GVP e.V.

Über Zeitarbeit werden Menschen in Beschäftigung integriert, die es auf dem Arbeitsmarkt ansonsten schwer haben. Gleichzeitig stellt Zeitarbeit der Wirtschaft passgenau und schnell benötigtes Personal zur Verfügung. Werden Sie dieses „Erfolgsmodell“ im Europaparlament unterstützen?

Zeitarbeit soll beschäftigungswirksamer, wirtschaftlicher und flexibler gestaltet werden. Gerade um Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren und zu qualifizieren, brauchen kleinere und mittlere Unternehmen Unterstützung. Hier können Zeitarbeitsunternehmen starke Partner sein. Daher müssen wir auch das Beschäftigungsverbot von Angehörigen aus Drittstaaten in der Zeitarbeit abschaffen. Dafür setzen wir uns ein.

Die EU-Zeitarbeitsrichtlinie sieht in der Zeitarbeit eine erwünschte Arbeitsform, die sowohl den Flexibilitätsbedürfnissen der Arbeitnehmenden als auch der Unternehmen entgegenkommt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja. Wir Freie Demokraten wollen, dass Zeitarbeit dieselbe Wertschätzung erfährt wie jede andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch. Wie in allen anderen Branchen müssen dabei sämtliche gesetzlichen Pflichten eingehalten werden.

Zeitarbeit sichert Teilhabe für die Beschäftigten und Flexibilität für die Unternehmen. Unnötige gesetzliche Sondervorschriften zur Zeitarbeit behindern aber die Integrationsfunktion der Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt und führen zu zusätzlicher Bürokratie. Das wollen wir ändern und zum Beispiel die Höchstüberlassungsdauer aufheben. 

Die EU-Zeitarbeitsrichtlinie schreibt den Gleichbehandlungsgrundsatz für Zeitarbeitskräfte fest. In Deutschland bestimmen einschlägige Tarifverträge die Arbeitsbedingungen. Werden Sie sicherstellen, dass die Tarifautonomie unangetastet bleibt?

Wir Freie Demokraten wollen die Tarifautonomie in der Arbeitnehmerüberlassung stärken. Zeitarbeit verdient dieselbe Wertschätzung wie jede andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch. Unnötige gesetzliche Sondervorschriften zur Zeitarbeit behindern aber die Integrationsfunktion der Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt und führen zu zusätzlicher Bürokratie. 

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass das deutsche Arbeitgebersystem für die Zeitarbeit (Festanstellung der Zeitarbeitskräfte beim Zeitarbeitsunternehmen) zusammen mit den bestehenden Tarifwerken den Gesamtschutz von Zeitarbeitskräften wahrt. Sehen Sie das auch so?

Wir Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass Deutschland auch in Zukunft einen flexiblen Arbeitsmarkt braucht. Der Gesamtschutz von Zeitarbeitskräften in Deutschland ist ausweislich der Feststellung des Bundesarbeitsgerichts auf Basis einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 31. Mai 2023 gegeben. Die Zeitarbeit ist ein wichtiges Instrument auf dem Arbeitsmarkt und bietet eine Chance für die Beschäftigten, eine Qualifikation am Arbeitsplatz zu erwerben.

Für Menschen ohne Arbeit ist Zeitarbeit ein Sprungbrett aus der Arbeitslosigkeit heraus in Beschäftigung. Gerade für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose und Ältere – also für die Gruppen, die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben – und Jugendliche eröffnen sich so Möglichkeiten, in den Arbeitsmarkt zu gelangen.

In Deutschland gibt es sektorale Verbote für die Zeitarbeit, z.B. im Bauhauptgewerbe und in der Fleischindustrie. Werden Sie sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass diese Verbote überprüft werden?

Die Zeitarbeit in Deutschland ist ein wirkungsvolles und effizientes Instrument, um arbeitslose Menschen in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Zudem ist in keiner anderen Branche die Tarifbindung so hoch wie bei der Zeitarbeit. 

Unser Ziel ist es, jegliche überflüssigen und bürokratischen Vorschriften abzubauen und den Arbeitsmarkt generell flexibler zu gestalten, um Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu schaffen. Daher sollten grundsätzlich sektorale Verbote überprüft werden.

In der „La Hulpe“-Erklärung werden Maßnahmen gefordert, die grenzüberschreitende Zeitarbeit betreffen. Welche Initiativen halten Sie für sinnvoll?

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein , dass die Wirtschaft in der EU im Ganzen sowie die Arbeitsmärkte und die Sozialsysteme zukunftssicher sowie robuster und widerstandfähiger gegen unerwartete Krisen werden. Wirtschaftliches Wachstum, verbunden mit fortwährenden Innovationen und freiem Zugang zum Markt sind dafür essentiell.

Wir sind überzeugt, dass Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu Recht Aufgabe der Mitgliedstaaten ist (Subsidiaritätsprinzip). Nur in Fragen, die tatsächlich eine erhebliche grenzüberschreitende Bedeutung für den Binnenmarkt oder die Freizügigkeit haben, ist die EU politisch gefordert.

 

 

In Deutschland bestehen auch einige Einschränkungen für die Zeitarbeit. Die gravierendsten bestehen bei der Beschäftigung von sogenannten Drittstaatlern und beim Bezug von Kurzarbeitergeld. Werden Sie sich auf EU-Ebene dafür stark machen, diese Einschränkungen zu überprüfen?

Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung ist eine starke Antwort auf eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir haben in Deutschland allerdings nicht nur ein Fach- sondern ein generelles Arbeitskräfteproblem. Deshalb müssen wir jetzt Tempo bei der Umsetzung machen. Die Westbalkanregelung wollen wir auf andere Staaten bei bestehendem Migrationsabkommen ausweiten und das Kontingent entsprechend der Reform der Fachkräfteeinwanderung auf 50.000 Menschen verdoppeln. Um Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren und zu qualifizieren, brauchen gerade kleinere und mittlere Unternehmen Unterstützung. Hier können Zeitarbeitsunternehmen starke Partner sein. Daher müssen wir auch das Beschäftigungsverbot von Angehörigen aus Drittstaaten in der Zeitarbeit abschaffen.

Deutschland hat 2016/2017 eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt. Eine solche Höchstüberlassungsdauer findet sich allerdings nicht in der EU-Zeitarbeitsrichtlinie, die nur von „vorübergehend“ spricht. Ist die deutsche Höchstüberlassungsdauer für Sie europarechtskonform?

Gemäß § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG kann die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche abweichend geregelt, d. h. verkürzt oder verlängert werden. Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – insoweit Rechtssicherheit geschaffen. 

zur Übersicht der Wahlprüfsteine