Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

LV Nordrhein Westfalen

Deutschland braucht eine ökonomische Zeitenwende

Deutschland braucht eine ökonomische Zeitenwende

Der sicherheitspolitischen Zeitenwende des Ukraine-Krieges muss jetzt eine ökonomische Zeitenwende in Deutschland folgen. Alle Wachstums- und Standortpotentiale müssen entfesselt werden.

Zeitenwende für die Infrastruktur

Der Ausbau von digitaler Infrastruktur und modernen Verkehrs- und Energienetzen muss weiter vorangetrieben werden. Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Ausbau Erneuerbarer Energien und für Infrastrukturprojekte müssen drastisch verkürzt werden. Ersatzneubauten, wie beispielsweise bei der Rahmedetalbrücke im Sauerland, sollen künftig keiner neuen Planfeststellung bedürfen.

So zünden wir wie beim Ausbau der Erneuerbaren endlich den Turbo und stellen sicher, dass Infrastrukturmaßnahmen Erfolgs- statt Dauerprojekte werden. Verkehrspolitisch neuralgische Punkte der Straßen-, Wasser- und Schieneninfrastruktur sollen durch ein Sofortprogramm gestärkt werden. Bei Zielkonflikten soll eine Priorisierung der Infrastrukturvorhaben erfolgen, um beispielsweise die Brücken-Sanierung zu beschleunigen. Das Gesetz von Bundesminister Buschmann zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich wird ebenfalls zur Beschleunigung der Verfahren beitragen.

Zeitenwende für Energiesicherheit und Klimaschutz

In der Energiepolitik war eine schnelle Unabhängigkeit von russischem Gas unerlässlich. Um den in der Folge nötigen Umstellungsprozess so schnell und kostengünstig wie möglich zu gestalten, muss das Angebot konsequent verbreitert werden. Der Ausbau Erneuerbarer Energien reduziert die Abhängigkeit von Drittstaaten und muss daher massiv beschleunigt werden. Damit zusätzliche Wind- und Solaranlagen schnellstmöglich einen Beitrag zur Energiesicherheit leisten können, müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Da die Ausbaumöglichkeiten von Windkraft- und Freiflächen-Solaranlagen aber durch die hohe Besiedlungs- und Bevölkerungsdichte Deutschlands limitiert sind, muss die volle Bandbreite Erneuerbarer Energien ausgeschöpft werden. Wir wollen die Potentiale von Biomasse aus Abfall- und Reststoffen, Wasserkraft, Geothermie und Wärme aus Grubenwässern und Grubengas gleichermaßen nutzen und bestmöglich heben. Um zu einem Wasserstoffland zu werden, braucht Deutschland jetzt den Aus- und Aufbau von Importstrukturen für Wasserstoff, der nicht von Anfang an, aber perspektivisch grüner Wasserstoff sein muss. Für die Industrie in Deutschland müssen alle regulatorischen Bedingungen so gesetzt werden, dass sie Anreize haben, auf Wasserstoff umzustellen, auch wenn es nicht von Anfang an grüner Wasserstoff ist.

Neben Erneuerbaren Energien darf auch Schiefergas als Bestandteil eines Energiemixes nicht länger tabu sein. Es ist in keiner Weise konsequent, überteuertes Schiefergas aus der ganzen Welt nach Deutschland zu transportieren, aber sich einer hiesigen Förderung komplett zu verschließen. Die betroffenen Landesregierungen sollten die Initiierung von Erprobungsvorhaben zur Schiefergasförderung nicht länger blockieren. Schiefergas aus Deutschland kann dabei ökonomischer und durch unsere hohen Umweltschutzstandards auch ökologischer sein als Schiefergasimporte.  

Zeitenwende für Innovation und Transformation

Deutschland muss sich darüber hinaus auch an der Erforschung von Zukunftstechnologien wie der Kernfusion beteiligen. Energiesicherheit und eine preiswerte und zugleich umweltfreundliche Stromversorgung über diesen Winter hinaus erfordern auch eine weitere Nutzung der Kernenergie in Deutschland. Daher ist ein Weiterbetrieb der drei bestehenden Kernkraftwerke über den 15. April 2023 hinaus notwendig. Gleichzeitig ist ein Stopp des Rückbaus der drei zum 31. Dezember 2021 abgeschalteten Kernkraftwerke und deren anschließende Wiederinbetriebnahme erforderlich.

Der Kohleausstieg in den Revieren muss durch unterstützende Maßnahmen für die betroffenen Regionen und die Beschäftigten flankiert werden. Die bevorstehende Transformation ist eine Chance zum Aufbau neuer und zur Erweiterung bestehender Innovations-Cluster. Mithilfe von Experimentierräumen mit niederschwelligen bürokratischen Hürden können neue Perspektiven geschaffen werden.

Deutschland braucht eine Entbürokratisierungsoffensive. Verkrustete und bürokratische Strukturen kosten die Bürgerinnen und Bürger nicht nur Nerven, sondern auch jährlich viele Millionen Euro. Die Digitalisierung der Verwaltungen muss deswegen mit höchster Priorität vorangetrieben werden.

Zeitenwende für eine moderne Steuerpolitik

Belastungen durch Steuern und Abgaben müssen weiter gesenkt werden. Um hierfür die notwendigen finanziellen Spielräume zu schaffen, wollen wir unter anderem Subventionen konsequent kürzen und im Ideal komplett streichen oder vermeiden. Daneben wollen wir endlich wieder einen klaren finanziellen Fokus auf Kernaufgaben legen. Alle weiteren Betätigungsfelder sind im Zuge einer umfassenden Aufgabenprüfung kritisch zu evaluieren und gegebenenfalls einzustellen.

Wir Freien Demokraten stehen als einzige politische Kraft glaubhaft für solide Finanzen im Einklang mit der Schuldenbremse.

Die Steuerpolitik ist Teil des Standortwettbewerbs. Das Ergebnis der steuerpolitischen Untätigkeit der Großen Koalition ist, dass wir im OECD-Vergleich sowohl bei der tariflichen Belastung mit Steuern als auch bei der effektiven Steuerbelastung ein Hochsteuerland geworden sind. Das zeigt sich insbesondere an der steigenden Steuerquote, die zuletzt 2022 auf 24,5 Prozent des BIP angewachsen ist. Damit Deutschland diesen Standortwettbewerb erfolgreich besteht, wollen wir die Wirtschaftskraft des Landes als Kraft der Erneuerung nutzen, für individuelle Zukunftschancen, nachhaltiges und generationengerechtes Wachstum und als Motor des Fortschritts. Das erfordert eine Finanzpolitik, die steuerliche Belastungen für die Menschen und Betriebe im Land so gering wie möglich hält und, wo möglich, senkt. Nur so können in den Betrieben Innovationen vorangetrieben und neue innovative Unternehmen für den Standort gewonnen werden. Als einen ersten Schritt verlangen wir die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle Steuerzahlerinnen, Steuerzahler und Unternehmen.

Wir werden uns bei der Grunderwerbsteuer weiterhin dafür einsetzen, dass auf Bundesebene schnellstmöglich gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die es den Ländern ermöglichen, den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum durch den von uns seit langem angestrebten Freibetrag zu erleichtern.

Ansatzpunkte für Verbesserungen sehen wir auch bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer. Hier gilt es stets, die Zukunft der mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft sind, nicht zu gefährden. Insbesondere dürfen Unternehmensnachfolgen nicht an den Fallstricken des Steuerrechts scheitern. Auch die Anpassung der seit 14 Jahren nicht veränderten Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer an die gestiegenen Immobilienpreise ist dringend geboten, um zu verhindern, dass vor allem in Großstädten die Belastung durch die Erbschaftsteuer zur Gefahr für den familiären Immobilienbesitz und die private Altersvorsorge wird.

Die ökonomische Zeitenwende ist ein guter Anlass, Sinn und Zweck der Gewerbesteuer grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Gewerbesteuer sollte durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und die auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer ersetzt werden.

Zeitenwende für ein einfaches Steuer- und Sozialsystem aus einem Guss

Primär sehen die Freien Demokraten zwei Hauptaufgaben: die radikale Vereinfachung des Steuerrechts und die Reduzierung der Grenzbelastung für zusätzliches Einkommen.

Eine radikale Steuervereinfachung kann aufkommensneutral stattfinden – durch Anwendung erheblicher Pauschalierungen sowie Abschaffung bzw. Befristung zahlreicher überholter Sonderregelungen bei der Einkommen- und Umsatzsteuer. Jede steuerliche Regelung, die angefasst wird, muss zu einer Vereinfachung für die Steuerzahler führen.

Die Reduzierung der Grenzbelastung muss im Mittelpunkt aller Bemühungen zur Senkung von Steuern und Abgaben stehen. Indem wir die Belastung auf den nächsten verdienten Euro reduzieren, leisten wir nicht nur einen Beitrag zur wirtschaftlichen Dynamik, sondern vor allem auch gegen den Fachkräftemangel. Denn nur so wird es gelingen, Anreize zu setzen – bei Empfängern von Sozialleistungen Anreize zur Arbeitsaufnahme und bei Berufseinsteigern und allen anderen Anreize für ein Vorankommen durch eigene Leistung.

Die FDP hält dazu an dem Ziel fest, ein Steuer- und Sozialsystem aus einem Guss zu schaffen.

Zeitenwende für mehr Fach- und Arbeitskräfte

Neben den Energiepreisen stellt der Fachkräftemangel für viele Unternehmen die größte Herausforderung dar. Er stellt allerdings nicht nur ein Problem für Unternehmen dar, sondern gefährdet auch die Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Ziele wie Klimaschutz, Pflege oder Kinderbetreuung. Die Gewinnung zusätzlicher Fachkräfte muss daher politikfeldübergreifend in den Blick genommen werden. In der Bildungspolitik benötigen wir insofern eine deutliche Stärkung und
Aufwertung der beruflichen Bildung. Unsere Hochschulen müssen sich stärker internationalisieren und ihren Ressourceneinsatz anpassen, damit in den relevanten Fächern noch mehr junge Talente aus aller Welt in Deutschland zu Fachkräften von morgen ausgebildet werden. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist es aber auch wichtig, dass Menschen in ihrem Beruf verbleiben bzw. ihre Tätigkeit ausweiten. Gerade für Menschen im Rentenalter gilt es, die nötigen Anreize zu schaffen, damit sich längeres Arbeiten auch lohnt. Dazu beitragen wird vor allem eine Steuerpolitik, die die Belastung für zusätzliches Einkommen (sowohl durch Steuern, aber auch durch Wegfall von Sozialleistungen) erheblich reduziert. Durch ein geordnetes Einwanderungs- und Integrationssystem wollen wir dem zunehmenden Arbeitskräftemangel in unserem Land entgegentreten und qualifizierten Zuwanderern die Einreise nach und den Verbleib in Deutschland deutlich erleichtern.

Nach einer langen Phase des Aufschwungs hat sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland fundamental verändert. Jahrelang wurden viele politische Themen fast ausschließlich unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten diskutiert. Nun muss wieder die Stärkung des Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Investitionsstandorts im Fokus stehen. Hierfür werden wir Freie Demokraten eintreten, denn für uns ist klar: Nur durch eine wirtschaftspolitische Zeitenwende kann es gelingen, das Potential der Menschen in diesem Land besser noch zu aktivieren und dazu beizutragen, dass die besten Tage noch vor uns liegen.

Begründung

Erfolgt mündlich.

zurück zum Antragsbuch