International Campaign for Tibet / Tibet Initiative Deutschland

Welche Konsequenzen sollten die weit verbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen, die von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in Tibet begangen werden, für die Beziehungen zwischen der EU und China haben?

Die FDP plädiert für einen realistischen und selbstbewussten Umgang mit China, der Menschenrechtsverletzungen klar adressiert. Menschenrechte und das geltende Völkerrecht müssen ein unverhandelbares Gut in den Beziehungen zwischen der EU und China sein. Die zunehmend systematischen Verstöße Chinas gegen universell geltende Menschenrechte der eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie gegen die von der Volksrepublik China ratifizierten Menschenrechtsverträge bereiten uns zunehmend Sorge. Dies gilt für die Unterdrückung von Minderheiten und Demonstranten, die fehlende Rechtsstaatlichkeit, die staatliche Zensur und Missachtung der Informations-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie für Folter oder die Todesstrafe. Anhand von Gesetzen, Überwachung, Gewalt und Verfolgung versucht Peking sogenanntes unerwünschtes Verhalten und zivilgesellschaftliches Engagement im Keim zu ersticken. Deshalb haben wir uns auf EU- und Bundesebene für die Einführung eines individuellen Sanktionsmechanismus eingesetzt, der es ermöglicht, Sanktionen gegen Einzelpersonen und Einheiten weltweit zu verhängen, die nachweislich an schwersten Menschenrechtsverstößen beteiligt waren. Wir setzen uns für eine konsequente und verstärkte Anwendung der Sanktionsreglung ein, damit Täter sich nirgendwo in Sicherheit wägen können. Dies betrifft selbstverständlich auch die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverbrechen in Tibet. 

Unterstützen Sie die Ausweitung der Sanktionen im Rahmen der globalen Menschenrechtssanktionsregelung der EU auf Personen und Einrichtungen, die für Menschenrechtsverletzungen in Tibet verantwortlich sind?

Für uns Freie Demokraten ist es nicht hinnehmbar, dass Menschenrechtsverletzungen trotz belastbarer Beweise oft ungeahndet bleiben. Wir setzen uns entschieden gegen eine Kultur der Straflosigkeit ein.

Um gegen Menschenrechtsverstöße gezielt vorgehen zu können, haben wir uns auf EU- und Bundesebene für die Einführung eines individuellen Sanktionsmechanismus eingesetzt, der es ermöglicht, Sanktionen gegen Einzelpersonen und Einheiten weltweit zu verhängen, die nachweislich an schwersten Menschenrechtsverstößen beteiligt waren. Die Sanktionen umfassen die Verhängung von individuellen Einreiseverboten sowie das Einfrieren von Vermögenswerten und Konten einzelner Personen.

Aus Sicht der Freien Demokraten markierte die Einführung der Globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte einen Meilenstein, der die Entschlossenheit der EU unterstreicht, ihre Rolle bei der Bekämpfung schwerer Menschenrechtsverletzungen weltweit, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, Sklaverei, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Verschwindenlassen oder Menschenhandel, zu stärken. Die Beendigung dieser Verbrechen muss eine der wichtigsten Prioritäten der EU darstellen. Gerade mit Blick auf die von China begangenen Menschenrechtsverletzungen fordern wir mit Nachdruck, dass nicht davor zurückgeschreckt werden darf, personenbezogene Sanktionen noch konsequenter einzusetzen. Dies muss selbstverständlich auch die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverbrechen in Tibet betreffen.

Werden Sie Entschließungen des Europäischen Parlaments zu den Menschenrechtsverletzungen in Tibet unterstützen?

Für uns Freie Demokraten ist klar, dass wir uns für die Rechte der Tibeterinnen und Tibeter einsetzen und die brutaler werdenden Repressionen des chinesischen Regimes in Tibet nicht stillschweigend hinnehmen werden. Dies kann im Rahmen parlamentarischer Anhörungen, Entschließungen, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen und politischen Stiftungen bzw. im öffentlichen Raum geschehen. Klar ist: Religions- und Meinungsfreiheit sowie die Menschenrechte und der Schutz ethnischer und religiöser Minderheiten dürfen von China nicht mit Füßen getreten werden. 

Im Europäischen Parlament wenden wir uns entschieden gegen die Entführung tibetischer Kinder und gegen die Zwangsassimilation durch chinesische Internate in Tibet und prangern die Politik Pekings an, die darauf abzielt, die unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen und religiösen Traditionen der Tibeter und anderer Minderheiten zu beseitigen. Wir setzen uns für eine liberale Menschenrechtspolitik ein und fordern die Prüfung von Sanktionen gegen Verantwortliche.

Wir stehen für einen realistischen, selbstbestimmten und gleichzeitig härteren Kurs gegenüber China ein, der beinhaltet, dass wir China konstant an seine menschenrechtlichen Verpflichtungen erinnern und nicht zulassen, dass China die eindeutige Botschaft der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwässert. 

Werden Sie sich für die Wiedereinsetzung der Tibet Intergroup des Europäischen Parlaments für die Legislaturperiode 2024-2029 einsetzen?

Wir bekennen uns als Freie Demokraten zur Ein-China-Politik, plädieren jedoch für einen realistischen und selbstbewussten Umgang mit China, der Menschenrechtsverletzungen einschließlich derer, die an den Tibeterinnen und Tibetern begangen werden, klar und anhaltend adressiert. Menschenrechte müssen ein unverhandelbares Gut in den Beziehungen zwischen der EU und China sein.

Um ein wahrheitsgetreues Bild über die Lage in Tibet zu erlangen und Betroffenen eine Stimme zu geben, liegt uns der parlamentarische Austausch mit Tibeterinnen und Tibetern auf EU- und Bundesebene am Herzen. Abgeordnete der FDP treffen sich regelmäßig mit Angehörigen dieser verfolgten Volksgruppe, um ihren Sorgen, Erfahrungen und Empfehlungen Gehör zu verschaffen und gemeinsam zu eruieren, wie Menschenrechtsverletzungen wirksam angegangen werden können. Wir sind bestrebt, auch künftig derartige Austauschformate aufrechtzuerhalten.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die chinesische Regierung dazu zu bewegen, den sino-tibetischen Dialog wiederaufzunehmen?

Wir Freie Demokraten befürworten und unterstützen den friedlichen Weg des Dalai Lama und der Tibeterinnen und Tibeter, über ein Miteinander „ohne jede Trennung von China“ in einen ernsthaften Dialog zu treten. Diesen offenen Dialog mit den legitimen Vertreterinnen und Vertretern der Tibeter wird das Regime in Peking auf Dauer nicht verweigern können, ohne selbst weiteren Schaden zu nehmen.

Aus diesem Grund fordern wir die chinesische Regierung dazu auf, mit den Tibetern in einen erneuten Dialog einzutreten und ihren Wunsch nach größtmöglicher Autonomie sowie die Rechte der Tibeter auf Religionsfreiheit, Schutz ihrer Kultur und Sprache zu respektieren. Von zentraler Bedeutung ist für uns auch der freie Zugang von Diplomaten, Journalisten und NGOs nach Tibet. Entsprechend werden wir uns im Europäischen Parlament dafür einsetzen, dass die Forderung danach in den Gesprächen mit der chinesischen Regierung solange wiederholt wird, bis der freie Zugang gewährt wird.

2023 hat das Europäische Parlament das chinesische Zwangsinternats-System in Tibet verurteilt. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie auf EU-Ebene, um den Schutz der Kinderrechte in Tibet und der tibetischen Kultur zu gewährleisten?

Der „Entschließungsantrag zur Entführung tibetischer Kinder und Praktiken der Zwangsassimilation in chinesischen Internatsschulen in Tibet“ im Europäischen Parlament (2023), der mit Stimmen von FDP-Abgeordneten angenommen wurde, stellt einen wichtigen Schritt dar, um den Fokus der Öffentlichkeit auf das Thema zu lenken. 

Wir lehnen die repressive Assimilationspolitik in ganz China und das System der Internatsschulen in Tibet ab. Ziel der Politik Pekings ist es, die charakteristischen sprachlichen, kulturellen und religiösen Traditionen von Tibetern und anderen Minderheiten zu beseitigen. Wir fordern die sofortige Abschaffung des für Kinder in Tibet obligatorischen Systems der Internatsschulen und der praktizierten Trennung von ihren Familien. 

Die Tatsache, dass die chinesischen staatlichen Stellen ein weitreichendes System de facto obligatorischer, stark politisierter Internatsschulen für Kinder eingerichtet haben, in denen sie Pflichtunterricht in chinesischer Sprache erhalten, ohne die Möglichkeit zu haben, die tibetische Sprache, Geschichte und Kultur zu erlernen, ist sehr besorgniserregend. Wir wollen die Praktiken der Zwangsassimilation in chinesischen Internatsschulen u.a. von tibetischen Kindern weiter aufmerksam beobachten und im Europäischen Parlament auf die Agenda setzen. Denn Öffentlichkeit bedeutet Schutz.

Gleichzeitig müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten das Thema der Menschenrechtsverletzungen in China, insbesondere die Lage in Tibet, im politischen Austausch und in den Menschenrechtsdialogen mit den chinesischen staatlichen Stellen ansprechen. Gegen chinesische Amtsträger, die mit dem System der Internatsschulen in Tibet in Verbindung stehen, müssen auf EU-Ebene gezielte Sanktionen wie Visabeschränkungen verhängt werden.

Werden Sie sich für einen gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union gegen die Einmischung der chinesischen Regierung in die Nachfolgeregelung des Dalai Lama einsetzen?

Wir Freie Demokraten sind der Ansicht, dass die Bestimmung des Nachfolge-Dalai Lama eine religiöse Angelegenheit ist, die von der Religionsfreiheit gedeckt ist und damit Aufgabe der zuständigen tibetischen religiösen Institutionen und Autoritäten ist. Entsprechend darf sich die chinesische Regierung nicht in die Benennung (bzw. Reinkarnation) des Religionsführers einmischen.

Auf EU- und Bundesebene haben die Freien Demokraten die chinesischen Staatsorgane daher nachdrücklich dazu aufgefordert, nicht länger in die Ernennung des geistigen Führers der Tibeter einzugreifen. Die chinesische Regierung muss den Kontakt mit den Vertretern des 14. Dalai Lama wieder aufnehmen.

Zusätzlich haben wir die chinesische Regierung aufgefordert, dem aus politischen Gründen an einem nicht bekannten Ort festgehaltenen Panchen Lama endlich die Kontaktaufnahme mit der Außenwelt zu ermöglichen, Beobachtern sowie Vertretern der Vereinten Nationen muss der Zugang zu ihm gewährt werden. Gleichzeitig betonen die Freien Demokraten das Recht des tibetischen Volks, seine religiösen Oberhäupter selbst zu bestimmen.

Was werden Sie auf EU-Ebene unternehmen, um EU-Bürger und Menschen, die vor der Verfolgung durch die chinesische Regierung geflohen sind, vor transnationaler Repression durch China zu schützen?

Die Volksrepublik setzt ihre Narrative nicht nur mit Soft-Power-Instrumenten um. China bedroht die Sicherheit derjenigen, die es wagen, sich gegen das Regime auszusprechen, weswegen auch Chinas transnationale Repressionen gegen Exil-Communities und Dissidenten, z. B. aus Tibet, Hongkong oder China, in den letzten Jahren besorgniserregend zugenommen haben.

Abgeordnete der FDP treffen sich regelmäßig mit Angehörigen dieser verfolgten Volksgruppen, um ihren Sorgen, Erfahrungen und Empfehlungen Gehör zu verschaffen und gemeinsam zu eruieren, wie dieses Problem wirksam angegangen werden kann. In Treffen mit relevanten Stakeholdern lenken wir regelmäßig die Aufmerksamkeit auf transnationale Repressionen seitens autoritärer Regime.

Die FDP setzt sich dafür ein, dass Angehörige von Exil-Communities sich ohne Einschränkungen frei und kritisch äußern und bewegen können, ohne Repressionen durch chinesische Sicherheitsorgane ausgesetzt zu sein. Dabei sehen wir vor allem die europäischen Rechtsstaaten in der Pflicht, die Spionage, Bedrohungen und Erpressungen durch China aufzudecken und zu ahnden. In Deutschland könnten zentrale Kompetenzstellen bei den Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern sowie bei Bundes- und den Landeskriminalämtern oder eine behördenübergreifende Strategie zum Schutz von verfolgten Menschenrechtsverteidigern wirksame Instrumente sein, um dieser Gefahr effektiv entgegenzuwirken. Auf EU-Ebene werden wir das Thema adressieren und mit unseren europäischen Partnern die Wirksamkeit solche Ansätze besprechen.

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