BAG ÖRT

Welchen Stellenwert hat Jugendsozialarbeit für Ihre Partei und wie wollen Sie benachteiligte oder vom System entkoppelte Jugendliche im Übergangsbereich fördern?

Die Jugendarbeit hat für uns Freie Demokraten einen hohen Stellenwert, da sie dazu beiträgt, junge Menschen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten und zu unterstützen. Die Kinder- und Jugendarbeit ist primär Sache der Mitgliedstaaten, in Deutschland vor allem der Kommunen. Auf europäischer Ebene wollen wir es jungen Menschen so einfach wie möglich machen, einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung zu finden, sich einzubringen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Daher wollen wir die European Employment Services zu einer Europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Die neue digitale Europäische Arbeitsplattform soll sowohl europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln als auch eine echte Koordinationsrolle für die nationalen Arbeitsagenturen in der EU übernehmen, die es braucht, um Jugendarbeitslosigkeit auf der einen Seite und Fachkräftemangel in Europa auf der anderen Seite zu bekämpfen. Dabei darf es zu keinen Doppelstrukturen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA), den European Employment Services (EURES) oder der EU-Arbeitsbehörde kommen.

Wie wollen sie die EU-Jugendstrategie und die Teilhabemöglichkeiten junger Menschen im demokratischen Prozess weiterentwickeln und extremistischen Positionen vorbeugen?

Die Schwerpunktthemen der aktuellen EU-Jugendstrategie lauten Beteiligung, Begegnung und Befähigung. Um diese Ziele zu erreichen, schlagen wir Freie Demokraten ein vielfältige Maßnahmen vor.

Wir wollen das Erfolgsprogramm Erasmus+ weiterentwickeln. Es hat Millionen jungen Menschen Auslandserfahrungen in Europa ermöglicht. Darauf wollen wir aufbauen, indem wir Erasmus+ stärken und den Zugang auch für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Azubis verbessern. Unser Ziel ist, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig vom Einkommen der Eltern sechs Monate ihrer Schulzeit im europäischen Ausland verbringen können. Bei der beruflichen Bildung wollen wir besonders dafür werben, jungen Menschen europäische Perspektiven im Handwerk und den dualen Ausbildungsberufen aufzuzeigen.

Zudem wollen wir den Jugendaustausch in Europa stärken und fordern, ein Europäisch-Britisches Jugendwerk zu gründen, durch das der Austausch von Schülerinnen und Schülern aus dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der EU gefördert werden soll.

Es ist uns Freien Demokraten wichtig, dass die Interessen von jungen Menschen gewahrt und ihre Meinungen gehört werden. Dafür gibt es mit der Ansprache von Abgeordneten des Europaparlaments, Anhörungen, Ausschusssitzungen und vielem mehr bereits eine Menge Instrumente, die jungen Menschen und ihren Interessenträgern wie Vereinen und Verbänden offenstehen. Um junge Menschen früher im politischen Prozess zu beteiligen, haben wir Freie Demokraten uns auf nationaler Ebene erfolgreich dafür eingesetzt, das Wahlalter zur Europawahl auf 16 Jahre abzusenken.

Wie wollen Sie gegen Jugendarmut und -arbeitslosigkeit vorgehen und gleichberechtigte Zugänge zu Ausbildung und Arbeit auch für junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte oder Behinderung schaffen?

Die FDP betrachtet die Bekämpfung von Jugendarmut und -arbeitslosigkeit auf europäischer Ebene als eine Priorität. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich die FDP für eine Reihe von Maßnahmen ein:

Förderung von Bildung und Ausbildung: Die FDP unterstützt Programme, die jungen Menschen den Zugang zu hochwertiger Bildung und Ausbildung erleichtern. Dies umfasst die Förderung von Berufsausbildungen, Praktika und anderen Formen der beruflichen Qualifizierung. Außerdem soll der European Employment Services weiter ausgebaut werden (s. oben). 

Schaffung von Arbeitsplätzen: Die FDP setzt sich für wirtschaftliche Maßnahmen ein, die das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa fördern. Durch eine dynamische und innovationsfreundliche Wirtschaft können mehr Chancen für junge Menschen entstehen.

Die FDP engagiert sich dafür, dass junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte sowie Menschen mit Behinderungen gleiche Chancen auf Ausbildung und Arbeit erhalten. Dies kann durch gezielte Programme zur Integration und Unterstützung erfolgen, die auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppen eingehen.

Förderung von Mobilität und Austausch: Die FDP unterstützt Programme, die die Mobilität junger Menschen innerhalb Europas fördern, wie zum Beispiel Austauschprogramme, Praktika im Ausland und grenzüberschreitende Bildungsinitiativen. Dadurch können junge Menschen wertvolle Erfahrungen sammeln und ihr berufliches Netzwerk erweitern.

Wie wollen Sie ESF geförderte Projekte in langfristige Strukturen überführen bzw. eine Weiterführung vor Ort ermöglichen?

Der Europäische Sozialfonds (ESF) fördert Beschäftigung und soziale Integration in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Projekte haben das Ziel, Menschen berufliche Perspektiven aufzuzeigen. In Deutschland stärkt beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einem ESF Plus-Programm die Bildungschancen von Menschen mit Migrationsgeschichte, insbesondere auch von Mädchen und Frauen. Auch zukünftig wollen wir nicht pauschal auf zeitlich befristete Angebote durch Projektfinanzierungen verzichten. Wo nötig, wollen wir bürokratische Hürden abbauen.

Wie möchte Ihre Partei die Digitalisierung vorantreiben, mit den Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz umgehen und junge Menschen im digitalen Raum schützen?

Wir Freie Demokraten wollen eine effektive Umsetzung der europäischen Digitalgesetze (Digital Markets Acts, Digital Services Act), um den digitalen Binnenmarkt zu stärken und dahingehend für fairen Wettbewerb zu sorgen. Dabei ist es unabdingbar, dass die Netzneutralität sichergestellt bleibt.

Die EU muss der Hotspot für Künstliche Intelligenz werden. Hierbei ist es wichtig, unbürokratisch Innovationsschaffung zu ermöglichen, die den Lebenschancen und der freien Entfaltung der EU-Bürgerinnen und Bürger dient. Die Bürgerrechte jedes einzelnen müssen gewahrt werden. Zudem wollen wir KI im Bildungswesen etablieren. So können Lehrkräfte entlastet und Schülerinnen und Schüler individueller gefördert werden, etwa in der Diagnostik und Förderung.

Auch der Aspekt der Sicherheit im digitalen Raum im Zuge aktueller globaler Entwicklungen darf nicht vernachlässigt werden. Daher fordern wir Freie Demokraten gemeinsame europäische Sicherheitsstandards für die digitale Infrastruktur, um unter anderem den Einfluss autoritärer Regime auf kritische Infrastruktur vorzubeugen.

Uns Freien Demokraten liegt der Schutz junger Menschen im digitalen Raum am Herzen. Das Recht auf Privatsphäre und Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nehmen wir ernst. Hierzu sollen die Polizei sowie die Behörde Europol besser ausgestattet und die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Kriminalitätsbekämpfung verstärkt werden. Wir sprechen uns ausdrücklich gegen Chatkontrollen aus. Um insbesondere den Kinder- und Jugendmedienschutz auf europäischer Ebene zukunftsfähig zu gestalten und gleichzeitig ein sicheres Online-Umfeld zu schaffen, in dem die Kinderrechte auf Schutz, Befähigung und Teilhabe auch in einer digitalisierten Gesellschaft sichergestellt sind, sollten die Jugendschutzniveaus harmonisiert sowie europaweite Altersverifikationssysteme eingeführt werden.

Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel in der sozialen Arbeit und im Bildungswesen entgegentreten?

Wir Freie Demokraten wollen es einfacher machen, Bildungs- und Arbeitsangebote in der gesamten EU zu nutzen. So wollen wir die europäischen Berufsausbildungs- und Schulsysteme, wo es der Bildungsmobilität dient, stärker aufeinander abstimmen.  Einfache und schnellere Anerkennung von Qualifikationen kann zudem einen wichtigen Beitrag leisten, um dem Fachkräftemangel in vielen Branchen, auch den Sozialberufen, entgegenzuwirken und die Mobilität von Fachkräften in der EU zu erhöhen. Daher wollen wir monatelange bürokratische Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Diese sollen beispielsweise eine schnelle Übersetzung europäischer Abschlüsse in ihre nationalen Pendants ermöglichen. Darüber hinaus treten wir auf nationaler Ebene dafür ein, die Sozialberufe durch bessere Rahmenbedingungen attraktiver zu machen, z. B. indem die Ausbildung bundesweit nicht nur schulgeldfrei erfolgt, sondern auch vergütet wird, Mindeststandards für die Ausbildung an Fachschulen eingeführt und die Praxis durch ein Kooperationsgebot von Fachschulen und Praxiseinrichtungen gestärkt werden. Ferner treten wir für flexiblere Anerkennungsverfahren und Weiterqualifizierungen für Assistenzberufe in den Erzieherberuf ein.

Wie wird Ihre Partei dafür sorgen, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen zur Verfügung steht?

Für uns Freie Demokraten ist klar: Das aktuelle Wohnungsproblem ist vor allem ein Angebotsproblem. Die Lösung lautet daher: Wir müssen mehr, schneller und vor allem weniger bürokratisch bauen. Dazu wollen wir Regularien auf europäischer Ebene praxistauglicher ausgestalten und das Baurecht entschlacken.

Wie möchte Sie die Versorgungslage im Bereich der psychischen Gesundheit für junge Menschen verbessern?

Psychische Erkrankungen zählen mit zu den häufigsten Volkskrankheiten und dürfen daher nicht als Randphänomen abgetan werden. Für uns Freie Demokraten ist klar: Versorgung, Forschung und Teilhabe müssen dringend weiterentwickelt werden. Dazu wollen wir die Wartezeiten auf einen Therapieplatz verkürzen, den Ausbau von Therapieplätzen fördern, Prävention und Aufklärung stärken und die Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickeln. Außerdem wollen wir die Zahl der Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten deutlich erhöhen. Schließlich fordern wir eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, denn psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe. Durch die Förderung der psychischen Gesundheit und Prävention wird die Gesellschaft sensibilisiert und dem Einzelnen kann schnell geholfen werden.

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