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Mit der sogenannten "Chatkontrolle" plante die EU-Kommission die Aushebelung der Vertraulichkeit der Kommunikation für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger; wie stehen Sie zu Plänen eines Client-Site-Scanning und setzen Sie sich für ein Recht auf Verschlüsselung auf europäischer Ebene ein?

Wir Freie Demokraten lehnen anlasslose Chatkontrollen entschieden ab. Der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Verschlüsselung sowie Anonymität in digitalen Räumen sind für uns unabdingbar. Eine Überwachung aller Chats, Nachrichten und E-Mails von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern stellt die Menschen unter ständigen Generalverdacht. Für den Rechtsstaat wäre die Chatkontrolle ein gefährlicher Dammbruch.

Unter welchen Bedingungen stimmen Sie für den Einsatz von digitalen Waffen (Spyware und destruktive Programme) durch EU-Mitgliedsstaaten und welche Regelungen halten Sie für den Im- und Export solcher Waffen für notwendig?

Wir Freie Demokraten wollen die diplomatischen und militärischen vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen im Cyberraum ausbauen. So wollen wir nicht nur eine Risikominimierung in hochbrisanten Regionen erreichen, sondern auch Technologien und Operationsräume wie den Cyber- und Informationsraum rüstungskontrollpolitisch stärker verrechtlichen. Dafür wollen wir neben dem wichtigen Dialog die eigenen defensiven Fähigkeiten, insbesondere zu Verifikationszwecken, stärken, um damit auch das gegenseitige Interesse an Rüstungskontrolle und Abrüstung zu erhöhen. International wollen wir uns für ein Abkommen zur Einhegung des Einsatzes von Cyberwaffen innerhalb und außerhalb bewaffneter Konflikte einsetzen (sogenannter „ABCD-Waffensperrvertrag“). Wir lehnen digitale Vergeltungsschläge (Hackbacks) ab, da sie die Gefahr eines digitalen Wettrüstens bergen und nicht die Täterinnen und Täter, sondern zivile Opfer treffen.

Bedrohungen durch internationale Cyberkriminelle, aber auch durch von Drittstaaten staatlich gelenkte und initiierte Cyberangriffe brauchen zudem eine starke Antwort des wehrhaften Rechtsstaats durch eine entsprechende Ausstattung sowie Fokussierung der staatlichen Sicherheitsbehörden. 

Gibt es aus Ihrer Sicht regulatorische Herausforderungen im Hinblick auf Trainingsdaten für (generative) KI, die noch nicht von europäischen Regelungen adressiert werden und wie wollen Sie diese angehen? 

Wir wollen die EU zum Hotspot für Künstliche Intelligenz machen, die den Lebenschancen der Menschen dient, statt sie zu entmündigen. Darum erteilen wir konservativen Überwachungswünschen und linken Überregulierungsfantasien gleichermaßen eine Absage. Die FDP setzt sich für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Für KI-Trainingsdaten setzen wir uns für ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild ein. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft stärken und moderne Monetarisierungsmodelle von Rechteinhabern ermöglichen. Um ein europaweit innovationsförderndes Umfeld zu schaffen, müssen urheberrechtliche Fragen geklärt und der Einsatz von KI angekurbelt werden. Sollten weitere Regulierungsschritte notwendig sein, so sind diese möglichst innovationsfreundlich auszugestalten.

Halten Sie ein Vorgehen gegen Desinformationskampagnen auf Internetplattformen auf EU-Ebene für notwendig und welche Maßnahmen wären dafür sinnvoll, um betroffene Grundrechte - wie das Recht auf freie Meinungsäußerung - zu gewährleisten? 

Wir wollen die liberalen Demokratien Europas dazu befähigen, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können. Große Internetplattformen spielen dabei eine gewichtige Rolle. Deswegen wollen wir die strategische Kommunikation im Europäischen Auswärtigen Dienst stärken und weitere Arbeitsgruppen nach dem Modell der East StratCom Task Force ausbauen. Nationalen Stellen, die Desinformationskampagnen analysieren und bekämpfen, soll eine Plattform zum Austausch ihrer Erkenntnisse und Erfahrungen geboten werden. 

Gleichzeitig müssen alle Maßnahmen mit Augenmaß und behutsam abgewogen werden. Eine lebendige digitale Öffentlichkeit ist untrennbar mit liberaler Demokratie verbunden. Im Gegensatz zu autoritären Staaten ist unsere Öffentlichkeit auf echte Offenheit angewiesen, sie kann nur unter eng gefassten Regeln durch staatliche Kontrolle eingeschränkt werden. Denn in liberalen Demokratien sind die individuelle Meinungsfreiheit und die institutionelle Medienfreiheit verbürgte Grundrechte. Ein Eingriff in diese Rechte birgt immer das Potenzial, die normativen Grundlagen der Demokratie selbst zu beschädigen.

Wollen Sie sich dafür einsetzen, die KI-Verordnung in Deutschland so umzusetzen, dass biometrische Identifizierung zu Zwecken der Überwachung im öffentlichen Raum möglich wird und wie stehen Sie generell zu einem Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum?

Wir Freie Demokraten fordern ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum. Eine Massenüberwachung durch automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum lehnen wir ab. Videoüberwachung ist kein Ersatz für Beamtinnen und Beamte und kein Allheilmittel. Eine flächendeckende Videoüberwachung lehnen wir daher ab und sehen auch die Ausweitung privater Videoüberwachung, die dann für staatliche Zwecken nutzbar gemacht wird, kritisch. In begründeten Einzelfällen kann auch eine anlassbezogene Nutzung durch die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in Betracht kommen.

Mit welchen Drittstaaten sollten aus Ihrer Sicht Vereinbarungen mit der EU zu Datenübermittlungen geschlossen werden und wie wollen Sie sicherstellen, dass europäische Datenschutzstandards in solchen Vereinbarungen eingehalten werden? 

Wir Freie Demokraten wollen mehr Selbstbestimmung und Transparenz beim Datenschutz. Personenbezogene Daten dürfen grundsätzlich nur nach Zustimmung oder auf einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage verarbeitet werden. Es muss klar sein, zu welchem Zweck und von wem Daten verwendet werden. Wichtig ist, dass Daten, die aus der Europäischen Union in andere Staaten übermittelt werden, grundsätzlich einem gleichwertigen Datenschutzniveau unterliegen wie in der EU. Auch Abkommen mit Drittstaaten müssen die europäischen Datenschutzstandards deshalb berücksichtigen und gleichzeitig Rechtssicherheit für Unternehmen sicherstellen. Gerade im Hinblick auf den Datenaustausch zwischen der EU und den USA muss die Kommission endlich eine rechtssichere Lösung vorschlagen, die den transatlantischen Datenaustausch nachhaltig ermöglicht. Das Europäische Parlament und der Rat sollten bei Entscheidungen über diese Abkommen eine mit der EU-Kommission gleichberechtigte Rolle spielen. Welche Staaten dies betreffen kann, ist auch von den zugesicherten Schutzniveaus und der Bewertung der europäischen Aufsichtsbehörden abhängig.

Verschiedene Staaten (z.B. die USA) diskutieren aktuell in unterschiedlichen Ausprägungen ein Verbot der App TikTok; inwiefern würden Sie sich für ein TikTok-Verbot in der EU einsetzen und wie stehen Sie allgemein zum Thema Geoblocking? 

Als Freie Demokraten beobachten wir die Entwicklungen und Debatten rund um die App TikTok sehr genau. Insbesondere weil die App so erfolgreich ist und es immer wieder Berichte über Datenschutzprobleme sowie Zensurmechanismen auf der Plattform gibt, ist ein vorsichtiger Umgang mit TikTok angezeigt. 

Ein Verbot von TikTok fordern wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Viel nachhaltiger ist es, die Mündigkeit und Medienkompetenz jedes Einzelnen zu stärken. Die Bürgerinnen und Bürger Europas müssen in der Lage sein, Informationen aus Quellen wie TikTok kritisch zu hinterfragen und einzuordnen, Manipulationen zu erkennen und sich selbst eine Meinung zu bilden. Gleichzeitig muss die EU-Kommission fortwährend überprüfen, welchen Einfluss staatliche Stellen auf Internetunternehmen nehmen. Im Fall von Rechtsverstößen müssen Sanktionen folgen.

Geoblocking ist ein scharfes Schwert, dessen Einsatz wir vor allem im digitalen EU-Binnenmarkt reduzieren wollen. Denn beim Streaming der Lieblingsserie oder der Sportübertragung endet der Zugang oft an der Landesgrenze. Die Geoblocking-Verordnung war ein wichtiger Schritt um Verbraucherinnen und Verbrauchern den Zugang zu online angebotenen Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Wir wollen jetzt den nächsten Schritt gehen. Audiovisuelle Inhalte sollen künftig ebenfalls in den Anwendungsbereich der Geoblocking-Verordnung aufgenommen werden, um den nationalen Grenzen beim Medienkonsum in der EU ein Ende zu setzen. Dies muss in enger Einbeziehung der Rechteinhaber geschehen, um praktikable Lösungen zu erreichen.

Durch welche Maßnahmen würden Sie kritische Infrastrukturen im Bereich der Informations- und Kommunikations­technologie oder anderen Bereichen mit technischen Steuerungskomponenten gegen einseitige Abhängigkeiten, fremde Einflussnahme und Cyberangriffe absichern? 

Wir Freie Demokraten wollen die Europäische Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts weiterentwickeln. Ob dies gelingt, wird sich im 21. Jahrhundert maßgeblich im Cyberraum entscheiden. Der Schutz kritischer Infrastrukturen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie hat für uns daher höchste Priorität. Neben vielen anderen Maßnahmen sind für uns folgende zentral:

- Es braucht europaweit gemeinsame Sicherheitsstandards für die digitale Infrastruktur. Unternehmen, die Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime unterliegen, sollen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur wie dem 5G-Netz und perspektivisch dem 6G-Netz nicht beteiligt werden.

- Die europäische Polizeibehörde Europol muss zu einem Europäischen Kriminalamt ausgebaut werden. Europol muss bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sowie im Bereich der Gefahrenabwehr – also auch im Kontext von Cyberkriminalität – mit wirksamen Ermittlungsbefugnissen die Arbeit der Mitgliedstaaten und europäischer Behörden koordinieren und unterstützen können. Dabei dürfen die grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards nicht hinter denen Deutschlands zurückbleiben.

- Wir wollen das von den Vereinten Nationen getragene „Internet Governance Forum“ (IGF) stärken und uns für ein international verbindliches „Cyberpeace“-Abkommen einsetzen. Der Multi-Stakeholder-Ansatz des IGF, der neben der politischen Ebene auch international relevante Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft einbezieht, steht sinnbildlich für die gemeinsame Arbeit an Regelungen für die friedliche Nutzung des Internets. Zudem wollen wir den Austausch und die Unterstützung beim Aufbau defensiver Fähigkeiten sowie Notfallmaßnahmen (zum Beispiel sogenannter „Cyber Emergency Response Teams“) voranbringen.

- Ein wirksames Schwachstellenmanagement und ein Recht auf Verschlüsselung müssen zur Normalität werden. Wir lehnen digitale Vergeltungsschläge (Hackbacks) ab.

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