Bundessteuerberaterkammer KdöR
Seit Jahren versucht die EU-Kommission, Regelungsbereiche zu deregulieren, die für die hohe Qualität der Steuerberatung stehen. Mit einer Deregulierung wären auch Tax Compliance, Verbraucherschutz und das Steueraufkommen des Staates gefährdet. Wie gedenken Sie, diesem Ansatz zu begegnen?
Unser Ansatz ist es, die hohe Qualität von Steuerberatungsleistungen in Deutschland auf EU-Ebene zu verteidigen. Auch wenn wir für die Dienstleistungsfreiheit in der EU eintreten, dürfen die europäischen Grundfreiheiten nicht auf Kosten des Verbraucherschutzes und der Steuerrechtspflege gehen. Die hohen Anforderungen an die Qualität von Steuerberatungsleistungen in Deutschland rechtfertigen eine Beschränkung von Berufszugangsvoraussetzungen, die Berufsaufsicht sowie Vorbehaltsaufgaben. Da mit einer Deregulierung des Berufsstands potentiell größere Qualitätseinbußen einhergehen, die auch einen Einfluss auf die Steuerverwaltung und den Steuervollzug haben, muss das Berufsrecht vor einer übermäßigen Deregulierung geschützt werden.
Als unabhängige Organe der Steuerrechtspflege mit Prozessführungsbefugnis sind Steuerberater*innen in Deutschland ein rechtsberatender Beruf. Würden Sie sich in den Verhandlungen zu EU-Gesetzesinitiativen dafür stark machen, Steuerberater*innen in der EU als Rechtsberufe anzuerkennen?
Zahlreiche EU-Vorschriften, insbesondere die EU-Sanktionsvorschriften, knüpfen an den Begriff der „Angehörigen von Rechtsberufen“ an. Bislang fallen Steuerberaterinnen und Steuerberater nicht explizit unter diesen EU-rechtlich definierten Begriff, obwohl sie nach deutschem Recht den rechtsberatenden Berufen angehören. Dadurch erfahren sie gegebenenfalls nicht den gleichen Schutz wie andere Rechtsberufe. Unser klares Ziel ist es daher, das Schutzniveau anzugleichen und auch Steuerberater und Steuerberaterinnen zu den Angehörigen der Rechtsberufe im EU-rechtlichen Sinn zu fassen.
Wie stehen Sie allgemein zur berufsständischen Selbstverwaltung in Kammern unter Geltung des Grundsatzes der Rechtsaufsicht und zu deren Verteidigung auf europäischer Ebene?
Wir stehen der berufsständischen Selbstverwaltung sehr positiv gegenüber und können auf die damit in der Vergangenheit gemachten guten Erfahrungen in Bezug auf die Qualitätssicherung verweisen. Das Instrument der berufsständischen Selbstverwaltung ist daher ein Modell, das wir auch weiterhin auf europäischer Ebene verteidigen werden.
Steuerberater*innen haben detaillierte Kenntnisse der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mandanten und eine besondere Vertrauensstellung. Sie unterliegen daher einer gesetzlich garantierten Verschwiegenheitspflicht. Treten Sie auf europäischer Ebene für den Schutz des Berufsgeheimnisses ein?
Die Verschwiegenheitspflicht der Steuerberaterinnen und Steuerberater ist eine wesentliche Grundlage für das Vertrauensverhältnis in der Mandatsbeziehung und sollte aus unserer Sicht daher geschützt bleiben. Steuerberater und Steuerberaterinnen sollten auch durch europäische Vorgaben ausdrücklich in den Schutz von Verschwiegenheitsklauseln einbezogen werden.
In den letzten Jahren wurden durch Unionsrecht immer mehr Berichtspflichten eingeführt. Insbesondere für KMU und kleine Steuerberaterkanzleien führt dies zu einer deutlichen Mehrbelastung. Werden Sie sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, ineffiziente und aufwendige Berichtspflichten zu reduzieren?
Der Abbau von Bürokratie ist für uns wesentliche Voraussetzung für Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Ein Großteil bürokratischer Auflagen in Form von Dokumentations- und Berichtspflichten, Anträgen und Formularen wird auf EU-Ebene geschaffen. Wir setzen uns daher dafür ein, bestehende Berichts- und Mitteilungspflichten zu evaluieren und zielgerichteter auszugestalten. In vielen Fällen können die Finanzbehörden die enorme Menge der gemeldeten Daten nicht angemessen auswerten oder bekommen Informationen gemeldet, die ihnen bereits bekannt sind. Erhebliches Vereinfachungspotenzial läge daher bereits in einer Konsolidierung und Spezifizierung von Berichtspflichten, die Doppel- und Mehrfachmeldungen gleicher oder ähnlicher Daten vermeidet und ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis wahrt.
Europa ist überbürokratisiert. Das lähmt den Wirtschaftsstandort EU. Setzen Sie sich auf EU-Ebene dafür ein, den Bürokratieabbau permanent weiterzuverfolgen, um die bürokratischen Lasten von KMU im Vergleich zu multinationalen Konzernen zu reduzieren und damit den Wirtschaftsstandort EU zu stärken?
Hohe bürokratische Auflagen in der Europäischen Union sind ein Wachstums- und Wettbewerbshemmnis. Daher setzen wir uns dafür ein, bestehende bürokratische Pflichten zu evaluieren und systematisch abzubauen, sowie besonders für KMU praxistaugliche Vereinfachungen zu schaffen. Wir treten daher für einen KMU-Test für Gesetzgebungsverfahren ein, der die potentiellen Auswirkungen auf KMU kritisch durchleuchtet. Generell wollen wir die Wirtschaft von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien und treten für die „One in, two out“-Regel ein: Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung sollen demnach bestehende Belastungen in doppeltem Umfang abgeschafft werden. Zudem lehnen wir eine Übererfüllung von EU-Anforderungen („Gold Plating“) ab. Im Steuerbereich streben wir insbesondere Erleichterungen bei der Entsenderichtlinie, bei der Offenlegung von Ertragsteuerinformationen (pCbCR) sowie bei den Meldepflichten nach der Amtshilferichtlinie (insbesondere DAC 6, DAC 7) an.
Wie stehen Sie zum Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Steuerpolitik?
Das Einstimmigkeitsprinzip wird seit jeher kontrovers diskutiert, führt es doch dazu, dass ein einziger Mitgliedstaat wichtige Initiativen für die EU blockieren kann und dies gegebenenfalls auch als politisches Machtmittel nutzen kann. Nichtsdestotrotz ist das Einstimmigkeitsprinzip im Steuerbereich eine wichtige Ausprägung der Staatensouveränität in der Steuerpolitik und sollte unbedingt beibehalten werden.
In den Mitgliedstaaten wird, u.a. in der Steuerpolitik, zunehmend ein „Eigenleben“ der EU bemängelt in dem Sinn, dass nationale Parlamente und Regierungen in die Entscheidungen auf EU-Ebene nicht mehr eingebunden sind. Sehen Sie das auch so und, wenn ja, wie könnte man diese Situation verbessern?
Die EU-Kommission ergreift im Steuerbereich zunehmend zahlreiche Initiativen, die neben der Harmonisierung von Verbrauchsteuern auch gemeinsame Problemstellungen der Mitgliedstaaten im internationalen Steuerrecht adressieren. Diese Bestrebungen sind grundsätzlich begrüßenswert, allerdings gilt es hierbei auch stets das Subsidiaritätsgebot zu wahren: nur, was nicht besser auf einzelstaatlicher Ebene geregelt werden kann, sollte auf europäischer Ebene geregelt werden. Neben den inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei steuerlichen EU-Richtlinien insbesondere im EU-Rat (ECOFIN), steht den Mitgliedstaaten hierfür auch die Subsidiaritätsrüge als Instrument zur Verfügung. Dennoch gilt es auch weiterhin, Maß zu halten in Bezug auf die Anzahl europäisch regulierter Problemstellungen, um den Mitgliedstaaten und den nationalen Parlamenten nicht sukzessive ihren Gestaltungsspielraum zu nehmen.