dbb jugend
Wie beurteilen Sie die Maßnahmen „Stärkung der Jugendgarantie“ sowie „Schaffung einer Europäischen Jugendarbeitsagentur“ zur Beratung, Vermittlung und Weiterbildung junger Menschen und Senkung der Arbeitslosigkeit in der EU?
In Deutschland gibt es bereits Jugendberufsagenturen, die als spezielle Anlaufstellen jungen Menschen bei allen Fragen und Problemen rund um den Berufsstart unterstützen. Statt eine europäische Jugendarbeitsagentur zu schaffen, wollen wir Freie Demokraten die European Employment Services zu einer Europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Diese soll sowohl europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln als auch eine echte Koordinationsrolle für die nationalen Arbeitsagenturen in der EU übernehmen, die es braucht, um Jugendarbeitslosigkeit auf der einen Seite und Fachkräftemangel in Europa auf der anderen Seite zu bekämpfen.
Wie möchten Sie der fortschreitenden Akademisierung in der EU entgegenwirken?
Für uns Freie Demokraten sind die berufliche und akademische Ausbildung absolut gleichwertig. Wir brauchen Meister und Master. Daher wollen wir besonders in der beruflichen Bildung dafür werben, jungen Menschen europäische Perspektiven im Handwerk und den dualen Ausbildungsberufen aufzuzeigen und EU-Förderprogramme dafür nutzen, das duale Ausbildungssystem in Europa zu stärken. Wir wollen außerdem die European Employment Services zu einer Europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Diese soll europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln und als Koordinationsstelle mit den nationalen Arbeitsagenturen Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Zudem streben wir an, die europäischen Berufsausbildungs- und Schulsysteme, dort wo es der Bildungsmobilität dient, stärker zu harmonisieren und Noten-Referenzrahmen zu schaffen. Daher wollen wir den Kopenhagen-Prozess zu Qualität und Anerkennung der beruflichen Bildung auf schulische Bildung ausweiten und zu einem Erfolg wie dem Bologna-Prozess machen.
Wie planen Sie interkulturelle Kompetenz und Vielfalt bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu fördern?
Wir Freie Demokraten stehen für einen vielfältigen Öffentlichen Dienst, der die Lebensrealität der Menschen in Deutschland und Europa abbildet. Deshalb ist es wichtig, dass bei Einstellungen im Öffentlichen Dienst interkulturelle Kompetenz und Vielfalt der Beschäftigten ausreichend berücksichtigt werden. Insbesondere durch eine Flexibilisierung der Einstellungsvoraussetzungen wollen wir erreichen, dass mehr Menschen mit unterschiedlicher Berufsbiografie ihren Weg in den Öffentlichen Dienst finden. Flexibleres, digitales Arbeiten, der einfache Wechsel zwischen Dienstherren und in die freie Wirtschaft sowie ein flexiblerer Eintritt in den Ruhestand sollen den Öffentlichen Dienst attraktiver machen. Wir wollen zudem Englisch neben Deutsch als zusätzliche Verwaltungssprache in Behörden etablieren und sprechen uns dafür aus, dass alle EU-Mitgliedsstaaten Englisch als zweite Verwaltungssprache einführen. Damit erleichtern wir Verwaltungsvorgänge für die Menschen – beispielsweise bei Reisen, Arbeit, Ausbildung und Studium – sowie für international agierende Unternehmen und vereinfachen die Gründung neuer Unternehmen. Daher unterstützen wir es, wenn Verwaltungsmitarbeitende Englisch lernen und Verwaltungsstellen darauf achten, auf ausreichende Sprachkompetenzen zurückgreifen zu können. Zudem wollen wir insbesondere die Chancen, die Künstliche Intelligenz etwa beim Übersetzen von Formularen und Verwaltungsdokumenten bietet, nutzen.
Welche Rollen spielen für Sie (bezahlte) Praktika vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?
(Bezahlte) Praktika sind ein wichtiges Element um die Berufswelt kennen zu lernen und bilden einen ersten Einstieg in den Arbeitsmarkt für junge Menschen. Um die Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, muss allerdings deutlich früher angesetzt werden, und zwar in der frühkindlichen Bildung und Betreuung, der Schule und der beruflichen Bildung. Kindertageseinrichtungen müssen als erste Stufe der Bildungskette verankert und noch besser befähigt werden, qualitativ hochwertige Erziehungs-, Betreuungs-, und Bildungsarbeit leisten zu können. Wir brauchen moderne Schulgebäude und Technik, Aus- und Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, digitale Lehr- und Lernmethoden, Glasfasernetz und leistungsfähiges WLAN.
Was muss sich Ihres Erachtens hinsichtlich der Arbeitsmarktmobilität in der EU ändern, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und in die Arbeitsmärkte der EU zu integrieren?
Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist die EU auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Wir Freie Demokraten fordern deshalb eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Bei der Arbeitskräftemobilität in der EU müssen Hürden abgebaut sowie komplizierte und langwierige Prozesse bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfacht werden. Um grenzüberschreitende Arbeit unbürokratisch zu ermöglichen, wollen wir zudem die EU-Entsenderichtlinie modernisieren. Die erheblichen bürokratischen Pflichten, d. h. die Erfüllung der Meldepflicht gegenüber dem jeweiligen Land und den Nachweis der Sozialversicherungszugehörigkeit (A1-Bescheinigung) wollen wir auf schutzwürdige Sachverhalte begrenzen und insbesondere alle kurzen beruflichen Reisen und Entsendungen von der Richtlinie ausnehmen. Auch müssen digitale Mittel – etwa die geplante „eDeclaration oder der „ESSPASS“ – besser zur effektiven Entbürokratisierung eingesetzt werden.
Wie stehen Sie zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen in und außerhalb der Mitgliedstaaten sowie zu einer Harmonisierung von Abschlüssen?
Motivierten und leistungsbereiten Menschen, die vorankommen und sich mit ihren Fähigkeiten in Europa für Fortschritt und Wachstum einsetzen möchten, müssen alle Türen offenstehen. Wir Freie Demokraten wollen deshalb bei der Arbeitskräftemobilität in der EU Hürden abbauen sowie komplizierte und langwierige Prozesse vereinfachen. Insbesondere wollen wir bürokratische, monatelange Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Diese sollen beispielsweise eine schnelle Übersetzung europäischer Abschlüsse in ihre nationalen Pendants ermöglichen. Wir Freie Demokraten streben zudem an, die europäischen Berufsausbildungs- und Schulsysteme, dort wo es der Bildungsmobilität dient, stärker zu harmonisieren und Noten-Referenzrahmen zu schaffen. Daher wollen wir den Kopenhagen-Prozess zu Qualität und Anerkennung der beruflichen Bildung auf schulische Bildung ausweiten und zu einem Erfolg wie dem Bologna-Prozess machen.
Wie kann der öffentliche Dienst in der EU an Attraktivität gewinnen und welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung und das Berufsbeamtentum?
Wir Freie Demokraten stehen zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Ein gut ausgestatteter und effizienter Öffentlicher Dienst ist ein Standortvorteil für Deutschland und Europa. Der Öffentliche Dienst ist jedoch durch den demografischen Wandel und die starke Nachfrage nach Fachkräften in der freien Wirtschaft unter einem hohen Konkurrenzdruck. Ein modernes Dienstrecht muss sich den vielfältigen Lebensplanungen der Menschen anpassen. Flexible Arbeitsmethoden, durchlässigere Laufbahnen und die Belohnung von Eigeninitiative und Engagement können den Öffentlichen Dienst auch zukünftig zu einem attraktiven Arbeitgeber machen. Der Öffentliche Dienst muss konsequent digital werden. Das bedeutet nicht nur, dass der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern barrierefrei und digital erfolgen muss, sondern auch, dass die Behörde selbst digital arbeitet und so die Effizienzgewinne erzielt, die digitale Prozesse ermöglichen. Um den Öffentlichen Dienst darüber hinaus attraktiv zu machen, muss der Einstieg mit Berufserfahrung deutlich erleichtert werden. Auch der Wechsel in die freie Wirtschaft muss problemlos möglich sein, um dort Erfahrungen sammeln zu können, die später gewinnbringend für den Dienstherrn eingesetzt werden können.
Wie gelingt es Ihres Erachtens demokratiefeindliche Entwicklungen innerhalb (und außerhalb) der EU einzudämmen und was wird Ihr Beitrag dazu sein?
Jeder EU-Mitgliedstaat hat sich vertraglich verpflichtet, europäische Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu achten. Wir setzen auf eine EU, die diese Werte auch nach innen verteidigt und konsequent gegen autokratische Regierungen vorgeht. Wer den Rechtsstaat mit Füßen tritt, dem müssen rasch EU-Fördermittel entzogen werden. Wir wollen die liberalen Demokratien Europas dazu befähigen, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können. Die Anstrengungen müssen gebündelt und unter Einbeziehung neuester Forschungsergebnisse verstärkt werden. Die Wahlinfrastruktur aller EU-Mitgliedstaaten muss als kritische Infrastruktur erheblich besser geschützt werden. Gegen verdeckte Parteienfinanzierung aus dem Ausland muss auf europäischer Ebene einheitlich vorgegangen werden. EU-Kommission und Europäischer Auswärtiger Dienst müssen die Mitgliedstaaten beraten und eine Beeinflussung der Willensbildungsprozesse und Wahlen in demokratischen Staaten aus autokratisch regierten Ländern verhindern.
Demokratieverdrossenheit und -feindlichkeit fußen häufig auf Enttäuschung über und Unverständnis für demokratische Prozesse. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir europaweit politische Bildung intensivieren und die Menschen resilient gegen demokratiefeindliche Einflussname machen. Wir Freie Demokraten wollen daher z. B. – in Anlehnung an die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung – neutrale politische Bildung und Informationen europaweit aufarbeiten und digital erlebbar machen, indem wir ein Europa-Hub für politische und digitale Bildung schaffen.