Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) zusammen mit dem Hotelverband Deutschland (IHA)
Bürokratieabbau: Wie wollen Sie konkret Unternehmen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von Bürokratie entlasten und vor neuer Bürokratie schützen?
Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen in Deutschland und Europa und bremst die Wirtschaft aus. Ein radikaler Bürokratieabbau und die Reduzierung von Dokumentations- und Berichtspflichten sind daher wesentlich für die von uns Freien Demokraten geforderte Wirtschaftswende. Mit dem Meseberger Entbürokratisierungspaket hat die FDP in der Bundesregierung Bürokratieentlastungen von mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr für die Unternehmen auf den Weg gebracht. Mit dem Wachstumschancengesetz entlasten wir insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen in den kommenden Jahren um Milliarden Euro. Wir wollen diesen Erfolg fortschreiben und die mit dem Wachstumschancengesetz verbundenen Abschreibungserleichterungen verlängern.
Um Bürokratiekosten verbindlich und systematisch zu reduzieren, fordern wir, dass künftig für jede neue Belastung durch geplante Regelungen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“) – auch auf europäischer Ebene. Denn 57 Prozent der bürokratischen Belastungen in Deutschland sind auf EU-Gesetze zurückzuführen. Mit einem EU-Mittelstandskommissar und einem KMU-Test für EU-Gesetzgebungsverfahren wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sicherstellen. Durch einen Bürokratie-Stopp, Entlastungen bei Steuern und Energiepreisen, Planungsbeschleunigung und mehr Leistungsgerechtigkeit wollen wir jetzt weitere Wachstumsimpulse geben.
Eigenes Budget für den Tourismus: Tourismuspolitik bedarf einer besseren ressortübergreifenden Koordinierung innerhalb der Kommission und zwischen den europäischen Institutionen. Wie stehen Sie zu einem eigenen Budgettitel für den Tourismus?
Wir Freie Demokraten befürworten eine verstärkte Koordinierung zu touristischen Themen auf EU-Ebene und auch zu den nationalen und regionalen Behörden. So sollten die Mitgliedstaaten – wo sinnvoll – ihre Kapazitäten bündeln und den europäischen Tourismusstandort gemeinsam in der Welt bewerben.
Grundsätzlich liegt die Kompetenz für den Tourismus allerdings in den Regionen selbst, in Deutschland bei den Bundesländern. Das ist auch richtig, damit touristische Destinationen nach den unterschiedlichen Bedürfnissen vor Ort gemeinsam mit der Bevölkerung zukunftsfähig gestaltet werden.
Die Wirkung auf den Tourismus und seine Infrastruktur sollte bei der Vergabe von Mitteln aus dem EU-Haushalt grundsätzlich mitgedacht werden. Zusätzlichen Budgets stehen wir aber kritisch gegenüber, insbesondere, wenn dafür Ressourcen aus den Regionen abgezogen würden.
Hotelmeldepflicht: Nach Art. 45 Schengener Durchführungsabkommen wird von ausländischen Gästen noch immer das eigenhändige Ausfüllen und Unterschreiben von Hotelmeldescheinen erwartet. Setzen Sie sich für eine praxisgerechte Neuregelung dieser Vorschrift im digitalen Zeitalter ein?
Unter Federführung des FDP-Justizministers Marco Buschmann werden wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV den Meldeschein für alle Inländer abschaffen. Damit entlasten wir die Hotellerie und die Gäste deutlich.
In der Tat ist eine Erleichterung für ausländische Gäste rechtlich nur schwer möglich, da das Schengener Durchführungsabkommen enge Vorschriften vorsieht. Daher sehen wir Freie Demokraten das dringende Erfordernis, Art. 45 des Abkommens so neuzugestalten, dass zukünftig eine digitale Erfassung erfolgen kann.
Portalökonomie: Mit dem Digital Markets Act (DMA) und der Platform-to-Business Verordnung (P2B) wurden digitale Plattformunternehmen zu fairem Marktverhalten verpflichtet. Mit welchen Mitteln wollen Sie die Durchsetzung dieser Vorschriften sicherstellen?
Wir Freie Demokraten setzen uns für eine effektive Umsetzung des Digital Markets Act und des Digital Service Act ein. Die Durchsetzung ist essentiell für fairen Wettbewerb und klare Verantwortung von Gatekeeper-Unternehmen für einen funktionierenden digitalen Binnenmarkt. Wir Freie Demokraten wollen eine wirksame Kontrolle großer Unternehmen der Digitalwirtschaft, die Zugänge zum Internet kontrollieren. Gatekeeper-Unternehmen, wie zum Beispiel Betreiber marktdominanter Suchmaschinen, sozialer Netzwerke oder Handelsplattformen, können die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen. Die effektive Umsetzung der neuen EU-Digitalgesetze und eine Überwachung der Einhaltung wird entscheidend sein für einen fairen Wettbewerb im digitalen Umfeld.
Leitungswasser: Im Rahmen der EU-Verpackungsverordnung und der EU-Trinkwasserrichtlinie wird eine verpflichtend kostenfreie Abgabe von Leitungswasser im Gastgewerbe diskutiert. Sehen auch Sie in einer derartigen Verpflichtung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit?
Wir Freie Demokraten wollen den Betrieben selbst die freie Entscheidung überlassen, ob sie der Empfehlung zur kostenfreien Abgabe von Leitungswasser folgen. Eine Verpflichtung lehnen wir im Hinblick auf die unternehmerische Freiheit der Angebotsgestaltung ab.
Umweltzertifikate: Mit der Green Claims-Richtlinie soll der Markt für Umweltzertifikate in der EU neugeordnet werden. Wie wollen Sie zukünftig ausreichenden Wettbewerb auf diesem Markt sicherstellen und gewährleisten, dass Umweltzertifizierungen auch für KMU im Gastgewerbe erreichbar bleiben?
In dieser Frage die richtige Balance zu finden, ist eine große Herausforderung, vor der wir stehen. Dabei ist die Zugänglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen für uns Freie Demokraten von größter Bedeutung. Gleichzeitig setzen wir auf informierte Verbraucherinnen und Verbraucher. Dafür braucht es verlässliche Zertifizierungen. Aussagekräftige und verlässliche Labels sind auch im Sinne der Anbieter, wie beispielsweise dem Gastgewerbe. Wir Freie Demokraten setzen uns in der EU daher für eine ausgewogene Regulierung ein, die Verlässlichkeit und Machbarkeit vereint. Eine Überbürokratisierung gilt es dabei zu vermeiden.
Rauchverbote im Außenbereich: Aktuell steht die Revision der Ratsempfehlung für rauchfreie Umgebungen an. Sprechen Sie sich gegen eine Ausweitung von Rauchverboten auf Bereiche der Außengastronomie aus?
Wir Freie Demokraten unterstützen das Ansinnen der EU, mit effektiven Initiativen gegen Krebserkrankungen vorzugehen und dabei auch den Tabakkonsum in den Blick zu nehmen. Den Gefahren des Tabakkonsums wollen wir allerdings nicht durch Bevormundung begegnen, sondern insbesondere durch Aufklärung und Prävention. Wir vertrauen auf mündige Bürgerinnen und Bürger, die Risiken eigenständig abwägen können. Wir setzen uns deshalb für den Ausbau von Präventionsprogrammen und Suchtberatungsstellen ein. Ein Rauchverbot in der Außengastronomie lehnen wir ab.
Arbeitsmobilität: Die Arbeitslosenquoten bei jungen Menschen sind in einigen EU-Ländern eklatant. Mit welchen Maßnahmen oder Anreizen wollen Sie die Arbeitsmobilität innerhalb der EU erhöhen?
Wir Freie Demokraten wollen bei der Arbeitskräftemobilität in der EU Hürden abbauen und insbesondere komplizierte und langwierige Prozesse bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Wir wollen außerdem die EU-Entsenderichtlinie modernisieren und vereinfachen. Zudem wollen wir die European Employment Services zu einer digitalen Europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Diese soll sowohl europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln als auch eine echte Koordinationsrolle für die nationalen Arbeitsagenturen in der EU übernehmen, die es braucht, um Jugendarbeitslosigkeit einerseits und Fachkräftemangel andererseits zu bekämpfen. Zudem wollen wir das Programm Erasmus+ weiter stärken und den Zugang für Auszubildende verbessern, um mehr jungen Menschen Auslandserfahrungen in Europa zu ermöglichen.
Hotellerie und Gastronomie sind Grundpfeiler des Tourismus. Ausländische Arbeitskräfte, insbesondere aus angrenzenden Nachbarländern, sichern das Überleben von Hotels und Restaurants. Für sie muss es einfacher werden, in Deutschland zu arbeiten – auch im Hinblick auf den massiven Personalmangel. Mit Anträgen (z. B. für Kindergeld, Krankenkasse) in der Muttersprache und schnellen, unkomplizierten Bearbeitungsvorgängen wollen wir das Arbeiten in der deutschen Tourismusbranche attraktiver machen.