Deutscher Raiffeisenverband e. V.
Welche Bedeutung hat für Sie die Rechtsform der Genossenschaft in der wirtschaftlichen Entwicklung ländlicher Räume und mit welchen Maßnahmen möchten Sie die positive Entwicklung von Genossenschaften fördern und die Rechtsform stärken?
Wir Freie Demokraten sind der Auffassung, dass der Genossenschaftsgedanke vor allem in der Agrarwirtschaft ein wichtiges Fundament für die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Räume ist. Durch ihn wird gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen die Chance gegeben, am Markt tätig zu sein. Dadurch werden fairer Wettbewerb und Vielfalt gefördert. Unser Ziel ist immer, Wettbewerbseinschränkungen zu verhindern und Marktmacht einzelner zu unterbinden. Die Gemeinsame Marktordnung der EU bietet eine solide Grundlage für fairen Wettbewerb entlang der Agrarlieferkette. Wir werden stets prüfen, wie wir die Gemeinsame Marktordnung weiterentwickeln können und welche Maßnahmen wir ins nationale Recht überführen können, um Genossenschaften den Entfaltungsspielraum für ihre Geschäftsmodelle zu geben.
Wie werden Sie gewährleisten, dass neue Regelungen zur Grünen Taxonomie bzw. Sustainable Finance die Kreditversorgung der Land- und Ernährungswirtschaft nicht ge-fährden und das Genossenschaftsmodell als besonders nachhaltige Wirtschaftsform an-erkannt wird?
Wir Freie Demokraten sehen das Streben nach mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und das Fördern der europäischen Harmonisierung von Standards für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten grundsätzlich positiv. Durch mehr Transparenz und Vergleichbarkeit können die Marktmechanismen besser wirken. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass Investitionen in die schlichten Kategorien „Gut“ und „Böse“ eingeteilt werden. Die Taxonomie soll kein globales Steuerungsinstrument der Politik für die Land- und Ernährungswirtschaft sein. Die Taxonomie ist zu komplex geworden und sollte daher vereinfacht werden. Auch sich überschneidende Berichtspflichten, die aus einem regelrechten Regulierungsdickicht resultieren, belasten Unternehmen unnötig. Wir fordern deshalb einen systematischen Berichtspflichten-Check durch die EU-Kommission, um doppelte Berichtspflichten zu identifizieren und zusammenzuführen oder abzuschaffen. Kleine und mittlere Unternehmen müssen vor unverhältnismäßigen Anforderungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung geschützt werden.
Wie werden Sie die Notwendigkeit einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung mit den ambitionierten Klimazielen der EU in Einklang bringen, um Wettbewerbsgleich-heit der Unternehmen innerhalb der EU zu gewährleisten und europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken?
Die Struktur der Energieversorgung in der Europäischen Union gleicht einem Flickenteppich und ist so weder krisenfest noch effizient. Insgesamt brauchen wir mehr Technologieoffenheit und weniger Bürokratie – auch in der Klima- und Energierichtlinie. Unsere Antwort für bezahlbare Energie ist eine gemeinsame Energieaußenpolitik, die Energiepartnerschaften mit zuverlässigen Ländern herstellt. Kleinteilige Regulierungen wie zusätzliche CO2-Bepreisungen durch Energiesteuern lehnen wir ab. Die FDP setzt auf den Emissionshandel und Technologieoffenheit, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Um den Ausbau von Infrastruktur und Erneuerbaren Energien zu beschleunigen, stellen wir auf EU-Ebene die Weichen für eine weitere Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dafür wollen wir Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) auf Vorhaben mit grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen beschränken.
Welche bürokratiesenkenden Maßnahmen planen Sie in der kommenden Wahlperiode für die Agrar- und Ernährungswirtschaft insbesondere für KMU und wie stellen Sie sicher, dass wichtige Nachhaltigkeitsprojekte (bspw. CSDDD, EUDR, Taxonomie) nicht zu ei-nem weiteren Bürokratieaufwuchs führen?
Die Europäische Union ist ein Friedens-, Wohlstands- und Wachstumsprojekt. Durch viele Initiativen der EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen (CDU) droht sie immer mehr zu einem Regulierungs- und Bürokratieprojekt zu werden. Dem stellen wir Freie Demokraten uns vehement entgegen. Aus diesem Grund haben wir etwa die Vorschläge der EU-Kommission für eine europäische Lieferkettengesetzgebung abgelehnt, denn diese bedeutet vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen der Agrarbranche einen enormen Bürokratieaufwand. Nur durch unseren Einsatz hat die EU-Kommission vorgesehene Regelungen zum Teil entschärft. Wir werden europäische Vorgaben 1:1 in nationales Recht umsetzen und Regulierung über EU-Recht hinaus weiterhin eine Absage erteilen. Mit der „One in, two out“-Regel wollen wir Unternehmen generell von Bürokratielasten befreien: Das heißt für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden.
Welche Schwerpunkte wollen Sie bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2027 setzen und werden Sie hierbei die besondere Situation der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse berücksichtigen sowie die bestehenden Junglandwirteförderung in ju-ristischen Personen ausbauen?
Wir Freie Demokraten sind der Auffassung, dass die jetzige GAP-Struktur ein Bürokratiemonster ist. Die Regelungen, die bereits in der letzten Legislaturperiode unter der damaligen Agrarministerin Klöckner (CDU) verhandelt wurden, weisen an vielen Stellen erhebliche Schwächen auf, was enorme Belastungen für die Landwirte, aber auch die Agrarverwaltungen zur Folge hat. Wir drängen darauf, dass die in Aussicht gestellten Entlastungsmaßnahmen und Entbürokratisierungsvorschläge schnell umgesetzt werden. Grundsätzlich wollen wir Landwirtinnen und Landwirte unabhängiger von Subventionen machen und die unternehmerische Landwirtschaft stärken. Dafür setzen wir auf die Förderung von Innovation und Investition statt auf starre Hilfszahlungen, die den Landwirten in Zeiten von steigenden Kosten immer weniger nützen. Wir wollen junge Landwirtinnen und Landwirte bei ihrer Unternehmensgründung ermutigen und schaffen dafür langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Uns sind die besonderen Herausforderungen des Obst- und Gemüseanbaus in Deutschlands bewusst. Die in der jetzigen Förderperiode im nationalen GAP-Strategieplan durch die Europäische Kommission genehmigte Förderung von Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse, finden wir richtig. Darüber hinaus fordern wir eine rein wissenschaftsbasierte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bzw. deren Wirkstoffe, ein faires Düngerecht, das den speziellen Bedürfnissen des Gemüseanbaus Rechnung trägt, und wollen den integrierten Pflanzenschutz stärken. Wir sehen faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt als Grundbaustein der unternehmerischen Tätigkeit an.
Nach der Ablehnung der SUR: Wie wollen Sie eine einheitliche europäische Regelung des Einsatzes und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln umsetzen und wie wird dies mit der angestrebten Erhöhung des Selbstversorgungsgrades von pflanzlichen Er-zeugnissen in der EU in Einklang gebracht?
Die Pläne der EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen (CDU) zur SUR sind zu Recht gescheitert. Wir Freie Demokraten setzen ganz auf die Expertise von Landwirtinnen und Landwirten. Eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ist kein Selbstzweck, sondern muss sich an den jeweiligen speziellen Standortfaktoren orientieren. Starre Reduktionssziele halten wir daher für falsch. Stattdessen fördern wir innovative und digitale Ausbringtechnologien und die Erforschung neuer Wirkstoffe, um die Menge reduzieren zu können und dennoch gleichmäßig gute Erträge sichern zu können. Die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades von pflanzlichen Erzeugnissen muss mit einer Erhöhung der Produktivität auf immer kleiner werdender Fläche realisiert werden. Daher müssen wir den Landwirtinnen und Landwirten mehr Handlungsspielräume bieten, ihren Betrieb im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit bestmöglich bewirtschaften zu können. Neue Züchtungstechnologien, die wissenschaftsbasierte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bzw. deren Wirkstoffen sowie innovative Techniken, sind für uns die elementaren Bausteine mit denen das gelingen kann.
Mit welchen Maßnahmen werden Sie für Wettbewerbsgleichheit im europäischen Binnen-markt sorgen (Level Playing Field) insbesondere im Bereich der Standards von Tierhal-tung und Tiertransporten, bei Regelungen zum Tierwohl und einer einheitlichen Her-kunftskennzeichnung tierischer Erzeugnisse?
Wettbewerbsgleichheit im europäischen Binnenmarkt, ein sogenanntes Level Playing Field, ist ein zentrales Ziel unserer Agrarpolitik. Die verantwortungsvolle, tiergerechte Haltung und der Schutz der Tiere beim Transport sind für uns bedeutende Errungenschaften, weshalb europaweit einheitliche Standards notwendig sind. Wir setzen uns daher weiterhin für ein EU-weit verbindliches Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichen ein, damit deutsche Landwirte, die hier bereits mit bestem Beispiel vorangehen, in Zukunft Bedingungen vorfinden, die mit denen aus anderen Mitgliedstaaten vergleichbar sind. Eine weitere nationale Erhöhung der Standards lehnen wir ab. Ebenso sind wir der Auffassung, dass im Bereich der Tiertransporte anderen europäischen Länder nachziehen müssen. Für die Kennzeichnung der Herkunft tierischer Erzeugnisse haben wir uns bereits erfolgreich dafür eingesetzt, dass eine entsprechende Verordnung auf den Weg gebracht wurde.
Welchen Beitrag soll die Europäische Union leisten, um die Digitalisierung und die Ver-netzung in der Landwirtschaft voranzutreiben, diese rascher zu etablieren und damit in-novative Neuentwicklungen zu fördern?
Wir Freie Demokraten sind der Auffassung, dass Technologie und Innovationen der Schlüssel sind, die Landwirtschaft noch nachhaltiger zu machen – nicht immer weitergehende Regulierung durch das Ordnungsrecht. Auf nationaler Ebene hat beispielsweise Digitalminister Dr. Volker Wissing das Luftfahrt-Bundesamt angewiesen, Einschränkungen für den landwirtschaftlichen Einsatz von Drohnen aufzuheben. Auf europäischer Ebene setzen wir uns für einen gemeinsamen europäischen Agrardatenraum ein, um Plattformen für den Datenaustausch und Interoperabilität zu entwickeln. Wir haben dafür gekämpft, dass die Europäische KI-Verordnung die Interessen der Anwender und Unternehmen gleichermaßen berücksichtigt und Innovationen nicht durch voreilige Regulierung behindert werden, denn gerade die Künstliche Intelligenz (KI) bietet ungeahntes Potential für eine zukunftsweisende Landwirtschaft.