Wir brauchen eine Neugründung unseres Landes
Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir enorme Handlungsdefizite bei Digitalisierung, Bildung und Wettbewerbsfähigkeit haben. FDP-Chef Christian Lindner fordert deswegen eine Neugründung unseres Landes.
Für diese Neugründung biete die FDP ihre Partnerschaft für mögliche zukünftige Regierungsbündnisse an. Der Vorschlag der Freien Demokraten sei eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die Standortfaktoren wie Steuern, Abgaben, Verwaltung, Energiepreise, Infrastruktur und Fachkräfte wieder wettbewerbsfähig mache. Hingegen sollte auf Subventionen, Einschränkungen der Forschung wie im Gen-Bereich, Verbote von Technologien wie dem Diesel und Steuererhöhungen verzichtet werden. Mit Blick auf das Superwahljahr betont Lindner noch einmal die Eigenständigkeit seiner Partei: „Die Entscheidung für oder gegen eine Koalition macht die FDP an inhaltlichen Koordinaten fest.“ Jeder könne sich darauf verlassen, dass die Liberalen Wort halten und im Wahlkampf keine leeren Versprechungen machen werden.
Die Pandemie hat nicht nur die Defizite im Land aufgezeigt, sondern auch bei der Frage der Finanzierung der Krisenpolitik eine Debatte um einen „Corona-Soli“, der den „Aufbau-Ost-Soli“ ersetzen soll, angestoßen. Diese höhere Belastung der Wirtschaft — wie sie vornehmlich von den Linken gefordert wird — hätte laut Lindner aber auch Auswirkungen auf unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. Er sieht stattdessen eine andere Möglichkeit: „Es gibt auch aktuelle Untersuchungen internationaler Institutionen, die einen anderen Weg vorschlagen, nämlich eine Belebung wirtschaftlichen Wachstums. Wenn es uns gelingt, unser Land auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen, dann wird es erleichtert, volkswirtschaftlich aus den Schulden herauszuwachsen.“
Nicht nur aus wirtschaftspolitischen, auch aus gesellschaftspolitischen Gründen wäre eine eine höhere Belastung des privaten Sektors falsch, meint Lindner. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen der vergangenen Jahre habe der private Sektor bereits enorme Einbußen hinnehmen müssen. „Deswegen ist jetzt eine Schonung der privaten Haushalte nötig; die müssen Rücklagen bilden können, um die nächste Krise überleben zu können, die sicher kommt, sie müssen konsumieren können und Vorsorge betreiben“, erklärt der FDP-Chef.
Die Freien Demokraten fordern deswegen ein Belastungs-Moratorium, um zusätzliche bürokratische Lasten, höhere Sozialabgaben und höhere Steuern für Bürger und Betriebe zu verhindern. Zugleich seien jetzt Investitionen notwendig. Das Geld dafür stehe in den Haushalten auch schon bereit — „es fließt aufgrund der bürokratischen Selbstfesselung unseres Gemeinwesens nur nicht ab“, kritisiert Lindner. Deswegen fordern die Liberalen, Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv zu verschlanken. Eine Erneuerung des Sozialstaats sollte laut dem FDP-Chef zu einer erhöhten wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Menschen führen. Die Neugründung des Landes geht für Lindner mit einer Renaissance der Eigenverantwortung, des Erfindergeists und des Unternehmertums einher.
Neben einer Erneuerung des Sozialstaates sieht der FDP-Chef eklatanten Nachholbedarf bei der Digitalisierung. „Die Bundesregierung braucht ein Digitalministerium, um Verwaltung und Netzinfrastruktur zu modernisieren“, wiederholt Lindner die seit Jahren immer wieder vorgebrachte FDP-Forderung. Der Bund sollte außerdem mehr Verantwortung in der Bildung übernehmen, um mehr Qualität und Vergleichbarkeit zu erreichen. Hierfür sei eine Reform des Bildungsföderalismus lange überfällig.
Des Weiteren wirbt der FDP-Chef im Interesse aller Kinder und Enkel für eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik. Konkret sollten wir den Bundeshaushalt zukünftig wie eine Unternehmensbilanz aufstellen. „Die bisherige Kameralistik ist ja eine einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Darin tauchen die künftigen Zahlungsverpflichtungen für das Rentensystem nicht auf. Abschreibungen auf Investitionen gibt es nicht, Vermögenswerte des Bundes sind nicht transparent erfasst“, erklärt Lindner seinen Vorschlag.
In der aktuellen Situation sei das Krisenmanagement der Bundesregierung ungenügend. Zum einen kritisiert der FDP-Chef die Fokussierung auf die Inzidenz, also die Infektionen pro hunderttausend Einwohner in einer Woche. „Die Zahl der Sterbefälle geht ja gottlob zurück, die Zahl der Tests hat Auswirkungen auf die Menge entdeckter Neuinfektionen, deswegen brauchen wir andere Parameter für die Beschreibung des Pandemiegeschehens“, erläutert Lindner. Er verweist unter anderem auf die Hygienekonzepte, die sich Gastronomie und Kulturbetriebe haben einfallen lassen und fordert, neben den nicht zu relativierenden gesundheitlichen Risiken auch die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Risiken eines dritten Lockdowns abzuwägen. „Und über diesen Punkt sind wir inzwischen deutlich hinaus“, appelliert der FDP-Chef an die Regierung, ihre Krisenpolitik den neuen Umständen anzupassen.
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