Deutsch-Bulgarische Elterninitiative "Jan Bibijan" e.V.
Würden Sie sich dafür einsetzen, dass die Sprachabschlüsse des bulgarischen Konsulatsunterrichts (HSU) der D-BG-Elternini in Münster europaweit anerkannt werden, um Integration und Chancengleichheit für Schüler zu gewährleisten?
Die Bildungsfreizügigkeit wollen wir als neue Grundfreiheit in der Europäischen Union etablieren. Ein wichtiger Beitrag dazu ist die internationale Vergleichbarkeit und Anerkennung von Bildungsabschlüssen, die wir entschlossen vorantreiben möchten. Zu einzelnen Angeboten können wir an dieser Stelle jedoch keine pauschale Festlegung treffen.
Sollte der Begriff "Armutsmigration", wie vom Städtetag (2013) für Migration von Bulgaren und Rumänen nach Deutschland verwendet, auch innerhalb der EU anerkannt werden? Neuburger (2021) betrachtet diese Bezeichnung als Form des Ausschlusses, der Abwehr und Verdrängung von EU-Binnenmigranten.
Wir Freie Demokraten sehen den Schengenraum als Ausdruck gelebter Freiheit und als eine der größten Errungenschaften in der Geschichte Europas. Die Abwesenheit von Binnengrenzkontrollen liegt im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interesse Deutschlands und Europas. Wir begrüßen, dass seit dem 31. März 2024 nun auch Bulgarien und Rumänien Schengen-Mitglieder sind und die Bürgerinnen und Bürger die Freizügigkeit des Schengenraums nutzen können. Wir sprechen von Arbeits- oder Erwerbsmigration statt von „Armutsmigration“. Dies beschreibt eine Migrationsbewegung zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am Zielort mit der Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Teilhabechancen. Schon heute stellt der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel viele Unternehmen in Deutschland vor große Herausforderungen. Wir wollen Hürden für die Arbeitskräftemobilität in der EU abbauen sowie komplizierte und langwierige Prozesse vereinfachen, um diesbezüglich die Chancen des europäischen Binnenmarktes noch besser nutzen zu können.
Planen Sie die Reform der EU-Richtlinie 77/486/EWG von 1977 zur schulischen Betreuung von Kindern von Wanderarbeitnehmern? Werden Sie die Förderung kleinerer EU-Sprachen wie Bulgarisch unterstützen, auch wenn Elterninis eigenen Sprachunterricht organisieren und zu GeR-Sprachabschlüssen führen?
Muttersprachlicher Unterricht kann eine wertvolle Rolle bei der Förderung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen einnehmen. Insbesondere bei staatlicher Förderung sollte eine Mitwirkungsmöglichkeit der Kultusministerien zur Qualitätssicherung hinsichtlich Qualifikationen, Bildungsplänen und Abschlüssen sichergestellt sein. In der gelebten Kultur der europäischen Sprachvielfalt sollen alle europäischen Sprachen angemessen berücksichtigt werden.
Nach Neuburger (2021) schafft eine institutionelle Unbequemlichkeitskultur im Bildungs- und Schulbereich unattraktive Bedingungen für unerwünschte Zuwanderer aus EU-2-Ländern in Deutschland, was zu einem rekonstruierten Antiziganismus führt. Ihre Meinung? Geplante Maßnahmen?
Wir Freie Demokraten verurteilen Antiziganismus und stellen uns diesem aktiv entgegen. Auch und gerade in Bildungseinrichtungen müssen diese und andere Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv bekämpft werden. Wir setzen uns für Chancengerechtigkeit in der Bildung ein, unabhängig von der Herkunft der Kinder oder dem Elternhaus. Auf EU-Ebene gibt es jedoch nur wenige Hebel, um dieses Ziel zu erreichen. Die Verantwortung dafür liegt bei den Bildungs- und Kultusministern der Länder in Deutschland. Die FDP-Bundesbildungsministerin unterstützt dies in Deutschland bereits durch Initiativen wie das Startchancenprogramm, dem größten Bildungsinvestitionsprogramm in der Geschichte des Bundes.
Wie werden Sie sicherstellen, dass ehrenamtliche Elterninitiativen bei EU-Förderungen für Erinnerungsveranstaltungen zur Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit berücksichtigt werden? Sie stehen oft im Wettbewerb mit professionellen Einrichtungen der politischen Bildung.
Die Aufarbeitung und Vermittlung des Unrechts des Nationalsozialismus und des Kommunismus ist auch eine gesamteuropäische Aufgabe mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Blickwinkeln. Die Aufarbeitung dauert bis heute an und der Diskurs über die Frage nach einer europäischen Gedenk- und Erinnerungskultur wird lebhaft geführt. Durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte kann eine Sensibilisierung für den Wert der europäischen Freiheits- und Bürgerrechte geleistet werden. Die Stärkung der historischen Orte mit mehr digitalen Angeboten, einer stärkeren europäischen Vernetzung und innovativen Vermittlungskonzepten ermöglicht es, Brücken zu jüngeren Generationen zu bauen, um einen Beitrag zur Stärkung des Bewusstseins für die Freiheit zu leisten. Das Ehrenamt ist für uns Freie Demokraten generell ein wichtiger Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ehrenamt, Sport und Kultur wollen wir durch gute Rahmenbedingungen unterstützen. Wir wollen das Ehrenamt insbesondere von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten. Ehrenamt ist mehr als nur Freizeit. Das freiwillige Engagement tausender Bürgerinnen und Bürger ermöglicht Millionen von Menschen freie Entfaltung, Selbstwirksamkeit und vor allem Kindern und Jugendlichen wertvolle Lernprozesse. Es bringt Menschen unabhängig von ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund zusammen, stiftet Gemeinschaft und fördert Toleranz. Auch bei EU-Förderungen sollte der Grundsatz gelten, dass die beste Idee, das beste Projekt sich durchsetzt - ganz gleich ob ehrenamtlich oder professionell.
Der Menschenrechtsrat der UN verabschiedete 2021 die Resolution 48/13 über „Sacrifice Zones“ - Orte, an denen Bewohner unter Gesundheitsrisiken und Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Umweltverschmutzung leiden. Diese Problematik existiert auch in der EU. Welche Maßnahmen planen Sie?
Wir Freie Demokraten setzen uns für weltweiten Natur- und Artenschutz ein. Gesundheitsrisiken aufgrund von Umweltverschmutzung sind global ein großes Problem. In der EU wollen wir Klimaschutz insbesondere durch einen sektorenübergreifenden Emissionshandel, Technologieoffenheit und Innovationen effektiv erreichen.
Wie bewerten Sie die Einbindung von migrantischen Elternvertretern in EU-Gremien, um Fragen der Teilhabe und Integration aktiv mitzugestalten und regelmäßig anzuhören? Welchen Stellenwert hat die Beteiligung von Elterninitiativen in Ihren Augen?
Für uns Freie Demokraten ist es klar, dass staatliche Maßnahmen der Individualität der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden müssen. Staatliche Institutionen müssen zudem so transparent wie möglich handeln. Die Beteiligung betroffener Gruppen an EU-Gesetzes- oder Verwaltungsvorhaben hat für uns daher einen hohen Stellenwert. Bei Vorhaben im Bereich der Teilhabe und Integration, die besonders für migrantische Gruppen von Relevanz sind, sollte der Vielfalt migrantischer Erfahrungen und der Vielfalt migrantischer Statusgruppen Rechnung getragen werden. Migrantische Elternvertretungen können selbstverständlich Teil dieses Beteiligungsprozesses sein. Die bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten auf EU-Ebene, wie zum Beispiel öffentliche Anhörungen, Sachverständigengremien oder die Ansprache von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, sind dabei für uns ausreichend. Die EU-Kommission und das Europäische Parlament müssen jedoch sicherstellen, dass der Zugang für alle niedrigschwellig möglich ist, um eine aktive Teilhabe zu gewährleisten.
Wie bewerten Sie die Einführung von Ombudspersonen in der EU, die sich mit Fällen von institutioneller Diskriminierung, Klassismus und Antiziganismus gegenüber Schülern, Eltern und Elterninitiativen befassen würden?
Wir Freie Demokraten wollen ein Europa der Vielfalt. Der Schutz von Minderheiten ist innerhalb einer demokratischen Gemeinschaft Voraussetzung und Anliegen des Rechtsstaats. Nationale Minderheiten innerhalb der EU haben ein Recht, ihre Kultur und ihre Sprache pflegen und weitergeben zu können. Menschen anderer Hautfarbe oder mit Migrationshintergrund dürfen keiner Diskriminierung ausgesetzt sein. Alltagsdiskriminierung und erst recht eine systematische Ausgrenzung von Minderheiten haben in Europa keinen Platz. Inwieweit eine Ombudsperson auf Ebene der EU helfen könnte, Diskriminierung wirksam entgegenzutreten, sollte sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Wir Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass es vor allem eines engen Zusammenwirkens von EU und Mitgliedstaaten bedarf, um unser Europa der Vielfalt zu stärken und Diskriminierung wirksam zu begegnen.