Hochschulrektorenkonferenz

In der laufenden Legislaturperiode gab es von Seiten der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten Fortschritte bei der Integration von Bildung und Forschung. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch das Europaparlament die Synergien der beiden Politikbereiche stärker in den Blick nimmt?

Wir Freie Demokraten wollen es einfacher machen, Bildungs- und Arbeitsangebote in der gesamten EU zu nutzen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union beheimaten exzellente Hochschulen mit vielfältigen Forschungsschwerpunkten und international anerkannter Expertise. Um diese Exzellenz auch weiterhin zu gewährleisten, fordern wir eine weitere Stärkung im Bereich der Bildung und Forschung. Konkret wollen wir beispielsweise multinationale Hochschulen in Grenzregionen und Studiengänge sowie Prädoc- und Postdoc-Programme, die den Aufenthalt an mindestens zwei europäischen Hochschulen bzw. Forschungsinstituten bedingen, besonders unterstützen. Wir wollen den European Innovation Council zu einer Europäische Agentur für Sprunginnovation weiterentwickeln und so für eine europaweit vernetzte, koordinierte Forschungspolitik sorgen. Innovationscluster, wie „Brainport Eindhoven“ in den Niederlanden, in denen Wissenschaftsinstitute, Start-ups und High-Tech-Unternehmen eng zusammenarbeiten und Innovationen vorantreiben, können Vorbild für die gesamte EU sein.

In innovativen Volkswirtschaften stehen Hochschulen im Zentrum des Wissensvierecks und setzen neben hervorragender Bildung auch zentrale Impulse für exzellente Forschung, Innovation, Kultur. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass dies künftig im Diskurs der EU-Institutionen stärker anerkannt wird?

Exzellente Bildung und freie Forschung sind unabdingbare Voraussetzungen für Innovation und Wohlstand und damit für eine bessere Zukunft für Europa. Wir Freie Demokraten setzen uns deshalb dafür ein, den europäischen Bildungsraum zu stärken. Wir wollen bestehende Hürden abbauen, damit der europäische Bildungsraum für alle Menschen in der EU zum persönlichen Chancenraum wird. Die Bildungsfreizügigkeit wollen wir als neue Grundfreiheit der Europäischen Union etablieren sowie die Semester- und Prüfungszeiten in der EU angleichen. Dadurch vereinfachen wir die Planung von Auslandsaufenthalten und verhindern beispielsweise, dass Studierende ihr Studium aufgrund abweichender Zeiträume verlängern müssen. Wir wollen es erleichtern, europaweit die am besten passende Universität zu finden. Auch Bewerbungsprozesse wollen wir vereinfachen. Zu diesem Zweck soll ein zentrales Online-Bewerbungsportal für die EU eingeführt werden. Wir fordern die Einführung eines digitalen Europäischen Studierendenausweises, damit sich Studierende europaweit unkompliziert ausweisen können.

Europas wirtschaftlicher Erfolg basiert auf Technologien und der Bildung seiner Bürgerinnen und Bürger. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch im nächsten Finanzrahmen der EU das Europäische Forschungsrahmenprogramm und das Mobilitätsprogramm Erasmus einen Mittelzuwachs erhalten?

Wir wollen Erasmus+ stärken und den Zugang auch für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Azubis verbessern. Weiteren Partnerländern der EU soll der Status als Programmland angeboten werden, insbesondere den Beitrittskandidaten. Die Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen wollen wir verbessern. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon Europe“ wollen wir weiterentwickeln und mit klaren Schwerpunkten insbesondere in den Bereichen Bio- und Gentechnologie, Energietechnik sowie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ausbauen. Wir unterstützen den zentralen Teil des „Investitionsplanes für Europa“, mit dem die Europäische Union eine verbesserte, zielgenauere Verwendung von EU-Haushaltsmitteln anstrebt. Mithilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen Investitionen mobilisiert werden – mit Schwerpunkten auf Infrastruktur, Forschung und Entwicklung von klimaschonenden Technologien sowie Innovationen kleiner und mittlerer Unternehmen.

Wie werden Sie sicherstellen, dass im Rahmen der zukünftigen europäischen Forschungsförderung der gesellschaftliche Mehrwert auch der Grundlagenforschung in den Verhandlungen zum 10. FRP anerkannt wird und weiterhin eine angemessen starke Rolle spielen wird?

Wir Freie Demokraten sehen im nationalen wie europäischen Rahmen die Grundlagenforschung als Basis für Innovation an. Daher wollen wir sie neben der angewandten Forschung weiter ausbauen. Ferner wollen wir die Europäische Union bis zum Jahr 2030 zum modernsten und innovativsten Raum weiterentwickeln. Wir wollen „Horizon Europe“ ausbauen, mit klaren Schwerpunkten in den Bereichen Biotechnologie, Gentechnologie, Gesundheitstechnologien, Chemie, Energietechnik, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Mobilität und Nanotechnologie. Dabei muss der Technologie- und Wissenschaftstransfer verstärkt werden. Hierzu sollen die europäischen Richtlinien zur Zulassung neuer Technologien zügig angepasst werden, um eine Markteinführung nicht unnötig zu verzögern, sondern den Wirtschaftsraum EU in seiner Innovationskraft zu stärken. Disruptive Innovationen, wie zum Beispiel die Genschere CRISPR/Cas9, sollten nach wissenschaftlichen Risiken bewertet und zugelassen werden.

Das EU-FRP ist historisch ein Technologieförderprogramm. Dies prägt den EU-Innovationsbegriff. Die sozialen Konsequenzen neuer Technologien durch Verhaltensänderungen werden ausgeblendet, und auch Soziale Innovation kommt in den Ausschreibungen kaum vor. Werden Sie das ändern und wie?

Wir Freien Demokraten erkennen die Relevanz von Sozialen Innovationen an. Deswegen haben wir auf nationaler Ebene 2023 die Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen beschlossen. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon Europe“ wollen wir auch mit einem Fokus auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz weiterentwickeln und ausbauen. Die bestehenden FRP-Initiativen zur Förderung sozialer Innovationen, wie etwa „The European Social Innovation Competition 2024“, halten wir für wichtig.

Wie sieht Ihre Vision für eine nachhaltig ausgestaltete, strukturell verankerte Zusammenarbeit von Hochschulen in Europa aus – sowohl für die angestrebten 60 Allianzen im Rahmen des Programms European University Initiative als auch für nicht am Programm teilnehmende Hochschulen?

Die Zusammenarbeit von Hochschulen ist ein bedeutendes Beispiel gelebter europäischer Integration. Sie stärkt sowohl die europäische Identität von Studierenden und Mitarbeitenden als auch die Attraktivität Europas als Standort für Wissenschaft und Forschung. Nationale und europäische Förderprogramme sollen unbürokratisch zugänglich und sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, wobei wir insbesondere einen Schwerpunkt auf Vernetzung, Mobilität und Digitalisierung legen möchten. Neben dem Ausbau von Erasmus+ und „Horizon Europe“ wollen wir multinationale Hochschulen in Grenzregionen und Studiengänge sowie Prädoc- und Postdoc-Programme, die den Aufenthalt an mindestens zwei europäischen Hochschulen bzw. Forschungsinstituten bedingen, besonders unterstützen. Für eigene Rechtspersönlichkeiten der Hochschulallianzen wollen wir geeignete Lösungen finden. Semester- und Prüfungszeiten wollen wir angleichen und ein zentrales Online-Bewerbungsportal sowie einen digitalen Europäischen Studierendenausweis einführen.

Deutschland hat mit der Exzellenzinitiative hervorragende Erfahrungen gemacht. Die HRK setzt sich dafür ein, die Idee auf Europa zu übertragen und zukünftig zusätzlich auch europäische Exzellenzcluster auszuschreiben. Finden Sie diese Idee unterstützenswert, und wie würden Sie diese voranbringen?

Die Exzellenzstrategie hat sich als ein zentrales Instrument zur Förderung exzellenter Forschung herausgebildet. Sie hat zur Profilbildung und zur Stärkung des Wissenschaftsstandortes Deutschland beigetragen und die Sichtbarkeit exzellenter Forschung gestärkt. Dies auf Europa zu übertragen und europäische Exzellenzcluster auszuschreiben, wäre grundsätzlich begrüßenswert. Wir Freie Demokraten wollen zudem die existierenden exzellenten Forschungszentren in der Europäischen Union stärker vernetzen. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse haben keine Staatsbürgerschaft, sondern fördern den Fortschritt überall in unserer Gesellschaft und der Welt, wenn wir sie teilen. Im Haushalt der EU soll Forschung künftig ein stärkerer Förderungsschwerpunkt sein. Außerdem soll die EU bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit der Forschungszentren verstärkt unterstützen.

Die deutschen Hochschulen begrüßen die Initiative des Europaparlaments, Wissenschaftsfreiheit legislativ zu verankern. Allerdings sollte es keine gesetzlich durchdeklinierte Definition geben, sondern ein grundsätzlich im Einzelfall von Gerichten zu bewertendes Grundrecht. Wie stehen Sie dazu?

Wir Freie Demokraten verteidigen die Freiheit von Forschung und Lehre. Wissenschaft lebt von einer offenen Debattenkultur. Wir begrüßen die Initiative, Wissenschaftsfreiheit auch auf europäischer Ebene zu stärken. Aktivitäten zur Stärkung der Wissenschaftsfreiheit dürfen nicht in engen Definitionen oder Regularien münden. Einen Abbau der wissenschaftlichen Selbstkontrolle zugunsten strenger staatlicher Vorschriften lehnen wir ab.

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