Audit Committee Institute e.V.
Welchen Schwerpunkt soll die europäische Wirtschaftspolitik in der kommenden Legislaturperiode haben? Durch welche konkreten Maßnahmen soll die grüne Transformation der Wirtschaft weiter vorangetrieben werden?
Europa muss marktwirtschaftlicher werden. Im Wettbewerb mit anderen Regionen der Welt ist unsere Wirtschaftskraft der entscheidende Faktor. Durch eine Schärfung der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, durch mehr Freihandel, weniger Bürokratie, den Abbau von Subventions- und Verteilungsmechanismen sowie durch die Vollendung des Digital- und des Energie-Binnenmarktes schaffen wir einen starken und krisenfesten Wirtschaftsraum sowie Chancen für Wachstum und Wohlstand. Wir Freie Demokraten wollen Europa zum digitalen Chancenkontinent machen, Energiesicherheit und effektiven Klimaschutz durch Technologieoffenheit und Marktwirtschaft erreichen und die europäische Infrastruktur auf die Zukunft ausrichten. Die FDP setzt auf den Emissionshandel und den Wettbewerb der besten Technologien, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Der Emissionshandel ist das effektivste und effizienteste Klimaschutzinstrument, da er ein klares Treibhausgaslimit vorgibt.
Durch welche konkreten Maßnahmen soll die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der europäischen Unternehmen in Sachen KI und Digitalisierung gestärkt werden sowie gleichzeitig Datensicherheit und -schutz gewährleistet werden?
Wir wollen die EU zum Hotspot für Künstliche Intelligenz machen. Konservativen Überwachungswünschen und linken Überregulierungsfantasien erteilen wir gleichermaßen eine Absage. Wir setzen uns für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Für KI-Trainingsdaten setzen wir auf ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild. Unser Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft zu stärken und moderne Monetarisierungsmodelle von Rechteinhabern zu ermöglichen. Wir wollen einen Raum der Datenfreiheit und der Datensicherheit schaffen. Europäische Forschungsmittel sollen gezielt zur Erforschung von Datenschutztechnologien und -infrastruktur verwendet werden. Ziel sollte ein weitestgehend autarkes Europa mit eigenen, auch privaten, Cloud-Anbietern und europäischen Datenschutzstandards sein. Wir setzen uns dafür ein, dass die DSGVO der EU entbürokratisiert und weiterentwickelt wird.
Welche konkreten Maßnahmen sollen speziell kleine und mittlere Unternehmen fördern und insbesondere von Bürokratie entlasten?
Die EU braucht einen Mittelstandskommissar, der sich um faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie um Bürokratieabbau kümmert. Jedes Gesetzgebungsverfahren soll einen KMU-Test durchlaufen, der die potentiellen Auswirkungen auf KMU kritisch durchleuchtet. Denn der Mittelstand ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und Antrieb für Wachstum, Innovation und Wohlstand. Die KMU-Definition auf EU-Ebene wollen wir an die Lebensrealität anpassen. Vor allem die immer weiter zunehmenden Bürokratielasten ersticken neues Wirtschaftswachstum im Keim. Deshalb fordern wir einen „Bureaucracy Reduction Act“. Wir wollen die Wirtschaft von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien. Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der „One in, two out“-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden. Durch einen Berichtspflichten-Check wollen wir doppelte Berichtspflichten zusammenführen oder abschaffen.
Welche handelspolitischen Maßnahmen sind erforderlich, damit die europäische Wirtschaft im Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsblöcken China und den USA besteht? Inwiefern ist dies in die EU-Handelspolitik einzubetten und durch welche konkreten Maßnahmen/Abkommen sollen diese Ziele erreicht werden?
Die europäische Wirtschaft kann im internationalen Wettbewerb nur bestehen, wenn die EU ihren eigenen Binnenmarkt stärkt und ausbaut. Das schließt die Vertiefung des Binnenmarktes – vor allem für Arbeit, Energie, Kapital und digitale Dienstleistungen – und den Abbau von Bürokratie und Investitionshemmnissen ein. Wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden und die Kapitalmarktunion vertiefen. Denn die Kapitalmarktunion ist ein Booster für private Investitionen. Ein wichtiger Schlüssel für eine souveräne EU, die Wirtschaftswachstum, Innovationen und Wohlstand ermöglicht, ist mehr Freihandel. Wir stehen für fairen, regelbasierten und verantwortungsbewussten Handel, mit einer reformierten WTO als Grundlage. Unser Ziel ist eine Weltfreihandelszone der Demokratien. Wir fordern insbesondere einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA, einen Abschluss des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten und langfristig eine Freihandelszone mit den ASEAN-Staaten.
Mit welchen konkreten Maßnahmen soll die EU ihre Rohstoffversorgung sichern? Wie wird Kreislaufwirtschaft hierbei berücksichtigt? Welche Maßnahmen dienen einer sicheren Versorgung Europas mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen?
Wir müssen die Lieferketten der Europäischen Union auf eine breitere Basis stellen, besonders wenn es um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen, Produkten und Technologien geht. Dafür setzen wir verstärkt auf Rohstoff- und Technologiepartnerschaften, insbesondere mit Wertepartnern. Europa darf sich in der Rohstoffversorgung nicht verwundbar machen. Unsere Antwort ist unter anderem eine gemeinsame Energieaußenpolitik, die Energiepartnerschaften mit zuverlässigen Ländern herstellt. Insbesondere mit Israel streben wir eine Wasserstoffpartnerschaft an. Wir unterstützen die Pläne zum Bau einer Pipeline von Israel durch das Mittelmeer bis an den europäischen Kontinent. So kann es gelingen, Energiequellen zu diversifizieren und Energieabhängigkeiten von einzelnen Lieferanten zu reduzieren. Strategische Partnerschaften und Freihandelsabkommen sollen auch gemeinsame Standards mit Blick auf Dekarbonisierung, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft berücksichtigen.
Inwieweit soll die europäische Steuer- und Finanzpolitik, inkl. der der europäischen Fiskalpolitik, reformiert werden? Inwieweit bedarf das EU-Beihilfe- und -Vergaberecht einer Reform?
Mit uns wird es keinen Einstieg in eine Schuldenunion geben. Europa muss in der kommenden Legislaturperiode mit der Tilgung der für den Corona-Solidaritätsfonds aufgenommenen Kredite beginnen. Eurobonds lehnen wir ab. Die Einnahmen der EU sollen wie bisher hauptsächlich aus Überweisungen von Mitgliedstaaten stammen. Für uns hat die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität. Dazu gehört eine Haushaltspolitik, die auf weitere schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme verzichtet. Aus dem gleichen Grund muss ein glaubwürdiger Schuldenabbau bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Vordergrund stehen. Wir üben Solidarität mit anderen Mitgliedstaaten. Zugleich achten wir auf die Einhaltung von Haushaltsdisziplin und gehen dabei mit gutem Beispiel voran. Zudem muss das aktuelle Beihilferecht überarbeitet werden. Wir wollen auch weiterhin einen starken Wettbewerbsschutz in Europa, aber die zunehmende Überfrachtung, etwa der Beihilfe durch andere Themen, muss zurückgedreht werden.
Durch welche konkreten Maßnahmen soll der Fachkräftemangel bekämpft werden?
Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist die EU auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Wir fordern deshalb eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Zudem wollen wir die Bereitschaft vieler älterer Menschen fördern, ihre Erfahrung und ihr Fachwissen freiwillig auch nach dem Eintritt in den Ruhestand einzubringen.
Inwieweit soll die europäische Zusammenarbeit bei der Außen- und Sicherheitspolitik verstärkt werden?
Die Handlungsfähigkeit der EU in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik soll gestärkt werden, indem Entscheidungen künftig mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden und der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik institutionell zu einem EU-Außenminister aufgewertet wird. Dieser soll die zentrale Zuständigkeit für die europäische Außenpolitik haben und für Kohärenz und Effizienz der EU und ihrer Mitgliedstaaten sorgen. Zudem wollen wir einen politischen Stellvertreter für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik einsetzen. Der Europäische Auswärtige Dienst soll gestärkt werden, um eine einheitliche Stimme der EU nach außen zu gewährleisten. Wir fordern zudem die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion als Zwischenschritt zu einer Europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und unter parlamentarischer Kontrolle sowie eine stärkere Koordinierung der militärischen Fähigkeiten innerhalb der EU und einen Ausbau der gemeinsamen Rüstungsbeschaffung.