Europaverband der Selbständigen - Deutschland (ESD) e.V.
Was sind die programmatischen Schwerpunkte der KMU-Europapolitik Ihrer Partei?
Wir Freie Demokraten setzen wir uns dafür ein, dass die EU einen echten Mittelstandskommissar bekommt, der sich um faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie um Bürokratieabbau kümmert. Er muss sicherstellen, dass auf EU-Ebene keine Regelungen eingeführt werden, die von Mittelständlern nicht umgesetzt werden können, und Vorschläge für die Änderung oder Abschaffung bestehender Regelungen erarbeiten, wenn sie den Mittelstand über Gebühr belasten. Jedes Gesetzgebungsverfahren soll außerdem zukünftig einen KMU-Test durchlaufen, der die potentiellen Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kritisch durchleuchtet. Denn der Mittelstand ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und Antrieb für Wachstum, Innovation und Wohlstand. Die KMU-Definition auf EU-Ebene wollen wir an die Lebensrealität anpassen. Unternehmen mit mittelgroßer Kapitalisierung („Small Mid Caps“) und größerer Kapitalisierung („Mid Caps“) sollen zukünftig ebenfalls als europäischer Mittelstand definiert werden. Zudem muss die Mitarbeitergrenze von 250 auf 1.250 Mitarbeiter angehoben werden.
Welche sind die nach Ihrer Ansicht drei relevantesten europapolitischen Themen der neuen Legislaturperiode für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen in Deutschland und Europa?
Wir Freie Demokraten wollen auch für die selbständige Erwerbsarbeit eine Wirtschaftswende einleiten. Wir fordern eine grundlegende Reform des Statusfeststellungsverfahren mit klaren gesetzlichen Positivkriterien für Selbständigkeit. Darüber hinaus muss sich die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Krankenversicherung an den vergleichbaren Entgelten von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten orientieren. Schließlich wollen wir einen einkommenssteuerlichen Nachteilsausgleich für Selbständige einführen, indem wir schwankende Einnahmen über mehrere Jahre so glätten, dass eine höhere Steuerbelastung aufgrund von Auftragsschwankungen vermieden wird. Den Versuch über von der Leyens EU-Plattformrichtlinie alle Solo-Selbstständigen mit einer Beweislastumkehr und einer Beschäftigungsvermutung unter einen Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit zu stellen, werden wir in dieser Form in der nationalen Umsetzung unterbinden.
Von besonderer Bedeutung ist für uns der konsequente Abbau von Bürokratie – insbesondere auch für alle Selbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen. Dazu fordern wir einen „Bureaucracy Reduction Act“. Wir wollen die Wirtschaft von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien. Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der „One in, two out“-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden.
Welche mittelstandspolitischen Erfolge, insbesondere hinsichtlich der Entlastung und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen, konnten Sie in der vergangenen Legislaturperiode durchsetzen bzw. anstoßen?
Wir Freie Demokraten haben wesentliche Schritte unternommen, die der Wirtschaft und speziell auch den Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen zugutekommen. Hierzu ist übergeordnet zu erwähnen, dass wir für die Einhaltung der Schuldenbremse einstehen. Dies schafft für alle Wirtschaftsteilnehmer Planungssicherheit und ist ein Beitrag zu Generationengerechtigkeit. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz hat Finanzminister Christian Lindner wichtige Verbesserungen für einen attraktiven Gründungsstandort auf den Weg gebracht. Ein zentraler Baustein ist ein höherer Freibetrag bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Damit können Unternehmen Mitarbeiter durch eine größere Partizipation am wirtschaftlichen Erfolg gewinnen und stärker an sich binden. Mit dem Meseberger Entbürokratisierungspaket hat die FDP in der Bundesregierung Bürokratieentlastungen von mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr für die Unternehmen auf den Weg gebracht. Davon entfällt rund eine Milliarde Euro auf das vierte Bürokratieentlastungsgesetz. Damit verkürzen wir z. B. die Aufbewahrungsfristen von handels- und steuerrechtlichen Buchungsbelegen von zehn auf acht Jahre. Bei vielen Vorgängen entfallen Schriftformerfordernisse und es wird keine eigenständige Unterschrift mehr vorausgesetzt. Zudem heben wir die Grenze für die monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldung von 7.500 auf 9.000 Euro an.
Wie steht Ihre Partei zum KMU-Hilfspaket der EU-Kommission und welche weitergehenden Vorschläge zur darüberhinausgehenden Förderung der Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen haben Sie?
Wir Freie Demokraten begrüßen, dass KMU aus Sicht der EU-Kommission stärker in den Fokus genommen werden und unterstützen jedwede Maßnahmen, die dazu beitragen, dass KMU von Bürokratie entlastet werden und wieder das tun können, was ihnen am wichtigsten ist: sich um ihre Kunden kümmern. Wie zuvor bereits erwähnt, setzen wir uns für einen echten Mittelstandskommissar, der sich um faire Wettbewerbsbedingungen für KMU und um Bürokratieabbau kümmert, einen KMU-Test für Gesetzgebungsverfahren sowie eine Anpassung der KMU-Definition auf EU-Ebene ein.
Welche konkreten Maßnahmen zur bürokratischen Entlastung für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen streben Sie an?
Selbständige, kleineste und kleine Unternehmer sind wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Die Schaffenskraft, die Kreativität und der unermüdliche Einsatz von Selbstständigen, Gründern und Unternehmern verdienen mehr Anerkennung und bessere Rahmenbedingungen. Wir Freie Demokraten setzen uns für faire Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter ein. Wir fordern eine grundlegende Reform des Statusfeststellungsverfahren mit klaren gesetzlichen Positivkriterien für Selbständigkeit. Darüber hinaus muss sich die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Krankenversicherung an den vergleichbaren Entgelten von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten orientieren. Zudem wollen wir die EU-Arbeitszeitrichtlinie flexibilisieren und die EU-Entsenderichtlinie reformieren. Die erheblichen bürokratischen Pflichten, das heißt die Erfüllung der Meldepflicht gegenüber dem jeweiligen Land und den Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit (A1-Bescheinigung), wollen wir auf schutzwürdige Sachverhalte begrenzen und wir wollen insbesondere alle kurzen beruflichen Reisen und Entsendungen von der Richtlinie ausnehmen. Wir treten generell dafür ein, Dokumentations- und Berichtspflichten zu reduzieren und fordern ein einheitliches digitales Meldeportal, das Unternehmen relevante Informationen gebündelt bereitstellt und eine unkomplizierte zentrale Einreichung von Berichten ermöglicht.
Welche konkreten Maßnahmen zur Vereinfachung von Steuervorschriften für grenzüberschreiend tätige Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen schlagen Sie vor?
Als Freie Demokraten ist es uns ein Herzensanliegen, bürokratische Hürden abzubauen. Hierzu zählen auch Vereinfachungen von Steuervorschriften, um grenzüberschreitendes Arbeiten zu erleichtern. Um moderne, selbstbestimmte Arbeitsmodelle – insbesondere Remote-Work im europäischen Ausland – rechtssicher zu ermöglichen, wollen wir die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie grundlegend reformieren. Wir wollen zudem die Kapitalmarktunion vertiefen und Barrieren für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte in der EU abbauen sowie den Zugang von KMU zum Kapitalmarkt erleichtern.
Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie die Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen?
Wir Freie Demokraten wollen Digital-Freiheitszonen nach europäischem Recht schaffen: Durch Experimentierräume und Öffnungsklauseln wollen wir grenzüberschreitende „Sonderwirtschaftszonen“ für digitale Ausgründungen von Unternehmen, Start-ups und Spin-offs schaffen. Die Rechtsformen des Europäischen Gesellschaftsrechts wollen wir ausweiten (Europäische Privatgesellschaft [SPE], Europäischer Verein), um Unternehmen bessere Rahmenbedingungen und passendere Rechtsformen zu ermöglichen. Wir fordern außerdem ein einheitliches digitales Meldeportal, das Unternehmen relevante Informationen gebündelt bereitstellt und eine unkomplizierte zentrale Einreichung von Berichten ermöglicht. Darüber hinaus sollen gemäß der Digitalstrategie der Bundesregierung bundesweit aufgestellte und agierende „Zukunftszentren“ insbesondere KMU und ihre Beschäftigten sowie (Solo-)Selbstständige in der digitalen Transformation mit passgenauen Analysen, Beratungs- und innovativen Qualifizierungsangeboten unterstützen.
Welche konkreten Maßnahmen fordern Sie speziell zur Unterstützung der Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI?
In Künstlicher Intelligenz (KI) sehen wir Freie Demokraten eine große Chance für die Zukunft. Von zentraler Bedeutung ist, dass wir KI innovationsfreundlich – gerade mit Blick auf die Chancen für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen – regulieren und Innovationen nicht durch Verbote ausbremsen. Die FDP setzt sich daher für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Wir wollen die Zusammenarbeit starker europäischer Forschungsstandorte bei KI fördern. KI-Reallabore, in denen KI-Entwickler ihre Systeme in einem kontrollierten Umfeld testen können, wollen wir schnellstmöglich europaweit einrichten. Wir wollen zudem den Einsatz digitaler Innovationen in der Verwaltung voranbringen und die notwendigen Rechtsgrundlagen und Transparenz schaffen.