Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh)
Wie sehen Sie die Zukunft des Handels - innerhalb der EU und zwischen Akteuren aus der EU und Drittstaaten? Wie stellen Sie sicher, dass bestehende und ggf. künftige Vorgaben, nicht nur für alle in der EU aktiven Händler gelten, sondern auch gegenüber Akteuren aus Drittstaaten durchgesetzt werden?
Ein wichtiger Schlüssel für eine souveräne EU, die Wirtschaftswachstum, Innovationen und Wohlstand ermöglicht, sind mehr Freihandelsabkommen– vor allem mit unseren Wertepartnern. Wir Freie Demokraten stehen für fairen, regelbasierten und verantwortungsbewussten Handel, mit einer reformierten Welthandelsorganisation (WTO) als Grundlage. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen Multilateralismus in Frage gestellt wird und Protektionismus und Abschottungstendenzen weltweit zunehmen. Unser Ziel ist eine Weltfreihandelszone der Demokratien. Wir wollen Freihandelsabkommen stärker nach geostrategischen Gesichtspunkten ausrichten, ihre Inhalte auf die wesentlichen Ziele fokussieren und eine Überladung mit zusätzlichen Themen und Pflichten verhindern. Handelsabkommen sollen individuell mit unseren Partnern erarbeitet werden, statt einem „One size fits all“-Schema zu folgen.
Staaten mit denen keine Freihandelsabkommen geschlossen werden können, müssen auch künftig durch entsprechende WTO-konforme Mechanismen dazu angehalten werden, sich den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des europäischen Binnenmarkts anzupassen. Auch wenn wir die derzeitige Ausgestaltung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) kritisch bewerten, teilen wir das Ziel der Schaffung eines Level-Playing-Fields gegenüber Drittstaaten. Hierzu wollen wir insbesondere die Marktmacht des europäischen Binnenmarkts nutzen.
Verbraucher genießen beim Onlinekauf im Vergleich zum Stationärhandel zusätzliche Rechte wie das Widerrufsrecht. Benötigen sie Ihrer Meinung nach dennoch einen zusätzlichen Schutz im E-Commerce und wenn ja, wie rechtfertigen Sie die daraus resultierende Ungleichbehandlung mit stationären Händlern?
Wir Freie Demokraten setzen uns für einen Verbraucherschutz ein, der den mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern Optionen und eine informierte sowie souveräne Entscheidung ermöglicht. Wir vertrauen auf die Selbstbestimmung der Verbraucher. Deshalb lehnen wir eine bevormundende Verbraucherpolitik ab, die zum Beispiel die Dauer bestimmter Verträge schematisch begrenzt. Selbstbestimmung setzt aber eine freie und informierte Entscheidung voraus, die auch die Zwänge und Grenzen berücksichtigt, denen Verbraucher unterliegen. Im stationären Handel existieren etablierte Schutzmechanismen, während im Onlinehandel neue Herausforderungen wie fehlende physische Produktprüfung und begrenzte Interaktionsmöglichkeiten auftreten. Es ist entscheidend, dass der Verbraucherschutz vor dem Hintergrund des von uns beschriebenen Leitgedankens den sich wandelnden Bedingungen anpasst.
Onlinehändler können Kunden animieren, nachhaltiger zu kaufen z.B. Bestellungen zu bündeln, in der Produkt-/Mehrwegverpackung/CO2-neutral liefern zu lassen. Dürfen Händler Kaufentscheidungen aus Nachhaltigkeitsgründen beeinflussen o. sehen Sie dies als unlautere Beeinflussung des Konsumentenwillens?
Die FDP betrachtet das händlerseitige Animieren zu mehr Nachhaltigkeit als einen positiven Schritt, der als Bestandteil der individuellen Vertragsgestaltung erfolgen kann. Es ist wichtig zu betonen, dass solche Initiativen nicht gegen den Willen der Verbraucher stehen, sondern ihnen vielmehr die Möglichkeit bieten, bewusste Entscheidungen zu treffen. Indem Händler ihren Kunden nachhaltige Alternativen anbieten und sie dazu ermutigen, umweltfreundlichere Produkte zu wählen, tragen sie dazu bei, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu stärken und den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Diese Maßnahmen sollten als eine zusätzliche Option betrachtet werden, die Verbraucher freiwillig wählen können, ohne dass ihre Auswahlmöglichkeiten eingeschränkt werden. Die FDP unterstützt eine vielfältige und freiheitliche Vertragsgestaltung, die Raum für Innovation und Nachhaltigkeit lässt, ohne die individuellen Präferenzen der Verbraucher zu beeinträchtigen.
Wie gewährleisten Sie, dass die Vorteile des europäischen Binnenmarkts nicht durch „Goldplating“ bzw. unterschiedliche Umsetzung europäischen Rechts sowie ungleichmäßige Rechtsdurchsetzung zunichte gemacht werden?
Eine Übererfüllung von EU-Anforderungen, das sogenannte „Gold Plating“, lehnen wir Freie Demokraten ab. Gleichzeitig haben wir die Vorschläge zur Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die Vorschläge sehen unter anderem eine Bevorzugung von EU-Verordnungen gegenüber Richtlinien vor. Auch eine Verordnung kann ausnahmsweise der bessere Weg sein, wenn zum Beispiel die absehbar sehr unterschiedliche Umsetzung einer Richtlinie im nationalen Recht weiterhin zu Handelshemmnissen und Unsicherheiten für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen führen würde (zum Beispiel im Verbraucher- oder Datenschutz). Gleichzeitig muss bei der Beschleunigung von Prozessen im Binnenmarkt durch Vorschriftenvereinfachung und Vereinheitlichung jedoch auch die legislative Effizienz der EU-Kommission gesichert sein, die die Interessen der Mitgliedsstaaten nicht konterkarieren darf.
Die Umsetzung von Gesetzen verursacht oft erheblichen bürokratischen Aufwand v.a. für KMU. Wie wollen Sie gewährleisten, dass Unternehmen, die immer mehr Gesetze umsetzen müssen, entlastet werden, damit sie Zukunftsinvestitionen tätigen können und nicht im Extremfall ihren Betrieb aufgeben müssen?
Vor allem die immer weiter zunehmenden Bürokratielasten ersticken neues Wirtschaftswachstum im Keim. Deshalb fordern wir Freie Demokraten einen „Bureaucracy Reduction Act“. Wir wollen die Wirtschaft von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien. Um Bürokratiekosten verbindlich und systematisch zu reduzieren, fordern wir, dass künftig für jede neue Belastung durch geplante EU-Regelungen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“). Denn 57 Prozent der bürokratischen Belastungen in Deutschland sind auf EU-Gesetze zurückzuführen. Mit einem EU-Mittelstandskommissar und einem KMU-Test für EU-Gesetzgebungsverfahren wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sicherstellen. Zudem wollen wir die KMU-Definition auf EU-Ebene an die Lebensrealität anpassen. Wir fordern zudem einen systematischen Berichtspflichten-Check durch die EU-Kommission, um doppelte Berichtspflichten zu identifizieren und zusammenzuführen oder abzuschaffen. Ein einheitliches digitales Meldeportal soll Unternehmen relevante Informationen gebündelt bereitstellen und eine unkomplizierte zentrale Einreichung von Berichten ermöglichen.
Bezügl. Nachhaltigkeit und Digitalisierung wurden so viele Vorschriften wie nie zuvor erlassen. Besteht weiter Regulierungsbedarf v.a. vorsorglich bezügl. neuer Technologien oder sollte die Wirksamkeit der Gesetze und ihr Zusammenspiel erst bewertet und Innovationen Entwicklungsraum gewährt werden?
Wir Freie Demokraten wollen das Innovationsprinzip als Leitlinie der EU-Politik verankern. um das Potential von Neuerungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen. Neuen Ideen mehr Raum geben – regulatorisch und durch Risikokapital –, Forschung- und Entwicklung verstärken, Ausprobieren und Scheitern zulassen, um daraus zu lernen, die besten und kreativsten Köpfe anwerben: all das wird uns gesellschaftlich und wirtschaftlich stärker machen.
Wir beobachten mit Sorge, dass die Regulierungsauswirkungen des Green Deals bereits heute die Wirtschaft überbordend belasten. Es ist an der Zeit, dass die Wettbewerbsfähigkeit wieder stärker in den Vordergrund rückt. Neben einem „Bureaucracy Reduction Act“ fordern wir daher eine Regulierungspause beim Green Deal. Wir bekennen uns zum CO2-Zertifikatehandel als effizientestes Instrument zum Klimaschutz. Eine marktbasierte Lösung wie der Zertifikatehandel fördert Innovation, senkt Kosten und ermöglicht es Unternehmen, ihre Klimaziele auf wirtschaftlich sinnvolle Weise zu erreichen. Es ist wichtig, dass wir eine ausgewogene Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung finden. Die FDP wird sich dafür einsetzen, dass die Belastung durch Regulierung nicht zur Gefahr für unsere Wettbewerbsfähigkeit wird.
Die EU konsultiert Stakeholder bereits zu Gesetzesvorhaben. Zuweilen scheinen Maßnahmen jedoch wenig zielführend oder verändern sich während der Verhandlungen massiv. Wie wollen Sie gewährleisten, dass Gesetze - auch nach entsprechender Kompromissfindung - praxisnah und umsetzbar gestaltet sind?
Wir Freie Demokraten begrüßen, dass die EU-Kommission grundsätzlich eine kritische Folgenabschätzung für neue EU-Vorhaben durchführt, bemängeln aber, dass dieser wichtige Schritt aus politischen Gründen manchmal entfällt. Auch während des EU-Gesetzgebungsprozesses beschlossene grundlegende Änderungen sollten von Rat und Parlament auf ihre Folgen hin geprüft werden. Im Rahmen der Beteiligungsverfahren und Folgenabschätzungen der EU-Kommission braucht es aus unserer Sicht mehr Praxisnähe.
Wir Freie Demokraten treten zudem für einen echten Mittelstandskommissar ein, der sich um faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie um Bürokratieabbau kümmert. Er muss sicherstellen, dass auf EU-Ebene keine Regelungen eingeführt werden, die von Mittelständlern nicht umgesetzt werden können, und Vorschläge für die Änderung oder Abschaffung bestehender Regelungen erarbeiten, wenn sie den Mittelstand über Gebühr belasten.
Vielen Unternehmen ist Nachhaltigkeit über gesetzliche Verpflichtungen hinaus ein echtes Anliegen. Welche Maßnahmen planen Sie, um Eigeninitiativen wie den Verkauf gebrauchter Ware, nachhaltigere Verpackungen oder Nachhaltigkeitsinvestitionen zu unterstützen und zu fördern?
Nachhaltigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Verzicht. Vielmehr ermöglichen es neue Technologien, dass etwa Klimaschutz und Wachstum kein Widerspruch sind. Die FDP hat daher Nachhaltigkeit durch Innovation zum Ziel. Wir begrüßen Eigeninitiativen wie den Verkauf gebrauchter Ware, nachhaltigere Verpackungen und Nachhaltigkeitsinvestitionen durch Händler zugunsten des Klimaschutzes. Solche Maßnahmen tragen dazu bei, dass Unternehmen aktiv ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren. Als maßgeblicher Treiber zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und von Innovationen setzt das Wachstumschancengesetz auch Anreize für Investitionen in Zukunftstechnologien.