dbb beamtenbund und tarifunion
Was ist Ihre Haltung zur Aufnahme weiterer europäischer Staaten in die Europäische Union?
Wir Freie Demokraten sehen in der EU-Beitrittsperspektive ein zentrales Instrument, um Demokratie, innere und äußere Sicherheit, politische Stabilität und wirtschaftlichen Wohlstand in Europa langfristig zu sichern. Doch nur wenn die Kandidaten vor einem Beitritt tatsächlich alle Bedingungen erfüllen, kann ihr Beitritt zu einem Erfolg werden, der die Europäische Union nach innen wie nach außen stärkt. Während des Beitrittsprozesses gilt es, jeden Kandidaten individuell und strikt anhand seiner Fortschritte zu beurteilen. Eine Aufnahme durch die EU ist möglich, sobald ein Kandidat alle Kopenhagener Kriterien lückenlos erfüllt. Parallel dazu muss sich auch die EU institutionell erneuern und beitrittsfähig machen, zum Beispiel durch eine deutlich verkleinerte EU-Kommission.
Welche konkreten Reformvorstellungen haben Sie für die EU-Institutionen?
Wir Freie Demokraten wollen mehr Transparenz und Effizienz in der EU und die EU mit mutigen Reformen nach innen stärken sowie nach außen handlungsfähiger machen. Dafür fordern wir unter anderem eine verkleinerte Kommission mit 18 Ministern sowie ein Parlament mit einem Sitz in Brüssel, einem Vorschlagsrecht für den Kommissionspräsidenten und mit einer Gesetzesinitiativbefugnis. Ebenso setzen wir uns dafür ein, dass Entscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) künftig mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik wollen wir institutionell zu einem echten EU-Außenminister aufwerten. Dieser soll für alle zentralen Bereiche der europäischen Außenpolitik zuständig sein und koordinierend für mehr Kohärenz und Effizienz der EU und ihrer Mitgliedstaaten sorgen. Außerdem soll ein politischer Stellvertreter für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eingesetzt werden, der wie der Hohe Vertreter selbst den Rang eines Kommissars haben soll.
Soll die EU mehr Macht bekommen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedstaaten zu schützen? Wenn ja, wie?
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind fundamentale Werte der EU, die wir nach innen sowie außen verteidigen müssen. Wir Freie Demokraten setzen uns deshalb dafür ein, alle zur Verfügung stehenden EU-Instrumente zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten konsequent zu nutzen und bei gravierenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Fördermittel entsprechend zu kürzen. Darüber hinaus wollen wir den Rechtsstaatsmechanismus stärken. Künftig soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Antrag eines Mitgliedstaats, der Kommission oder des Parlaments EU-Gelder einfrieren können. Ebenso wollen wir den Rechtstaatsmechanismus auf die Verletzung aller Werte der Union ausweiten, unabhängig davon, ob EU-Gelder betroffen sind.
Wie wichtig ist Ihnen die Europäische Säule sozialer Rechte, und welche weiteren Umsetzungsschritte fordern Sie?
Die Europäische Säule sozialer Rechte ist ein gemeinsamer Kompass für ein koordiniertes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten im Bereich Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Wir Freie Demokraten begrüßen, dass die Schaffung der Europäischen Säule sozialer Rechte keine Ausweitung der Kompetenzen der EU vorsieht. Denn wir sind überzeugt, dass Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu Recht Aufgabe der Mitgliedstaaten sind.
Was sind Ihre Ideen für die Verwaltungszusammenarbeit in Europa?
Steuerbetrug verursacht den EU-Mitgliedstaaten jährliche Schäden in Milliardenhöhe. Dies führt nicht nur zu einer Verzerrung des Wettbewerbs, sondern beschädigt auch das Vertrauen in die europäischen Steuersysteme. Eine gute Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Steuer- und Zollverwaltungen ist für die Aufdeckung und Bekämpfung von Steuerbetrug in der Europäischen Union wichtig. Die Digitalisierung ist dabei ein wesentliches Element, um den Informationsaustausch sicherzustellen.
Deutschland hat seit Jahren zu wenige Interessenten für den europäischen öffentlichen Dienst, ist inzwischen in einigen Bereichen unterrepräsentiert. Wie wollen Sie das ändern?
Nicht nur der europäische Öffentliche Dienst hat mit offenen Stellen zu kämpfen - auch auf nationaler Ebene finden sich häufig nicht genug geeignete Bewerberinnen und Bewerber, um alle in der Verwaltung notwendigen Aufgaben zu übernehmen. Wir Freie Demokraten treten deshalb für einen attraktiven Öffentlichen Dienst ein, der mit flexiblen Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten für junge Menschen interessant ist. Um den Dienst für die EU bekannter zu machen, müssen potenzielle Interessentinnen und Interessenten zukünftig besser über die Möglichkeiten informiert werden, auf europäischer Ebene zu arbeiten und sich beruflich weiterzuentwickeln. Denn bislang sind die europäischen Karrierewege vielen möglichen Bewerberinnen und Bewerbern nicht bekannt.
Wie wollen Sie die europäische Asyl- und Migrationspolitik fortentwickeln?
Wir wollen die EU-Asylreform zum Erfolg führen und mit schnelleren Asylverfahren und konsequenten Rückführungen irreguläre Migration wirksam reduzieren. Dies wollen wir unter anderem mit der Einrichtung von Asylzentren an den EU-Außengrenzen erreichen. Darüber hinaus wollen wir es ermöglichen, dass Asylverfahren in sicheren Drittstaaten durchgeführt werden können - selbstverständlich unter Gewährleistung humanitärer und rechtsstaatlicher Standards. Wir befürworten verstärkte Bemühungen, Migrationsabkommen mit Drittstaaten zu schließen. Zusätzlich muss die europäische Grenzschutzagentur Frontex weiter gestärkt und ihr Ausbau beschleunigt werden, begleitet von einer strukturellen Reform sowie einer Erweiterung von Kontroll- und Transparenzmechanismen. Denn die Mitgliedstaaten werden die erforderlichen Grenzschutzmaßnahmen nicht alleine leisten können. Eine starke europäische Grenzschutzagentur, die sie hierbei unterstützt, ist im Interesse aller Mitgliedstaaten. Frontex soll perspektivisch auch die Seenotrettung im Mittelmeer übernehmen.
Welche Bedeutung hat die EU für die Digitalisierung der öffentlichen Dienste in Deutschland? Welche Rolle kann Europa hier in Zukunft spielen?
Die EU spielt eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen. Eine digitale Bereitstellung von Dienstleistungen muss bereits auf europäischer Ebene mitgedacht werden, wenn Verordnungen und Richtlinien entstehen. Gleichzeitig können europarechtliche Vorgaben häufig eine Bremse bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen sein. Deshalb braucht es auch einen Bürokratieabbau mit Blick auf die digitale Bereitstellung von Verwaltungsleistungen, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene.