Bündnis Lebensmittelrettung

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für EU-weite Reduktionsziele zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung unterbreitet. Wie stehen Sie zur Einführung verbindlicher Reduktionsziele? Welche Reduktionsziele sieht Ihre Partei dabei für welche Sektoren vor und gegenüber welchem Referenzjahr?

Wir Freie Demokraten setzen auf eine bessere Aufklärung aller Beteiligten in der Lebensmittelkette. Der größte Teil an Lebensmittelverschwendung findet in den privaten Haushalten statt, sodass wir es für wichtig halten, Verbraucherinnen und Verbraucher noch mehr für bewussteres Einkaufen und besserer Lagerung zu sensibilisieren. Verbindliche Reduktionsziele halten wir in diesem Bereich für nicht kontrollierbar und auch nicht sanktionierbar. Vielmehr müssen wir die bürokratiearme und rechtssichere Weitergabe von Lebensmitteln erleichtern. 

Die Vorschläge für Reduktionsziele von Lebensmittelverschwendung von Kommission und Parlament sehen kein Reduktionsziel für die Primärproduktion vor. Möchte Ihre Partei ein Reduktionsziel für die Primärproduktion einführen und, wenn ja, in welcher Höhe?

Pauschale Reduktionsziele tragen der Komplexität des Sachverhalts nicht genügend Rechnung. Die Reduktion muss sich an den produktionsrichtungsspezifischen Möglichkeiten orientieren und für die Betriebe tragbar sein. Tierverluste oder Ernteausfälle werden bereits von den Landwirtinnen und Landwirten, Jägern und Fischern so gut wie möglich schon aus betriebswirtschaftlichem Interesse reduziert. Es können aber nicht alle Unwägbarkeiten abgefangen werden, sodass wir eine staatliche Intervention nicht für geboten halten.

Bisher erfasst die EU-Definition für Lebensmittelverschwendung Verluste vor der Ernte und vor der Schlachtung nicht. Diese Verschwendung ist auch nicht Teil der Reduktionsziele. Setzt Ihre Partei sich für eine Einbeziehung der Verluste vor der Ernte und vor der Schlachtung ein? Wenn ja, wie?

Der Verlust vor der Ernte oder Schlachtung kann unseres Erachtens nicht Teil der Lebensmittelverschwendung sein, da es sich noch nicht um Lebensmittel handelt. Diese Verluste zu reduzieren ist keine Frage des Lebensmittelrechts, sondern der Tierhaltung, des Tiertransports und des Anbaus von pflanzlichen Produkten. Es werden nicht nur unterschiedliche Rechtsbereiche angesprochen, es greifen auch andere Mechanismen. Bei beispielsweise Tierverlusten vor der Schlachtung müssen die Haltungs- und Transportbedingungen der Tiere überprüft werden. Dies kann keinen Eingang in die Berechnung der Lebensmittelverluste finden.

Wie plant Ihre Partei die Wertschätzung von Lebensmitteln innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen und mehr Kenntnisse im Umgang mit Lebensmitteln (wie z.B. Lagerung) zu vermitteln?

Wir Freie Demokraten sehen die Ernährungsbildung als wesentlichen Schlüssel, Lebensmittelverschwendung zu verhindern. Dadurch kann das Bewusstsein über den (nicht nur monetären) Wert von Nahrungsmitteln gefördert werden. Wir setzen uns für einen niedrigschwelligen Zugang zu Projekten ein, die diese Kompetenzen fördern und somit aktiv einen Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung leisten. Wir schätzen zudem die zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen, die besonders Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Ernährungsbildung ermöglichen. Das Ehrenamt wollen wir Freie Demokraten von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten und das freiwillige Engagement tausender Bürgerinnen und Bürger, welches Millionen von Menschen freie Entfaltung, Selbstwirksamkeit und vor allem Kindern und Jugendlichen wertvolle Lernprozesse bietet, stärken.

Als Teil der Farm to Fork Strategie hat die Europäische Kommission die Überarbeitung von Haltbarkeitsdaten angekündigt. Wird Ihre Partei sich für Änderungen einsetzen und, wenn ja, für welche?

Dass viele Verbraucher das Mindesthaltbarkeitsdatum fälschlicherweise als "Verfalls- oder Ungenießbarkeitsdatum" verstehen, ist ein Grund für das Wegwerfen noch genießbarer Produkte in privaten Haushalten. Dem wollen wir Freie Demokraten uns mit praxistauglicheren Regelungen und intensiver Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher annehmen. Wir sind daher offen gegenüber einer Überarbeitung des Mindesthaltbarkeitsdatums.

Sowohl Unternehmen, die Lebensmittel spenden, als auch rettende Organisationen klagen über Rechtsunsicherheit bei der Weitergabe von Lebensmittelspenden. Wie wird sich Ihre Partei für die Klärung von Haftungsfragen einsetzen?

Das Ziel von uns Freien Demokraten ist es, gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und haftungsrechtliche Fragen zu klären. Wir wollen Rechtssicherheit für den Lebensmitteleinzelhandel bei der Weitergabe von Lebensmitteln. Deshalb wollen wir kaum kalkulierbare Haftungsrisiken im Falle von Gesundheitsschäden beim Verzehr von verschenkter Ware entschärfen. Steuerrechtliche Erleichterungen für Spenden wollen wir weiter ermöglichen, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen.

Wird sich Ihre Partei für eine Anpassung der spezifischen Vermarktungsnormen sowie eine Reduzierung weiterer freiwilliger und handelseigener Standards bei Obst und Gemüse, die rein ästhetischer Natur sind, einsetzen? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen planen Sie?

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren. Deshalb wollen wir die EU-Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse grundlegend vereinfachen. Statt dem äußeren Erscheinungsbild soll allein die Qualität des Produkts entscheidend sein. Die EU-Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse sollen hohe Qualitätsstandards für Lebensmittel sicherstellen. Neben qualitativen Anforderungen stellen sie allerdings auch eine Reihe ästhetischer Kriterien auf, wie zum Beispiel ein Apfel auszusehen hat. Diese ästhetischen Kriterien sagen nichts über die Sicherheit eines Produkts aus. Sie führen aber dazu, dass eigentlich hochwertiges Obst und Gemüse nicht verkauft werden darf, weil es äußerlich von der Norm abweicht. Durch eine Reform wollen wir Landwirten ermöglichen, ihre gesamte Ernte zu vermarkten.

Sieht Ihre Partei zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung weitere Maßnahmen vor, die in diesem Frage- und Antwortkatalog bisher noch keine Erwähnung gefunden haben? Wenn ja, welche?

Wir Freie Demokraten wollen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung auch verstärkt Innovationen in den Blick nehmen – wie etwa intelligente Verpackungen. Auch leisten immer bessere KI-gestützte Bestell- und Distributionslösungen des Lebensmitteleinzelhandels einen wichtigen Beitrag, Lebensmittel bedarfsgerecht in den Märkten vorrätig zu haben. Dies gilt es zu fördern, statt der Branche starre ordnungsrechtliche Vorgaben zu machen.

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