ADEXA - Die Apothekengewerkschaft
In Deutschland – aber auch in vielen anderen Ländern Europas – erstarken radikale, antidemokratisch und antieuropäisch orientierte Kräfte vor allem am rechten Rand des politischen Spektrums. Welche Strategie verfolgen Sie, um die Demokratie auf europäischer Ebene zu stärken?
Für uns Freie Demokraten ist klar: Europa ist eine Wertegemeinschaft. Mit Sorge beobachten wir, wie in Teilen Europas radikale Kräfte diese Wertegemeinschaft in Frage stellen. Vielerorts werden Frauenrechte wieder eingeschränkt, Pressefreiheit wird offen infrage gestellt, zivilgesellschaftliche Räume eingeschränkt. Das ist inakzeptabel und erfordert schnelle und konsequente Reaktionen. Wir Freie Demokraten wollen ein freiheitliches, ein liberales, ein modernes und tolerantes Europa. Wir wollen eine EU, die ihrer Vorbildrolle bei der Verteidigung von Menschenrechten und Freiheiten der Demokratie weiterhin gerecht wird. Wir fordern daher, alle zur Verfügung stehenden Instrumente konsequent zu nutzen und bei gravierenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit konsequent EU-Fördermittel zu kürzen. Auf europäischer Ebene ist in diesem Zusammenhang die Stärkung des Rechtsstaatsmechanismus essenziell. Künftig soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Antrag eines Mitgliedstaats, der Kommission oder des Parlaments EU-Gelder für Mitgliedstaaten einfrieren können, wenn diese die Werte der Union verletzen.
Als Schlüsselfreiheit ist die Pressefreiheit besonders schutzbedürftig. So ist aus unserer Sicht eine unabhängige Medienaufsicht in der Union und den Mitgliedstaaten zentral. Gerade deshalb setzen wir uns für eine Verbesserung des vorgeschlagenen Medienfreiheitsgesetzes ein. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) sollen befähigt werden, sich europaweit für die Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie den Schutz von Medienschaffenden einzusetzen.
Wir Freie Demokraten wollen zudem grenzüberschreitende Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen in der EU erleichtern. Denn wir befürworten und unterstützen Initiativen aus der Mitte der Gesellschaft, die das Gemeinwohl fördern.
Welche Bedeutung messen Sie auf europäischer Ebene Gewerkschaften und Tarifverträgen bei? Wo sehen Sie ggf. Änderungsbedarf oder die Möglichkeit, die Sozialpartnerschaft zu stärken?
Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass Arbeitsmarktpolitik richtigerweise Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Nur in Fragen, die tatsächlich eine erhebliche grenzüberschreitende Bedeutung für den Binnenmarkt oder die Freizügigkeit haben, ist die EU politisch gefordert.
Die europäische Gewerkschaftslandschaft weist eine enorme Heterogenität auf. Zum Beispiel existieren nennenswerte Unterschiede in der Kompetenzverteilung zwischen Dachverband und Branchengewerkschaft.
Tarifverträge sind das Ergebnis von Tarifverhandlungen. Die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit (Tarifautonomie) gewährleistet neben der Freiheit, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände (Koalitionen) zu gründen, auch deren Betätigungsrecht – also das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, einschließlich der gemeinsamen Lohn- und Gehaltsfindung. Die beschriebene Koalitionsfreiheit ist ein Wesenskern unserer Sozialen Marktwirtschaft, sie ist Grundlage für eine freie, mittelständische Wettbewerbsordnung und eine verlässliche, planbare Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, welche die Förderung und die Stärkung des Marktes und des Wettbewerbs in den Mittelpunkt stellt.
Die Hürden für Fachkräfte sind hoch, um in anderen Ländern zu arbeiten. Das betrifft auch Apothekenberufe. Planen Sie hier eine stärkere Harmonisierung bzw. eine gegenseitige Anerkennung der Berufsabschlüsse?
Motivierten und leistungsbereiten Menschen, die vorankommen und sich mit ihren Fähigkeiten in Europa für Fortschritt und Wachstum einsetzen möchten, müssen alle Türen offenstehen. Bei der Arbeitskräftemobilität wollen wir Freie Demokraten daher in der EU Hürden abbauen sowie komplizierte und langwierige Prozesse vereinfachen. Wir wollen insbesondere monatelange bürokratische Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Diese sollen beispielsweise eine schnelle Übersetzung europäischer Abschlüsse in ihre nationalen Pendants ermöglichen. Wir fordern auch, die EU-Entsenderichtlinie zu modernisieren und zu vereinfachen. Zudem wollen wir Englisch als zweite Verwaltungssprache in der Europäischen Union einführen, um Sprachbarrieren bei Verwaltungsvorgängen – auch in Zusammenhang mit Arbeit, Ausbildung und Studium – in der EU abzubauen.
Pharmazeutische Versorgung in Krisenzeiten: Welche Lehren wurden aus der COVID-19-Pandemie gezogen, und welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Widerstandsfähigkeit der pharmazeutischen Versorgungskette zu stärken und die Rolle der Apotheken als wichtige Gesundheitsdienstleister zu unterstützen?
Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet.
Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass die Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen jederzeit gewährleistet ist. Engpässe in der Versorgung müssen vermieden und bekämpft werden. Wir treten daher für eine verstärkte Produktion von Arzneimitteln in der EU ein. Darüber hinaus wollen wir Lieferketten diversifizieren und Abhängigkeiten von Drittstaaten bei der Versorgung mit Wirk-, Hilfs- und Rohstoffen verringern. Wir halten es für sinnvoll, die Bedeutung des europäischen Binnenmarktes für verstärkte gemeinsame Beschaffung im medizinischen Bereich zu nutzen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit dem im vergangenen Sommer beschlossenen Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz der Koalition wurden bereits wichtige Maßnahmen umgesetzt, z.B. die zusätzliche Berücksichtigung der Wirkstoffproduktion in Deutschland und der EU bei Ausschreibungen von Kassenverträgen oder die Einrichtung eines Frühwarnsystems bei Arzneimittellieferengpässen.
Lieferengpässe haben dazu geführt, dass Patientinnen und Patienten in Deutschland wichtige Arzneimittel nicht – oder nur zeitlich verzögert – erhalten. Welche Strategien auf europäischer Ebene verfolgen Sie, um das Problem zu lösen?
Vergleiche die Antwort auf Frage 4.
Regulatorische Harmonisierung: Welche Schritte werden unternommen, um die regulatorischen Rahmenbedingungen für Apotheken in ganz Europa zu harmonisieren, insbesondere im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit und die Qualität der Patientenversorgung?
Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet.
Wir Freie Demokraten setzen und für eine flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln sowie eine qualifizierte Beratung von Patientinnen und Patienten ein. Wir fordern faire Rahmenbedingungen zwischen inländischen Apotheken sowie in- und ausländischen Versandapotheken. Dafür streiten wir auf nationaler wie europäischer Ebene. Ein pauschales Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel lehnen wir ab, denn alle Patientinnen und Patienten sollten eine Wahlfreiheit haben. Außerdem muss die freie Apothekenwahl jederzeit gewährleistet sein. Wir wollen die Kooperation zwischen der EU und der Weltgesundheitsorganisation ausbauen und die Implementierung der globalen Gesundheitsstrategie der EU entschlossen vorantreiben. Wir wollen zudem einen gemeinsamen Europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen, der die Versorgung verbessert, Innovationen ermöglicht und den Anforderungen des Datenschutzes genügt. Wir wollen die Bürokratie im Gesundheitsbereich reduzieren und Zulassungsverfahren beschleunigen, ohne Kompromisse bei der Patientensicherheit zu machen. Um den Zugang zu Arzneimitteln für seltene Erkrankungen sicherzustellen, muss die europäische Nutzenbewertung deren Besonderheiten praxistauglich berücksichtigen. Zu bürokratische Verfahren treffen insbesondere kleine Hersteller überproportional und führen dazu, dass Produkte vom Markt genommen werden. Mit dem gemeinsamen Kauf von Impfstoffen hat die erste größere gemeinsame Beschaffung der Europäischen Union im Gesundheitsbereich stattgefunden. Wir halten es für sinnvoll, die Bedeutung des Europäischen Binnenmarkts für verstärkte gemeinsame Beschaffung im medizinischen Bereich zu nutzen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Wettbewerbsfähigkeit: Welche Initiativen werden auf europäischer Ebene ergriffen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Vor-Ort-Apotheken im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen für Arzneimittel sicherzustellen, insbesondere im Zusammenhang mit Online-Apotheken und dem zunehmenden Wettbewerbsdruck?
Vergleiche die Antwort auf Frage 6.
Wie kann die EU dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Apotheken anzugehen und sicherzustellen, dass hochqualifiziertes Personal ausgebildet wird, um den Anforderungen an die Gesundheitsversorgung gerecht zu werden?
Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist die EU auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Wir Freie Demokraten fordern deshalb eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen hierzu ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Zudem wollen wir die Bereitschaft vieler älterer Menschen fördern, ihre Erfahrung und ihr Fachwissen freiwillig auch nach dem Eintritt in den Ruhestand einzubringen.
Wir Freie Demokraten wollen das Pharmaziestudium von heute an die Herausforderungen von morgen anpassen. Deshalb fordern wir auf nationaler Ebene die schnelle Umsetzung der bereits diskutierten Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker. Nur mit einem praxisnahen, wissenschaftlich fundierten Pharmaziestudium kann das Gesundheitssystem zukunftsfähig gemacht werden. Exzellente Arzneimittelversorgung geht Hand in Hand mit exzellenter Ausbildung.