Metropolregion Rheinland e.V.
Kohäsionspolitik & Regionen: Wie sollte sich aus Ihrer Sicht, die europäische Kohäsionspolitik in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Wie bewerten Sie die Rolle von Metropolregionen für die Zukunftsfähigkeit der EU? Mit welchen Maßnahmen wollen Sie ihre Bedeutung im Institutionengefüge stärken?
Wir Freie Demokraten fordern eine grundlegende Reform der EU-Kohäsionspolitik, welche den Zusammenhalt zwischen den Regionen und zwischen den EU-Mitgliedstaaten fördern soll. Regionalpolitik nach dem Gießkannenprinzip ist dabei fehl am Platz. In der regionalen Entwicklungspolitik sowie in der Forschungs- und Innovationspolitik müssen auch länderübergreifende Kooperationen angestrebt werden. Dabei sind folgende Zieldimensionen zu berücksichtigen: Zum einen subsidiäre Unterstützung für schwache Regionen, damit ein Minimum an ökonomischer und sozialer Leistungskraft vor Ort gehalten und entwickelt werden kann. Zum anderen die Stärkung von Regionen mit Entwicklungspotential, damit deren Potentiale gehoben werden können. Bewährte Instrumente wie „Horizon Europe“, „InvestEU“ oder auch die Europäische Investitionsbank wollen wir schlagkräftiger machen. Außerdem sollen mehr Mittel des EFRE für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bereitgestellt werden. Insbesondere grenzübergreifende Investitionen in Infrastruktur und Verkehr sind nötig, um wirtschaftliche Potentiale regional und grenzübergreifend zu fördern. Wirtschaftsstarke und innovative Metropolregionen sind zentral für ein wettbewerbsfähiges Europa.
Energie & Klima: Wie bewerten Sie die Entwicklungen des EU-Energiebinnenmarktes? Wie soll eine neue TEN-E VO gestaltet sein, um die Bedarfe im Rheinland bestmöglich zu adressieren? Wie wollen Sie die Umsetzung des Green Deal weiterentwickeln - auch i.S. der Stärkung von Transformationsregion?
Die wachsende Integration des Energiebinnenmarktes ist eine Erfolgsgeschichte, die Deutschlands Versorgungssicherheit erhöht und für möglichst niedrige Preise sorgt. Der EU-Energiebinnenmarkt sollte daher ausgebaut und vertieft werden. Dazu ist ein zügiger Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur notwendig. Es sollte überprüft werden, ob Änderungen der TEN-E-Verordnung eine weitere Beschleunigung, beispielsweise des europäischen Wasserstoffnetzes oder von Offshore-Anbindungsleitungen, ermöglichen können. Davon würden insbesondere auch das Rheinland und angrenzende Regionen, die im Zuge der Dekarbonisierung von Stromerzeugung (Braunkohle), Fernwärme und Industrie einen hohen Bedarf an EE-Strom und Wasserstoff haben, besonders profitieren. Die zuletzt von der EU verabschiedete Strommarkt-Reform enthält richtige Ansätze, beispielsweise die Vereinfachungen für PPA, aber aus Sicht der FDP auch fehlerhafte Elemente, zum Beispiel den Fokus auf sogenannte Differenzkontrakte.
Wettbewerbsfähigkeit: Welche Konzepte haben Sie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit besonders energieintensiver Regionen? Welche Ansätze verfolgen Sie zur Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts, v.a. mit Blick auf Transformations- und Wettbewerbsherausforderungen industriestarker Standorte?
Um die Wettbewerbsfähigkeit besonders energieintensiver Regionen zu stärken, bedarf es künftig eines verstärkt marktwirtschaftlichen Ansatzes. Hohen Stromkosten hat die Koalition in Deutschland bereits durch die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß entgegengewirkt. Europa braucht zudem einen vollendeten gemeinsamen Energiebinnenmarkt. Das Wettbewerbsrecht als Kern eines offenen Binnenmarktes muss wieder gestärkt werden, um marktverzerrenden Subventionstendenzen in den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken. Auch in der Außenwirtschaftspolitik darf die Antwort, beispielsweise auf den IRA der Vereinigten Staaten, nicht eigene Subventionspolitik und protektionistische Maßnahmen sein, sondern eine Stärkung der Wettbewerbsbedingungen in Europa. Dazu gehören insbesondere ein radikaler Bürokratieabbau, Technologieoffenheit und innovationsfreundliche Regulierung, beispielsweise bei Künstlicher Intelligenz. Um den Ausbau von Infrastruktur und Erneuerbaren Energien voranzubringen, stellen wir auf EU-Ebene die Weichen für eine weitere Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dafür wollen wir z. B. Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) auf Vorhaben mit grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen beschränken.
Innovationsentwicklungen: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die technologische Innovation in der EU zu stärken? Welcher Anreiz könnte aus Ihrer Sicht geschaffen werden, damit deutsche Akteure sich auch auf regionaler Ebene stärker am EU-Rahmenprogramm beteiligen?
In Europa steckt die Energie, zum weltweiten Zentrum für bahnbrechende Innovationen und Spitzentechnologien zu werden. Wir Freie Demokraten setzen dabei auf Technologieoffenheit, damit Europas Wirtschaft im immer intensiveren Wettbewerb bestehen kann und für die besten Forscherinnen und Forscher attraktiv bleibt. Wir sprechen uns klar gegen pauschale Verbote und für einen Wettbewerb der besten Technologien aus. Wir setzen uns für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon Europe“ wollen wir weiterentwickeln und mit klaren Schwerpunkten insbesondere in den Bereichen Bio- und Gentechnologie, Energietechnik sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ausbauen. Mithilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen auf diesem Wege Investitionen mobilisiert werden. Mit der Weiterentwicklung des European Innovation Council zu einer Europäischen Agentur für Sprunginnovationen wollen wir für eine europaweit vernetzte, koordinierte Forschungspolitik sorgen und disruptive Innovationen fördern. Innovationscluster, wie „Brainport Eindhoven“ in den Niederlanden, in denen Wissenschaftsinstitute, Start-ups und High-Tech-Unternehmen eng zusammenarbeiten und Innovationen vorantreiben, können Vorbild für die gesamte EU sein. Wir treten zudem für Digital-Freiheitszonen nach europäischem Recht ein. Durch Experimentierräume und Öffnungsklauseln wollen wir grenzüberschreitende „Sonderwirtschaftszonen“ für digitale Ausgründungen von Unternehmen, Start-ups und Spin-offs schaffen. Gründerinnen und Gründern sowie jungen Unternehmen in der Wachstumsphase wollen wir in der EU eine nachhaltige Finanzierung ermöglichen. Insbesondere wollen wir eine europäische Venture-Capital-Verordnung durchsetzen, die beste Bedingungen für Wagniskapital schafft.
Freihandel: Wie wollen Sie die EU wieder zu einem stärkeren globalen Partner für andere Marktorte entwickeln? Welche konkreten Freihandelsabkommen erachten Sie mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit Europas für erforderlich?
Ein wichtiger Schlüssel für eine souveräne EU, die Wirtschaftswachstum, Innovationen und Wohlstand ermöglicht, ist Freihandel weltweit. Unser Ziel ist eine Weltfreihandelszone der Demokratien. Wir fordern einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA. Das Handelsabkommen mit Kanada (CETA) muss in allen EU-Ländern inklusive der Regelungen zum Investitionsschutz endlich vollständig ratifiziert werden. Wir setzen uns weiterhin für einen Abschluss des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten ein. Darüber hinaus muss das modernisierte erweiterte Rahmenabkommen zwischen der EU und Chile schnellstmöglich ratifiziert werden. Das Abkommen ist eine große Chance zur Diversifizierung von Rohstoffpartnerschaften und zudem eine wichtige Wertepartnerschaft. Mit Blick auf den Nahen Osten fordern wir, auf Basis des bestehenden Assoziierungsabkommens Gespräche über ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Israel aufzunehmen. Die EU ist der wichtigste Handelspartner Israels. Israel hat einen extrem starken Hochtechnologiesektor. Von einem Freihandelsabkommen würden beide Seiten stark profitieren. Bei der Zusammenarbeit mit den ASEAN-Staaten muss das langfristige Ziel eine gemeinsame Freihandelszone mit der EU sein. Mit Indien wollen wir mindestens ein Abkommen über einzelne Bereiche abschließen – Ziel bleibt ein umfassendes Freihandelsabkommen. Mit Taiwan streben wir ein Freihandels- und Investitionsabkommen an, ohne auf Fortschritte bei dem zu Recht auf Eis liegenden Investitionsabkommen mit China (CAI) zu warten.
Entbürokratisierung: Mit Hilfe welcher Maßnahmen wollen Sie die bürokratischen Lasten durch EU-Gesetzgebung in den kommenden fünf Jahren reduzieren? Welche Berichtspflichten wollen Sie bspw. konkret auf den Prüfstand stellen?
Wir Freie Demokraten wollen eine Trendwende für einen radikalen Bürokratieabbau einleiten. Dazu fordern wir einen „Bureaucracy Reduction Act“. Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der „One in, two out“-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden. Wir fordern hierfür eine systematische Erfassung der Bürokratiekosten resultierend aus EU-Rechtsvorschriften. Als Vorbild könnte der deutsche Bürokratiekostenindex dienen. Eine Übererfüllung von EU-Anforderungen, das sogenannte „Gold Plating“, lehnen wir ab. Wir fordern zudem, Gesetze und Verordnungen, wo möglich, mit einem konkreten Ablaufdatum, einer sogenannten „Sunset-Klausel“, zu beschließen. Bei der Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie müssen alle Spielräume genutzt werden, um unverhältnismäßige und praxisferne Belastungen für die Wirtschaft zu verhindern. Jedes Gesetzgebungsverfahren soll außerdem zukünftig einen KMU-Test durchlaufen, der die potentiellen Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kritisch durchleuchtet. Denn der Mittelstand ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und Antrieb für Wachstum, Innovation und Wohlstand. Auch sich überschneidende Berichtspflichten, die aus einem regelrechten Regulierungsdickicht resultieren, belasten Unternehmen unnötig. Wir fordern deshalb einen systematischen Berichtspflichten-Check durch die EU-Kommission, um doppelte Berichtspflichten zu identifizieren und zusammenzuführen oder abzuschaffen.
Fachkräfte & Transformationsregionen: Wie wollen Sie den Aktionsplan zur Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels mit Blick auf regionale Besonderheiten von Transformationsregionen weiterentwickeln?
Wir Freie Demokraten fordern angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Für gut integrierte Schutzsuchende muss es die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ in eine der beiden Säulen der Einwanderung in den Arbeitsmarkt geben. Zudem wollen wir Hürden für die Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU abbauen und insbesondere monatelange bürokratische Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Sprachbarrieren bei Verwaltungsvorgängen in der EU müssen abgebaut werden. Dazu wollen wir Englisch als zweite Verwaltungssprache in der Europäischen Union einführen. Wir wollen zudem die EU-Entsenderichtlinie modernisieren und vereinfachen. Wichtig ist uns außerdem, die Bereitschaft vieler älterer Menschen zu fördern, ihre Erfahrung und ihr Fachwissen freiwillig auch nach dem Eintritt in den Ruhestand einzubringen.
Verkehr: Wie bewerten Sie die Zielsetzungen der EU für den Modal Split? Welche Maßnahmen könnten aus Ihrer Sicht zu einem sichereren und verlässlicheren grenzüberschreitenden Verkehr führen?
Wir Freie Demokraten setzen uns für den Ausbau einer leistungsfähigen grenzübergreifenden Infrastruktur ein. Wir wollen den Verkehrswegeausbau im Schienen-, Straßen- und Wasserstraßennetz, insbesondere in den Hochgeschwindigkeitskorridoren, sowie den Ausbau von europäischen Häfen an den Küsten und Logistikhubs im Binnenland vorantreiben, um den Standort Europa im globalen Wettbewerb zu stärken. Voraussetzung dafür sind schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hierfür werden wir die europäischen Anforderungen im Planungsrecht auf ein Mindestmaß reduzieren.
Wir wollen die Schiene als klimafreundlichen Verkehrsträger im Personen- wie Gütertransport weiter stärken, damit er seinen Beitrag zum Modal Split, zur Entlastung der Straße im Güterverkehr und zum Klimaschutz im Verkehr leisten kann. Wir setzen uns für den konsequenten Ausbau der Transeuropäischen Eisenbahnnetze zu Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitskorridoren ein. Ziel ist ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz. Schienennetze und Ticketsysteme sollen harmonisiert, Netz und Betrieb getrennt und das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) flächendeckend eingeführt werden. Zudem wollen wir einen EU-Standard für Magnetschwebebahnen schaffen.