Regierung muss in Wirecard-Affäre reinen Tisch machen
In der Affäre um den Zahlungsabwickler Wirecard sind viele Fragen offen. Vor allem Finanzminister Scholz solle zur Aufklärung beitragen, verlangen die Freien Demokraten.
Obwohl das Finanzministerium seit Anfang des vergangenen Jahres von dem Verdacht gegen Wirecard gewusst habe, sei „wenig bis nichts geschehen“, kritisiert Lindner. „Noch im September hat die Bundeskanzlerin bei einer Reise nach China für dieses Unternehmen geworben — Monate, nachdem es bereits Verdachtsmomente gab.“ Die Affäre sei damit im Zentrum der Regierung angekommen. „Hier ist ein immenser Schaden für viele Kleinanleger und den Finanzplatz Deutschland entstanden. Das muss Konsequenzen haben.“
Scholz habe es „mindestens unterschätzt“, sagte Lindner. „Es geht hier auch darum, das Vertrauen in die Kapitalmärkte zu sichern. Man kann nicht einerseits für private Vorsorgen und Aktiensparen werben, aber andererseits Betrug mit Vorsatz in Milliardenhöhe zulassen.“
Scholz war schon seit über einem Jahr informiert
Die Obleute der Bundestagsfraktionen im Finanzausschuss beraten an diesem Montag über eine mögliche Sondersitzung. Von der Opposition hieß es vorab, man sei sehr zuversichtlich, dass es zu einer Sondersitzung kommen werde. Es geht unter anderem darum, ob es Fehler bei der Finanzaufsicht gab, ob Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Verantwortung trägt und ob die Bundesregierung – das Kanzleramt eingeschlossen – womöglich Wirecard unterstützten, obwohl der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bereits im Raum stand. Wie zuerst der „Spiegel“ berichtete, war Scholz schon seit dem 19. Februar 2019 darüber informiert, dass die Finanzaufsichtsbehörde Bafin den Fall Wirecard „wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation“ untersucht.
Für Florian Toncar ist es vollkommen unverständlich, „dass das Ministerium und die BaFin angeblich seit Februar 2019 auch in Richtung Wirecard ermittelt haben, aber gleichzeitig zuließen, dass die Bilanzprüfung mehr als ein Jahr dauerte. Augenscheinlich hat Scholz die Dimension des Skandals vollkommen unterschätzt.“ Mit der Sondersitzung des Finanzausschusses habe Bundesfinanzminister Scholz eine letzte Gelegenheit, endlich alle Fakten auf den Tisch zu legen. „Millionen geschädigter Anleger haben ein Anrecht darauf, dass Regierung und Parlament jetzt jeden Stein umdrehen, jeden Prozess hinterfragen, jeden Verantwortlichen des Wirecard-Skandals zur Rechenschaft ziehen“, so Toncar. „Der Versuch, nur scheibchenweise Informationen preiszugeben und sich ansonsten selbst zu bescheinigen, es seien keine Fehler gemacht worden, ist krachend gescheitert.“
Vor einer möglichen Sondersitzung des Finanzausschusses müssten noch viele Fragen geklärt werden, forderte Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Seine Fraktion bereite einen Fragenkatalog vor. Alles müsse auf den Tisch – auch die Rolle des Kanzleramts. Natürlich könne man von einer Bundesregierung erwarten, dass sie sich für deutsche Firmen und den Wirtschaftsstandort einsetze. Aber die Gründe seien entscheidend und damit verbunden die Frage, wann das Kanzleramt über Unregelmäßigkeiten informiert war.
Kritisch sieht er die Rolle der Finanzaufsicht Bafin, sowie die Gesetzgebung zur Digitalisierung von Banken. Die Gesetzeslage hinke hinterher, ebenso die Aufstellung der Bafin. Die habe schon Schwierigkeiten bei der Einordnung von Wirecard – Finanzholding, Bank neuen Typs.
Fricke kritisiert die Aufstellung der Finanzaufsicht Bafin als unzeitgemäß und fordert ein grundsätzliches Umdenken beim Umgang mit Digitalisierung im Finanzwesen. Behörden und Gesetzeslage seien beim Thema Digitalisierung im Finanzwesen nicht auf der Höhe der Zeit, sagte Fricke im Deutschlandfunk: „Digitalisierung heißt, wir schaffen uns gerade ein neues Umfeld, und da muss ich deswegen Profis haben. Warum ist es in anderen Ländern so, dass man sich aus der Wirtschaft in die Kontrollinstanzen entsprechend professionelle Menschen holt, die täglich mit diesem Geschäft auch schon mal zu tun hatten. Bei uns ist es aber leider so, dass wir sagen: Nein, es muss schon die richtige Beamtenlaufbahn sein, um an der Stelle überhaupt Kontrolleur sein zu können.“
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