Gegensatz zu anderen Parteien wolle die FDP „zunächst einmal der Eigenverantwortung eine Chance geben, bevor nötigenfalls der Staat zur Hilfe gerufen wird“.
Denn: „Wir haben in unserer DNA die Soziale Marktwirtschaft, und in der Sozialen Marktwirtschaft spielt der Staat eine starke Rolle als Schiedsrichter.“ Der Staat spiele auch eine Rolle dabei, „die Risiken, die uns in unserer Eigenverantwortung überfordern, auch abzusichern.“
Der gesellschaftliche Kitt der FDP
Für Lindner ist nicht die Soziale Marktwirtschaft ein Problem: „Unser Problem liegt beim sozialen Aufstieg. Das ist die Bildungsarmut. Das ist unser öffentliches Bildungswesen, das ein Gerechtigkeitsproblem darstellt, während die soziale Marktwirtschaft in unserem Land ein Wirtschaftswunder hervorgebracht hat“, führt er an die zentrale Botschaft seiner Partei heran.
Für Lindner ist der gesellschaftliche Kitt der FDP das Aufstiegsversprechen in unserem Land. „Und das müssen wir tatsächlich erneuern. Da sehe ich auch ein großes Defizit in einem ansonsten sehr wohlhabenden Land.“ Das noch immer die Herkunft aus dem Elternhaus über den Lebensweg entscheide, „können wir eigentlich so nicht hinnehmen.“ Und Corona habe dieses Problem noch vergrößert: „In den Familien, in denen Kinder und Jugendliche zu Hause gefördert werden konnten, da hat die Schulschließung einen weniger dramatischen Einschnitt bedeutet als in den Familien, wo dieses fördernde Klima nicht vorhanden ist.“
Er will das auch als Kritik an dem Konjunkturpaket der Großen Koalition verstanden wissen: „Wir sollten Bildung zum Mondfahrt-Projekt dieser Gesellschaft machen.“ Er wünscht sich mehr Zusammenarbeit zwischen den 16 Ländern. Den Bildungsföderalismus halte er für aus der Zeit gefallen. Auf der anderen Seite brauche es „wirklich massive Investitionen in die Verbesserung der Schultoilette bis hin in die Digitalisierung, die Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer, Systemadministratoren, also alles das, was man braucht, damit unser Bildungssystem so gut ist, dass wir uns wieder mit der Weltspitze messen können.“
Mit Blick auf das Superwahljahr 2021 sagt Lindner: „Jetzt geht es um harte Arbeit, es geht um Arbeit und Wohlstand in unserem Land. Es geht um Modernisierung, Digitalisierung, Bildung. Ich glaube, dass wir in den Debatten, die jetzt bis zur Bundestagswahl kommen, durchaus gute Beiträge leisten können.“