Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz e.V.

Sollte die Europäische Kommission im Zuge der laufenden Evaluation der Datenschutz-Grundverordnung (grundlegende) Änderungen vorschlagen und wenn ja, welche?

Wir Freie Demokraten sehen einen funktionierenden europäischen Datenschutz mit Datensouveränität und informationeller Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger als Grundlage für eine faire und funktionierende Datenökonomie. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO) hat sich in vielen zentralen Aspekten als weltweiter Standard für den Datenschutz etabliert. Wir wollen sie konsequent entbürokratisieren und weiterentwickeln. Insbesondere werden wir darauf achten, dass die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen und ihre Belange stärker berücksichtigt werden und der bürokratische Aufwand reduziert wird.

Welche Haltung nehmen Sie zum Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft bezüglich der Chatkontrolle zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein?

Für uns Freie Demokraten sind der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Verschlüsselung und Anonymität in digitalen Räumen unabdingbar. Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und anlassloses Ausspionieren von Bürgerinnen und Bürgern lehnen wir kategorisch ab. Auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch hat für uns Priorität. Die anlasslose Chatkontrolle aber ist ein Irrweg. Die Überwachung aller Chats, Nachrichten und E-Mails von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern stellt die Menschen unter ständigen Generalverdacht. Die von der Kommission vorgeschlagene CSA-Verordnung würde private Unternehmen zwingen, ihre Kundinnen und Kunden bzw. Nutzerinnen und Nutzer anlasslos auszuspionieren und sensible persönliche Daten insbesondere auch bei falschen Treffermeldungen an den Staat weiterzuleiten. Für den Rechtsstaat wäre die Chatkontrolle ein gefährlicher Dammbruch. Stattdessen müssen wir in die Ausstattung der Polizei und von Europol investieren.

Halten Sie eine Altersverifikation im Internet ohne übermäßige Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung der Nutzenden für sinnvoll und wie ließe sie sich ggf. realisieren?

Eine Klarnamenpflicht durch die Hintertür lehnen wir Freie Demokraten entschieden ab. Vor diesem Hintergrund muss man anerkennen, dass einige Experten darauf hinweisen, dass eine Altersverifikation genau dazu führen kann. Der Gedanke, dass es weiterhin möglich sein muss, das Internet anonym zu nutzen, wäre damit dahin. Wir nehmen diese Bedenken ernst.

Gleichzeitig sind aus technischer Sicht digitale Identitäten mit selektiver Weitergabe von Attributen als Lösung möglich – wie im Sinne der Datenminimierung durch eIDAS 2.0 vorgesehen. Dies müsste zwingend grundrechtskonform unter Wahrung der Anonymität ausgestaltet werden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Versprechen liberaler Demokratien, an dem weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene gerüttelt werden darf. Darüber hinaus darf die gewählte Lösung nicht zu einer Altersdiskriminierung von Personengruppen führen, die zwar Zugang zu einem Dienst haben sollten, diesen aber aufgrund einer fehlenden digitalen Identität nicht nutzen können.

Wie positionieren Sie sich bei den im Trilog zur e-Privacy-Verordnung sichtbar gewordenen Konflikten (Vorratsdatenspeicherung, Datenschutzaufsicht und Zweckbindung) und werden Sie sich für eine baldige Verabschiedung der Verordnung einsetzen?

Wir Freie Demokraten lehnen die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten ab. Dies gilt insbesondere für die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat. Eine solche Vorratsdatenspeicherung stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Deshalb muss die e-Privacy-Verordnung auf dieses Instrument verzichten und auch im Übrigen das Recht auf Privatsphäre in digitalen Räumen umfassend achten, um zustimmungsfähig zu sein.

Wie beurteilen Sie die kürzlich vom Europäischen Parlament beschlossene KI-Verordnung und wo sehen Sie Ansatzpunkte für ihre Weiterentwicklung und Ergänzung, damit sie der schnellen technologischen Entwicklung in diesem Bereich Rechnung trägt?

Wir wollen die EU zum Hotspot für Künstliche Intelligenz machen, die den Lebenschancen der Menschen dient, statt sie zu entmündigen. Deswegen begrüßen wir die Verabschiedung der KI-Verordnung als wichtigen Meilenstein. Als weltweit erste einheitliche Regelung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schafft sie Rechtssicherheit. 

Konservativen Überwachungswünschen und linken Überregulierungsfantasien erteilen wir gleichermaßen eine Absage. Die FDP setzt sich für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Für KI-Trainingsdaten setzen wir uns für ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild ein. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft stärken und moderne Monetarisierungsmodelle von Rechteinhabern ermöglichen. 

Gleichzeitig ist es leider nicht gelungen, bereits auf europäischer Ebene ein Verbot der biometrischen Gesichtserkennung durch KI im öffentlichen Raum durchzusetzen. Wir wollen aber ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum. Der breitflächige Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum birgt die Gefahr der Totalüberwachung. Wir streben daher an, die Spielräume bei der nationalen Umsetzung der europäischen KI-Verordnung so zu nutzen, dass wir einen solchen Einsatz dieser Technologie gesetzlich ausschließen.

Halten Sie die in den verschiedenen EU-Rechtsakten zur Regulierung des digitalen Raums (insb. DSGVO, Data Governance Act, Digital Markets Act, Digital Services Act, KI-Verordnung) vorgesehenen unterschiedlichen Aufsichtsregelungen für angemessen und wie sollten sie im Sinne einer stärkeren Harmonisierung weiterentwickelt werden?

Wir Freie Demokraten begrüßen alle digitalpolitischen Initiativen auf europäischer Ebene, die darauf abzielen, europäische Werte auch im digitalen Raum zu stärken und unseren Binnenmarkt weiterzuentwickeln. Projekte wie der DSA und der DMA können als Meilensteine für die Bürgerinnen und Bürger in Europa angesehen werden. Sie sorgen beispielsweise für mehr Sicherheit im digitalen Raum und stärken Nutzerrechte sowie Medien- und Pressefreiheit. Dennoch haben sich unterschiedliche Governance-Regime herausgebildet, die vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche auch nachvollziehbar erscheinen. Eine Harmonisierung kann sinnvoll sein, wenn dadurch Bürokratie abgebaut oder verhindert wird und die Durchsetzung der Regelungen nicht beeinträchtigt wird. Allerdings sind Rechtsakte wie die KI-Verordnung noch zu jung, um dies beurteilen zu können. Wir werden auf europäischer Ebene die Auswirkungen aller Rechtsakte kontinuierlich evaluieren und gegebenenfalls Anpassungsbedarf identifizieren, der auch eine Harmonisierung der Aufsichtsregeln umfassen kann.

Haben Sie ein TikTok-Account oder planen Sie, ein solches einzurichten? Was sind die Gründe für Ihre Entscheidung? Wie beurteilen Sie die Praxis von TikTok im Hinblick auf die Vorgaben des EU-Rechts zum Datenschutz, zur Transparenz und zur Verhinderung von Fakenews?

Die FDP hat als politische Partei den verfassungsmäßigen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Um die Menschen auch tatsächlich erreichen zu können, müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit an deren Mediennutzung ausrichten. Wir setzen daher auf Präsenz sowohl in den klassischen Medien als auch auf digitalen Plattformen. Digital kommuniziert die Bundespartei insbesondere über ihre Kanäle auf Facebook, Instagram, X, Threads, LinkedIn und YouTube. Die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann nutzt einen persönlichen TikTok-Account für ihren Wahlkampf, die FDP selbst beobachtet die Entwicklung der Plattform fortlaufend.

Als Freie Demokraten beobachten wir die Entwicklungen und Debatten rund um die App TikTok sehr genau. Insbesondere weil die App so erfolgreich ist und es immer wieder Berichte über Datenschutzprobleme sowie Zensurmechanismen auf der Plattform gibt, ist ein vorsichtiger Umgang mit TikTok angezeigt. Ein Verbot von TikTok fordern wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Viel nachhaltiger ist es, die Mündigkeit und Medienkompetenz jedes Einzelnen zu stärken. Die Bürgerinnen und Bürger Europas müssen in der Lage sein, Informationen aus Quellen wie TikTok kritisch zu hinterfragen und einzuordnen, Manipulationen zu erkennen und sich selbst eine Meinung zu bilden. Gleichzeitig muss die EU-Kommission fortwährend überprüfen, welchen Einfluss staatliche Stellen auf Internetunternehmen nehmen. Im Fall von Rechtsverstößen müssen Sanktionen folgen.

Werden Sie sich für eine Weiterentwicklung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der europäischen Institutionen hin zu einer Europäischen Transparenzverordnung einsetzen?

Transparenz gesetzgeberischen Handelns ist stets eine wichtige Grundlage demokratischer Kontrolle. Diese sollte in einem angemessenen Umfang im Rahmen der Anwendung der bestehenden Verordnung oder durch deren zielgenaue Weiterentwicklung sichergestellt werden.

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