Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Wirtschaft und Mittelstand · BFA Klima und Energie

Strategischer Rahmen für die Energieversorgung in Deutschland

Strategischer Rahmen für die Energieversorgung in Deutschland

Unser Ziel ist eine langfristig sichere, bezahlbare, international wettbewerbsfähige, natur- und ressourcenschonende, treibhausgasarme Energieversorgung für Deutschland im europäischen Rahmen.

Weltweites Bevölkerungswachstum und global fortschreitender gesellschaftlicher Wohlstand bedingen einen stetig wachsenden Energiebedarf. Der derzeitige Mix an Energieträgern führt zur Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre. Deutschland hat sich im Rahmen der EU das ambitionierte Ziel gesetzt, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.

Mit dem Jahr 2022 sind fundamentale Mängel der deutschen Energiepolitik offen zutage getreten. Der derzeit beschrittene Weg zur zukünftigen Energieversorgung Deutschlands erweist sich als Sonderweg, mit dem die Ziele der Bezahlbarkeit, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit nicht erreichbar sind. Unser Wohlstand und damit die verschiedenen Sozialsysteme sowie unsere Möglichkeiten, zu globalen Zielen beizutragen, sind gefährdet. 

Heute basieren 80 Prozent unserer Endenergieversorgung auf fossilen Brennstoffen. Wie diese vollständig ersetzt werden sollen, ist ungeklärt. Der bisherige Weg der staatlich verordneten Energiewende wird scheitern. Auch wir treten für eine Energieversorgung ohne Emission von Treibhausgasen ein. Die Fokussierung auf Wind- und Solarenergie wird nicht reichen, um die Energielücke zu schließen.

Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und dem Wohlergehen des deutschen Volkes zu dienen, ist daher eine grundsätzliche Neubestimmung des Weges zu einer treibhaus­gasarmen, zuverlässigen, wettbewerbsfähigen, bezahlbaren und umweltverträglichen Energieversorgung dringend erforderlich. Dazu:

  • Brauchen wir eine substanzielle, ideologiefreie Ausweitung des Energieangebots. Eine bewusst herbeigeführte Verknappung und damit bedingte Zuteilung der Energie lehnen wir ab, um den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland nicht zu gefährden und Privathaushalten keine Energiemangelwirtschaft aufzubürden. Die bereits vorhandene Energieinfrastruktur ist wertvoll und muss auch aus Nachhaltigkeitsgründen für die zukünftige Nutzung mit anderen Energieträgern erhalten bzw. angepasst werden. In diesem Sinne unterstützen wir kommunale und privatwirtschaftliche Initiativen, die eine dezentrale Energieversorgung zum Eigenverbrauch analog zu den Quartierslösungen in Stadt und Land einfach und unbürokratisch umsetzen.
  • Wollen wir mit Innovation und Technologie die Treibhausgasemissionen der Energieversorgung reduzieren. Dazu dienen der Wettbewerb verschiedener emissionsarmer Energieträger und Energiespeichertechnologien sowie insgesamt eine höhere technologische Souveränität in Deutschland. Der von der EU bereits eingeführte CO2-Preis ist das zentrale, effiziente und einfache marktwirtschaftliche Steuerungselement. Daher ist das für große Industrieunternehmen und Energieerzeuger bestehende europäische Handelssystem für CO2-Emissionen (ETS) zeitnah auf alle Branchen und Emittenten zu erweitern. Nur so kann in Zukunft der Abbaupfad an Emissionen in Europa gesichert eingehalten werden.
  • Bevorzugen wir eindeutig marktwirtschaftliche Anreize statt Planwirtschaft. Wegen der hohen Komplexität des Aufbaus eines neuen Energiesystems, derzeit ungeklärter und auch kurzfristig nicht ausreichend klärbarer Fragen wie
    • zum zukünftigen zeitlichen Bedarfsverlaufs an unterschiedlichen Energieträgern,
    • zu den Kosten des Energieimports im Vergleich zur heimischen Herstellung,
    • zu Kosten und Technologien der Energiespeicherung aber auch wegen fortlaufender Innovationen können planwirtschaftliche Konzepte prinzipiell nicht funktionieren, weshalb wir uns ausschließlich für marktwirtschaftliche Ansätze aussprechen.
  • Fordern wir deutlich vereinfachte Rahmenbedingungen zur Umsetzung dezentraler Konzepte (auch Quartierskonzepte) zur ortsoptimierten Energiegewinnung und Speicherung. Dies eröffnet kommunalen, privatwirtschaftlichen sowie genossenschaftlichen Initiativen Chancen zur Selbstversorgung und den Unternehmen, die diese vernetzten Systeme technisch weiterentwickeln, wirtschaftliche Perspektiven. Dezentrale Konzepte müssen unbeachtet ihrer Größe von behördlichen und steuerrechtlichen Vorschriften und Vorgaben sowie von Netzanschluss- und Durchleitungsgebühren angemessen von allen noch bestehenden bürokratischen Auflagen befreit werden.
  • Erkennen wir, dass langfristig berechenbare und attraktive Bedingungen für die erforderlichen Investitionen nicht allein durch politische Maßgabe erreicht werden können, sondern vertraglicher Sicherheit bedürfen. Wir setzen uns für ausgewogene Lösungen im Spannungsfeld Marktwirtschaft – Marktregulierung (Strommarktdesign) – staatliches Engagement ein und werden dazu Vorschläge erarbeiten.
  • Unterstützen wir weiterhin die Bestrebungen der Europäischen Kommission hin zur Vollendung des gemeinsamen europäischen Energiebinnenmarkts. Ein grenzüberschreitender europäischer Wettbewerb führt zu niedrigen Energiepreisen für Industrie und Verbraucher auch in Deutschland und trägt darüber hinaus zur Versorgungssicherheit bei. Zugleich ist uns bewusst, dass eine europäische Energieautarkie weder wirtschaftlich noch umweltgerecht möglich ist.
  • Weisen wir darauf hin, dass eine nationale Energieversorgungsstrategie, selbst im EU-Kontext, den globalen Ausstoß an Treibhausgasen nicht stoppen, aber wichtige Impulse setzen kann. Globales Denken und freier Handel mit allen Regionen dieser Welt, wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben sowie qualifizierte Fachkräfte sind notwendige Rahmenbedingungen für das Gelingen der Umstellung der Energieversorgung.
  • Beachten wir, dass diese Transformation der Energieversorgung erhebliche Chancen bietet, aber auch eine Herkulesaufgabe ist, deren Zeit- und Kostenaufwand nicht unterschätzt werden darf und die wir mit Augenmaß, pragmatisch und ohne Überforderung der Gesellschaft angehen werden. Die Konsequenzen für unsere Gesellschaft müssen daher immer begleitend diskutiert und Entscheidungen mit Blick auf das allgemeine Bürgerwohl getroffen werden.

Daher fordern wir, die Entwicklung eines realistischen, strategischen, erfolgskontrollierbaren und nachjustierbaren Rahmens für den Umbau unserer Energieversorgung entsprechend oben erläuterter Aspekte.

Dieser Rahmen soll die Definition des Zielzustands, strategische Handlungsvorschläge, geeignete Haltepunkte und Erfolgskriterien umfassen, um regelmäßige Erfolgskontrollen und geeignete Anpassungen zu ermöglichen. Er muss die kritischen technischen und wirtschaftlichen Aspekte benennen und eine zeitnahe Klärung durch die verantwortlichen Akteure fordern. Beispiele für solche kritischen technischen bzw. wirtschaftlichen Aspekte sind:

Zeitschiene und Investitionen

Der Umbau des gesamten Energiesystems ist für eine Hochtechnologie- und Industrienation wie Deutschland eine sehr große Herausforderung. Der derzeit vorgesehene, kurze Zeitraum von ca. 20 Jahren setzt hocheffizientes und effektives politisches Handeln voraus. Die Energiebranche ist so kapitalintensiv wie kaum eine andere Branche. Daher sind hier verlässliche staatliche Rahmenbedingungen unerlässlich, um die notwendigen massiven privaten Investitionen zu ermöglichen.

Wärme und Nutzerkosten

Die Wärmeversorgung erfolgt in Deutschland aktuell größtenteils auf Basis fossiler Energieträger. Die Umstellung der dezentralen und zentralen Wärmeversorgung auf treibhausgasarme Quellen muss erfolgen, ohne mit den Erzeugungskosten die Nutzer zu überfordern. Hier verbirgt sich der größte soziale Sprengstoff bei der Umstellung unserer zukünftigen Energieversorgung.

Wetterabhängigkeit und Speicher

Die volatile, nicht bedarfsorientierte Stromerzeugung durch wetterabhängige PVA und WEA bedingt die ständige Bereitstellung gesicherter Stromerzeugungskapazitäten wie zum Beispiel der von der Bundesnetzagentur vorgeschlagene Bau von mindestens 15-25 GW an H2-ready Gaskraftwerken und/oder noch zu entwickelnder, genügend großer Energiespeicher und der Digitalisierung der Netze und Anschlüsse (Smart-Grid), die eine europäisch abgestimmte Überarbeitung des Strommarktdesigns inklusive Kapazitätsmarkt notwendig macht. Das nationale Regelwerk in Deutschland muss dahingehend angepasst werden, auch um international wettbewerbsfähig zu sein.

CCS/CCU und blauer Wasserstoff

Wie bereits in einigen europäischen Ländern (zum Beispiel Niederlande und Norwegen) ist die Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage; CCS/CCU) zu erlauben. Ohne diese Technologie wird die CO2-Reduktion in vereinbartem Umfang zu akzeptablen Preisen bei gleichzeitig gesicherter Energieversorgung nicht funktionieren. So kann auch ein schneller Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft anfangs basierend auf blauem Wasserstoff und späterem Umstieg auf grünen Wasserstoff, sobald dieser nicht nur wettbewerbsfähig, sondern auch in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht, gewährleistet werden. Zusätzlich bzw. auch alternativ sollte die Nutzung von Methan in der Methanpyrolyse (türkiser Wasserstoff) als weiterer Eckpfeiler einer CO2-freien Erzeugung von Wasserstoff effizient und in der räumlichen Nähe zu den Verbrauchern erfolgen, wodurch der Transport zu vereinfachen wäre und entstehende Abwärme verwertbar würden.

Kernkraftwerke nicht vorschnell stilllegen

Wegen des russischen Gasembargos mussten wir Kohlekraftwerke aus Gründen der Versorgungssicherheit wieder in Betrieb nehmen mit der Folge klimaschädlicher CO2-Emissionen. Der Ausstieg aus der Kernkraft ist Gesetzeslage, er bleibt ein deutscher Sonderweg. Wenn wir klimaneutral werden wollen, dann war der Ausstieg ein Fehler. Die gesellschaftliche Akzeptanz für Kernkraft hat sich im letzten Jahr wesentlich erhöht. Die Bewertung der Kernenergietechnik muss vor dem Hintergrund zukünftiger neuer Technologieentwicklungen vorgenommen werden.

Unnötige Treibhausgas-Emissionen vermeiden

Wir importieren mit Fracking gefördertes Erdgas als LNG vom amerikanischen Kontinent, statt unsere verbliebenen Erdgaslagerstätten zu explorieren. Durch das Handling, die notwendige Verflüssigung für den Transport, Boil-Off-Raten von mindestens 0,1 Prozent/d und die Regasifizierung entweicht das potente Treibhausgas Methan. Es ist befremdlich, dass die Exploration unserer heimischen Gasvorkommen aufgrund anderer Überzeugungen auf Kosten der Bürger des Landes abgelehnt wird.

Importe und Diversifizierung

Auch die zukünftige Energieversorgung wird in erheblichem Maße von Importen abhängen, die auf einem erst noch entstehenden Weltmarkt im Wettbewerb zu anderen Ländern beschafft werden müssen und für die die erforderlichen Investitionen international und national noch vorzunehmen sein werden.

Dabei ist auf eine Diversifizierung bezüglich der Art der Energieträger (zum Beispiel Kernfusion und E- Fuels) und bezüglich der Exportländer zu achten, um zu große Abhängigkeiten zu vermeiden.

Fazit

Beim Aufbau einer neuen Energieversorgung muss das Potential innovativer, privatwirtschaftlicher Kräfte aus der Energiebranche eine zentrale Rolle spielen und zugleich muss der Staat langfristig zuverlässige Rahmenbedingungen bieten, um Investitionssicherheit und -bereitschaft zu schaffen. Dazu soll ein realistischer, strategischer, erfolgskontrollierbarer und nachjustierbarer Rahmen für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland entwickelt werden.

Begründung

Erfolgt mündlich.

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