German Association for Synthetic Biology (GASB e.V.)

Junge Forschende im akademischen Dienst leiden unter großen Belastungen durch schlechte Arbeitsbedingungen, unzureichende Bezahlung und befristete Arbeitsverträge. Welche Maßnahmen schlägt Ihre Partei vor, um die Bedingungen in der akademischen Forschung europaweit zu verbessern?

Wenn Europa weiter in der internationalen Top-Liga spielen will, müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wissenschaftssystems mit besseren Perspektiven für den Wissenschaftsnachwuchs in Einklang bringen. Auch in der Forschung müssen Arbeitsverträge und Wettbewerb zusammenpassen. Derzeit belastet ein zu hoher Anteil befristeter Stellen in der Wissenschaft insbesondere junge Forscherinnen und Forscher. Wir wollen praktikable Lösungen entwickeln, um planbare Karrieren, Generationengerechtigkeit sowie die notwendige Flexibilität der Wissenschaftseinrichtungen zu vereinen. Wir wollen Promotionen von Beginn an über ihre gesamte erwartbare Laufzeit absichern, Vertragslaufzeiten an Projektlaufzeiten knüpfen und partnerschaftliche Initiativen für cross-sektorale Personalentwicklung in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung unterstützen. Die von der FDP-Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger angestoßene Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes leistet dabei einen wichtigen Beitrag, um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu verbessern.

In der europäischen Forschung herrscht ein eklatanter Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Ausländische Fachkräfte fühlen sich in der EU häufig weder willkommen, noch finanziell ausreichend kompensiert. Wie wollen Sie junge Talente aus nicht-EU Ländern akquirieren und in der EU halten?

Motivierten und leistungsbereiten Menschen, die vorankommen und sich mit ihren Fähigkeiten in Europa für Fortschritt und Wachstum einsetzen möchten, müssen alle Türen offenstehen. Wir Freie Demokraten wollen deshalb bei der Arbeitskräftemobilität in der EU Hürden abbauen und insbesondere komplizierte und langwierige Prozesse bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Wir fordern eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. So ermöglichen wir eine gesteuerte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte und steigern die Attraktivität der EU im internationalen Wettbewerb. Zudem wollen wir Englisch als zweite Verwaltungssprache in der Europäischen Union einführen, um Sprachbarrieren bei Verwaltungsvorgängen – auch in Zusammenhang mit Arbeit, Ausbildung und Studium – in der EU abzubauen.

Gleiche Teilhabe an wissenschaftlichem Fortschritt gehört zu den Kernelementen zukunftsorientierter Wissenschaft. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen um Kooperation und Teilhabe schwächerer Staaten in der EU-Wissenschaftsförderung zu berücksichtigen?

Wir Freie Demokraten wollen die Europäische Union bis zum Jahr 2030 zum modernsten und innovativsten Raum weiterentwickeln. Daher fordern wir die Weiterentwicklung und den Ausbau von „Horizon Europe“ mit klaren Schwerpunkten in den Bereichen Biotechnologie, Gentechnologie, Gesundheitstechnologien, Chemie, Energietechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Mobilität und Nanotechnologie. Dabei muss der Technologie- und Wissenschaftstransfer verstärkt werden. Hierzu sollen die europäischen Richtlinien zur Zulassung neuer Technologien zügig angepasst werden, um eine Markteinführung nicht unnötig zu verzögern, sondern den Wirtschaftsraum EU in seiner Innovationskraft zu stärken. Disruptive Innovationen, wie zum Beispiel die Genschere CRISPR/Cas9, sollten nach wissenschaftlichen Risiken bewertet und zugelassen werden. Zudem wollen wir die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern ausweiten und private Investitionen in Zukunftssektoren ermöglichen. Wir wollen die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in sogenannten Technologie- und Innovationshubs ausweiten.

Die europäische Forschung entwickelt zahlreiche Zukunftstechnologien im Bereich der Biotechnologie, hinkt industriell jedoch deutlich hinter anderen Weltregionen hinterher. Wie wollen Sie den Technologietransfer von der Forschungs-/Start-Up Ebene auf industrielles Niveau verbessern?

Wir Freie Demokraten fordern Digital-Freiheitszonen nach europäischem Recht. Durch Experimentierräume und Öffnungsklauseln wollen wir grenzüberschreitende „Sonderwirtschaftszonen“ für digitale Ausgründungen von Unternehmen, Start-ups und Spin-offs schaffen. Unternehmergeist, Innovation und Digitalisierung dürfen nicht an Ländergrenzen enden. Die Digital-Freiheitszonen sollen in enger Kooperation und im engen Austausch mit der Europäischen Agentur für Sprunginnovationen, die wir einrichten wollen, stehen. Zudem fordern wir, „Horizon Europe“ mit klaren Schwerpunkten u. a. in den Bereichen Biotechnologie, Gentechnologie, Gesundheitstechnologien auszubauen und weiterzuentwickeln.

Die synthetische Biologie führt zu zahlreichen Neuentwicklungen im Bereich der individualisierten Medizin, welche durch große klinische Studien nur schwer zu erfassen sind. Wie sollte die Zulassungsstruktur der EMA angepasst werden um diesen Trend zu begleiten?

Im Kontext der voranschreitenden Entwicklung innovativer Therapien und der zunehmenden Ausrichtung auf kleinere und spezifischere Patientenpopulationen stellen sich im Bereich der Zulassung neue Herausforderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Anwendbarkeit randomisierter kontrollierter Studien (RCT). Insbesondere bei seltenen Erkrankungen oder in Bezug auf Gen-und Zelltherapien gestaltet sich die Durchführung solcher RCTs in kleinen Patientengruppen als problematisch. Um diesen neuen Gegebenheiten des medizinischen Fortschritts gerecht zu werden, fordern wir Freie Demokraten eine entsprechende Dynamisierung und Flexibilisierung des derzeit geltenden Rechtsrahmens. Es muss sichergestellt werden, dass innovative Arzneimittel Patienten in Europa zeitnah zur Verfügung gestellt werden und Europa für Unternehmen der Arzneimittelindustrie ein attraktiver Standort bleibt. 

Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie der wirtschaftlichen Sicherheit, doch das komplexe Geflecht an nationalen und EU-Regulationen macht den europäischen Markt für Biotech Unternehmen unattraktiv. Streben Sie an, die Regulation von Biotech-Produkten auf EU-Ebene stärker zu vereinheitlichen?

Wir Freie Demokraten wollen die Chancen der Gen- und Biotechnologie in ganz Europa nutzbar machen, neue Technologien anwenden und die weitere Entwicklung mit einem klaren Rechtsrahmen begleiten. Der Durchbruch beim Corona-Impfstoff hat erneut gezeigt, wie wichtig die Gentechnik-Forschung ist. Die Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts zur Lösung verschiedener gesellschaftlicher Herausforderungen – von der Bekämpfung seltener Krankheiten über Hungerkrisen bis Klimawandel. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: Medizin (rote Biotechnologie), Pflanzenzüchtung beziehungsweise Landwirtschaft (grüne Biotechnologie) und Industrie (weiße Biotechnologie). Nicht zuletzt die Genschere CRISPR/Cas9 eröffnet völlig neue Möglichkeiten, da sie die Bearbeitung von DNA-Bausteinen in höchster Präzision ermöglicht. Mit Chancen und Risiken neuer Entwicklungen der Biotechnologie wollen wir offen und transparent umgehen. Wir lehnen pauschalisierende Verbote ab und fordern stattdessen kontinuierliche Forschungsförderung sowie eine faktenbasierte, ergebnisoffene Bewertung neuer Technologien. Mit einer Biotechnologie-Agenda wollen wir eine Grundlage für den Einsatz der Biotechnologie in der EU schaffen.

Die Produktion von Biomasse wird bis 2050 schätzungsweise 40-70 % hinter ihrem Bedarf liegen. Halten Sie eine Priorisierung der Ressourcenverteilung für nötig und welche bio-basierten Industrien sind ihrer Einschätzung nach am förderungswürdigsten bzw. welche Kriterien sind für Sie ausschlaggebend?

Einen staatlichen Eingriff zur Frage, welche Ressourcen an wen zu welchen Bedingungen verteilt werden dürfen, lehnen wir ab. Es braucht einen marktwirtschaftlichen Ansatz, um dem Bedarf gerecht zu werden. Hierbei stehen wir den Potentialen sämtlicher Energieträger technologieoffen gegenüber.

Die EU bezeichnet die Kreislaufwirtschaft als Voraussetzung zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050. Was ist Ihre Vision für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Industrie und wie kann synthetische Biologie Ihrer Auffassung nach dazu beitragen diese zu realisieren?

Für uns Freie Demokraten ist die Kreislaufwirtschaft und die damit einhergehende Ressourceneffizienz zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Industrie. Dabei schreiben wir der synthetischen Biologie ein großes Innovationspotential – beispielsweise in der Medizin, bei der Entwicklung nachhaltiger Materialien oder bei der Nahrungsmittelproduktion – zu. Ferner braucht es für eine möglichst effiziente Kreislaufwirtschaft neben dem konventionellen auch den Hochlauf des chemischen Recyclings.

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