Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft e.V. - BDWi
Es zeichnet sich ab, dass viele der Maßnahmen des European Green Deals die europäischen Unternehmen überfordern. Ein enges regulatorisches Korsett zu schnüren, ist der falsche Weg, um Klimaneutralität zu erreichen. Besteht beim European Green Deal Reformbedarf? Was muss verändert werden?
Die Grundkonzeption des Green Deals gehört vom Kopf auf die Füße gestellt. Es muss Abstand genommen werden von einem viel zu planwirtschaftlichen Ansatz und es muss wieder auf Marktinstrumente gesetzt werden, insbesondere auch bei der Erreichung der Klimaziele. Es ist nicht Aufgabe der EU, Unternehmen durch Detailsteuerung zu bevormunden, Absätze zu garantieren, Ressourcen zuzuteilen und Preise künstlich festzusetzen. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr Wettbewerb, mehr freien Handel und bessere Bedingungen für private Investitionen und Gründungen. Wir Freie Demokraten fordern daher eine Regulierungspause beim Green Deal. Unternehmen brauchen zunächst ausreichend Spielraum, um die bereits festgelegten Ziele umzusetzen. So sind die Einführung von Nachhaltigkeitsbewertungen wie ESG-Kennzahlen und die Taxonomie dringend auf das zurückzuführen, wozu sie ursprünglich gedacht waren: Transparenz für Verbraucher, Anleger und Investoren. Überbordende Berichtspflichten und die Instrumentalisierung des Finanzmarktes für politischen Durchgriff lehnen wir ab. Für den Klimaschutz ist der Emissionshandel das effektivste und effizienteste Instrument, da er ein klares Treibhausgaslimit vorgibt.
Die EU-Kommission greift in die Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten ein. Ein Beispiel dafür ist die Mindestlohnrichtlinie. Ist eine EU-weit einheitliche Sozialpolitik erforderlich oder sollte die Zuständigkeit für die Sozialpolitik ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten liegen?
Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass Arbeitsmarktpolitik zu Recht Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Zudem wird die Höhe des Mindestlohnes in Deutschland durch die Tarifvertragsparteien in der Mindestlohnkommission ermittelt. Generell ist die Lohnfindung die ureigenste Aufgabe der Tarifvertragsparteien und nicht des Staates. Nur in Fragen, die tatsächlich eine erhebliche grenzüberschreitende Bedeutung für den Binnenmarkt oder die Freizügigkeit haben, ist die EU politisch gefordert.
Trotz aller Initiativen zum Abbau von Bürokratie wächst diese ungebremst. Ein sehr großer Teil dieser Bürokratie hat seinen Ursprung in europäischer Regulierung. Ist ein spürbarer Bürokratieabbau in Europa möglich? Und was muss dafür getan werden?
57 Prozent der bürokratischen Belastungen in Deutschland basieren auf europäischem Recht. Die EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat trotz entgegenstehender Ankündigungen die Bürokratie in den letzten Jahren massiv ansteigen lassen. Jüngstes Negativbeispiel ist die von ihr und der Kommission vorangetriebene europäische Lieferkettenrichtlinie. Wir Freie Demokraten fordern einen „Bureaucracy Reduction Act“. Wir wollen die Wirtschaft von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien. Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der „One in, two out“-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden. Wir treten zudem für eine systematische Erfassung der Bürokratiekosten resultierend aus EU-Rechtsvorschriften ein. Wir fordern einen systematischen Berichtspflichten-Check durch die EU-Kommission, um doppelte Berichtspflichten zu identifizieren und zusammenzuführen oder abzuschaffen. Eine Übererfüllung von EU-Anforderungen, das sogenannte „Gold Plating“, lehnen wir ab. Wir fordern außerdem, Gesetze und Verordnungen, wo möglich, mit einem konkreten Ablaufdatum, einer sogenannten „Sunset-Klausel“, zu beschließen.
Versorgungssicherheit muss das wichtigste energiepolitische Ziel Europas sein. Damit ist es aber nicht getan. Genauso wichtig ist es, dass Energie bezahlbar bleibt. Wie können Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher in Europa gewährleistet werden?
Versorgungssicherheit ist dann gewährleistet, wenn neben dem Ausbau von Erneuerbaren Energien auch der Ausbau von Netzen, Speichern, Flexibilitäten und Back-up-Kraftwerken gelingt. Dafür hat die FDP viele Maßnahmen auf Bundesebene durchgesetzt und mitgetragen. Daneben müssen vor allem das Energieangebot ausgeweitet und heimische Energiereserven genutzt werden. Darüber hinaus muss bei der Energiewende ein Fokus auf Markt- und Systemdienlichkeit gelegt werden, um die Kosten der Energiewende möglichst gering zu halten. Die heutige EEG-Förderung steht diesem Ziel im Weg. Auf EU-Ebene setzen wir uns für eine gemeinsame Energieaußenpolitik ein, die Energiepartnerschaften mit zuverlässigen Ländern herstellt. So kann es gelingen, Energiequellen zu diversifizieren und Energieabhängigkeiten von einzelnen Lieferanten zu reduzieren. Das Stromnetz zwischen den Mitgliedstaaten muss ausgebaut und der Europäische Energiebinnenmarkt geschaffen werden.
Es ist wichtig, dass die europäische Regulierung gewährleistet, dass landwirtschaftliche Unternehmen aus Europa auch weiterhin auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Sie dürfen nicht überfordert werden. Welche landwirtschaftspolitischen Reformen muss Europa dringend anpacken?
Wir Freie Demokraten wollen eine Regulierungspause für den Europäischen Green Deal, sodass landwirtschaftliche Unternehmen aus Europa auch weiterhin auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Viele Maßnahmen, die die EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen (CDU) auf den Weg gebracht hat, bedeuten zusätzliche Regulierung und bürokratische Belastungen, auch für die Agrarbranche. Daher sind Reformen in Europa dringend angebracht. Vor allem die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist in der Vergangenheit immer komplexer und bürokratischer geworden. Sie braucht ein grundlegendes Update. Wir wollen Landwirte unabhängiger von der Agrarförderung machen und Natur- und Umweltschutz mit Naturschutzkooperationen statt Auflagen und Verboten erreichen.
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden, trotz des Verbrennerverbots ab dem Jahr 2035, weiterhin für den Wirtschafts- und Individualverkehr unverzichtbar sein. Mit welcher Regulierung sollte der Markthochlauf klimafreundlicher und klimaneutraler, flüssiger Kraftstoffe in Europa angereizt werden?
Das wirksamste Instrument für den Markthochlauf klimafreundlicher und klimaneutraler, flüssiger Kraftstoffe in Europa ist der Emissionshandel. Voraussetzung dafür ist eine technologieoffene Regulierung der Antriebstechnologien. Deshalb fordern wir sowohl eine konsequente Ausrichtung der beiden EU-Emissionshandelssysteme an den Klimazielen der EU als auch die von der EU-Kommission zugesagten Regelungen, die über das Jahr 2035 hinaus die Neuzulassungen von ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betriebenen Fahrzeugen ermöglichen. Für einen beschleunigten Markthochlauf in der Bestandsflotte trägt aktuell auch die Anrechnung von klimaneutralen flüssigen Kraftstoffen auf die THG-Quote bei.
Die Regulierung der Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungsprodukten ist Stück für Stück verschärft worden. Dabei ist eine zusätzliche, private Altersvorsorge für die Bürger unverzichtbar. Ist eine zusätzliche Regulierung der im Rahmen der einschlägigen Richtlinien erforderlich?
Wir wollen eine möglichst breite Bevölkerungsschicht für das Thema Investment begeistern und damit den Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge voranbringen. Dafür ist die fundierte und qualifizierte Anlageberatung unabdingbar. Zunehmende Regulierungstendenzen dürfen den niedrigschwelligen Zugang zu qualifizierter Beratung nicht erschweren. Daher setzen wir uns dafür ein, alle politischen Vorhaben systematisch auf Belastungen zu überprüfen und das Belastungsmoratorium zu einer Belastungsgesamtrechnung weiterzuentwickeln, die gesetzlich verankert wird. Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der „One in, two out“-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden.
Der Fachkräftemangel ist branchenübergreifend und nicht auf Deutschland beschränkt. Gleichzeitig üben Migrationsbewegungen großen Druck auf die politische Stabilität vieler EU-Mitgliedsländer aus. Wie kann es gelingen, Fachkräfteeinwanderung und Migration nach Europa in Einklang zu bringen?
Wir Freie Demokraten fordern einen Neustart in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Zuwanderung muss effektiv gesteuert und irreguläre Migration reduziert werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen die grundlegende EU-Asylreform zum Erfolg führen und beweisen, dass sie insbesondere mit schnelleren Asylverfahren und konsequenten Rückführungen irreguläre Migration wirksam reduzieren können.
Gleichzeitig wollen wir die Einwanderung in den Arbeitsmarkt verständlich und einfach steuern. Denn die EU muss ihre Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte sowie Studierende aus Nicht-EU-Staaten deutlich erhöhen, um mehr reguläre und dringend benötigte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht.
Neben einer weiteren Öffnung der „Blue Card“ auch für nicht-akademische Fachkräfte und niedrigeren Mindestgehaltsgrenzen wollen wir einen europäischen Talentpool mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Die Steuerung soll hier über Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnisse, Alter, Berufserfahrung und den aktuellen Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt erfolgen.