Naturfreundejugend Deutschland

Das EU-Lieferkettengesetz wäre ein Meilenstein für die Stärkung von Menschenrechten und den Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dafür eine Mehrheit im Rat zu schaffen? Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Gesetz in Zukunft weiter zu stärken?

Die Ausgestaltung der EU-Lieferkettenrichtlinie sehen wir sehr kritisch. Sie geht in vielen Bereichen weiter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und führt zu unverhältnismäßigen Belastungen für den Mittelstand in Deutschland und Europa. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft erheblich. Denn ein Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette ist realitätsfern. Leider droht, dass die Richtlinie das Ziel, den Schutz der Menschenrechte weltweit zu verbessern, sogar konterkarieren kann: Nämlich, wenn sich Unternehmen aus Sorge vor Strafzahlungen aus den Ländern zurückziehen, die von den Investitionen aus Deutschland am meisten profitieren. Eine EU-Lieferkettenrichtlinie muss jedoch für Unternehmen zumutbar ausgestaltet sein. So dürfen Sorgfaltspflichten der Unternehmen nur dort greifen, wo diese hinreichende direkte und tatsächliche Aufklärungs- und Einwirkungsmöglichkeiten geben, damit Unternehmen ihrer menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflicht auch wirksam nachkommen können. Zugleich dürfen keine unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden und juristische Unklarheiten geschaffen werden.

Ein angemessener EU-Beitrag zum 1,5°C-Limit wären eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um mind. 95 % bis 2035 (Kommission empfiehlt 90% bis 2040). Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass die EU-Klimapolitik kompatibel mit dem Paris-Abkommen wird und das notwendige Ambitionsniveau erreicht?

Wir wollen die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad begrenzen. Die FDP setzt auf Technologieoffenheit und den Emissionshandel, um die europäischen Klimaziele sicher und kostengünstig zu erreichen. Der Emissionshandel ist das effektivste und effizienteste Klimaschutzinstrument, da er ein klares Treibhauslimit vorgibt. Bis 2035 wollen wir die Systeme ETS 1 und 2 zusammenlegen, damit sie noch effizienter werden, und verbliebene Emissionsquellen wie die Abfall- und Landwirtschaft einbeziehen. Mittelfristiges Ziel ist eine einheitliche CO2-Bepreisung.

Die Aufnahme von Atomkraft und Gas in die EU-Taxonomie verzögert den sozial-ökologischen Wandel. Wie wollen Sie sich für eine Reform der EU-Taxonomie einsetzen, damit Erdgas- und Nuklear-Wirtschaftsaktivitäten nicht länger als nachhaltig gelabelt werden können?

Wir Freie Demokraten stehen für Technologieoffenheit. So bietet zum Beispiel die Kernfusion das Potential, Energie in Zukunft klimaneutral und sicher zu erzeugen. Wir wollen für die Kernfusion einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen außerhalb des Atomrechts schaffen, der den geringeren Risiken dieser Technik Rechnung trägt. Auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe bieten große Chancen als Energiespeicher der Zukunft. Regulatorische und bürokratische Hürden, die den schnellen Wasserstoffhochlauf behindern, müssen daher abgebaut werden. Wir setzen auf marktwirtschaftliche Mittel wie den Emissionshandel, um die Zukunft klimaneutral zu gestalten.

Das zentrale Förderinstrument Erasmus+ Jugend braucht eine Vereinfachung der Antragstellung, zuverlässige und frühzeitige Bereitstellung von bewilligten Mitteln. Wie planen Sie sich für eine Richtlinien Überarbeitung im Sinne einer verlässlichen und zukunftsfähigen Förderung einzusetzen?

Wir Freie Demokraten wollen das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in einem gemeinsamen europäischen Bewusstsein fördern. Wir wollen das Erasmus+ Programm stärken, das nicht nur Individuen die Vielfalt Europas durch zum Beispiel Austausche näherbringt, sondern auch Jugendorganisationen in ihrer Arbeit stärkt. Die Beantragung von EU-Mitteln muss dabei unkomplizierter und unbürokratischer möglich sein als bisher. Insbesondere wollen wir über diese gezielte finanzielle Unterstützung von Jugendverbänden die Bildungsmobilität in der EU erhöhen, die länderübergreifende Zusammenarbeit von nationalen Verbänden und Organisationen stärken und junge Menschen befähigen, politische Ideen und Konzepte zu entwickeln. 

Die demokratische EU steht zunehmend unter Druck. Europaweit erstarken antidemokratischer Parteien. Diese versuchen den Rechtsstaat zurückzudrängen. Wie sorgen Sie dafür, dass die Demokratie und der Rechtsstaat ein fester Bestandteil der EU und aller Mitgliedsstaaten bleibt?

Die Werte der Union – Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind das Fundament, auf dem die EU aufgebaut ist. Wer den Rechtsstaat mit Füßen tritt, dem müssen rasch und konsequent EU-Fördermittel entzogen werden. Künftig soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Antrag eines Mitgliedstaats, der Kommission oder des Parlaments EU-Gelder einfrieren können. Wir wollen den Rechtsstaatsmechanismus auf die Verletzung aller Werte der Union ausweiten, unabhängig davon, ob EU-Gelder betroffen sind. Der Schutz von Minderheiten ist innerhalb einer demokratischen Gemeinschaft Voraussetzung und Anliegen des Rechtsstaats. Nationale Minderheiten innerhalb der EU haben ein Recht, ihre Kultur und ihre Sprache pflegen und weitergeben zu können. Menschen anderer Hautfarbe oder mit Migrationshintergrund dürfen keiner Diskriminierung ausgesetzt sein. Wir Freie Demokraten fordern, dass Demonstrationen von LSBTIQ unionsweit ungehindert und sicher stattfinden können. Wir fordern zudem, dass innerhalb der EU geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen und festgestellte Elternschaften mit allen Rechten und Pflichten in den europäischen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Durch den deutsch-französischen Freundschaftspass konnten sich junge Menschen in Europa begegnen. In Deutschland konnte, dem ÖPNV-Flickenteppich ein „Deutschlandticket“ entgegenzusetzen. Wie wollen Sie erreichen, dass Menschen in Zukunft umweltfreundlich und kostengünstig durch Europa reisen können?

Wir Freie Demokraten sind stolz darauf, mit dem 49-Euro-Ticket ein deutschlandweit gültiges und digitales ÖPNV-Ticket etabliert zu haben. Darüber hinaus fordern wir die Einführung eines gemeinsamen Europa-Tickets für alle jungen Europäerinnen und Europäer, das nicht nur Bahnstrecken, sondern auch den öffentlichen Personennahverkehr umfasst. Wir setzen uns zudem für den konsequenten Ausbau der Transeuropäischen Eisenbahnnetze zu Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitskorridoren ein. Ziel ist ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz. Schienennetze und Ticketsysteme sollen harmonisiert werden. Neben der Schiene ist auch weiterhin der Individualverkehr wichtig. Dabei setzen wir auf Technologieoffenheit. Alternative Kraftstoffe, wie E-Fuels, bieten z. B. große Chancen für klimafreundliche Mobilität und können in der heutigen Import- und Verteilinfrastruktur genutzt werden.

2020 wurde die Stärkung der Jugendgarantie beschlossen. Dennoch lag die Jugendarbeitslosigkeit in der EU im Dezember 2023 bei 14,7 Prozent. Wie bewerten Sie die beschlossene Stärkung der Jugendgarantie und wie muss diese eventuell noch angepasst werden?

Die Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der EU ist nach wie vor ein großes Problem. Um dem zu begegnen, wollen wir z. B. die European Employment Services zu einer Europäischen Arbeitsplattform ausbauen. Die neue digitale Europäische Arbeitsplattform soll sowohl europaweit Job- und Ausbildungsplätze vermitteln als auch eine echte Koordinationsrolle für die nationalen Arbeitsagenturen in der EU übernehmen, die es braucht, um Jugendarbeitslosigkeit auf der einen Seite und Fachkräftemangel in Europa auf der anderen Seite zu bekämpfen. Bei der Arbeitskräftemobilität wollen wir in der EU generell Hürden abbauen sowie komplizierte und langwierige Prozesse vereinfachen. Motivierten und leistungsbereiten Menschen, die vorankommen möchten, müssen alle Türen offenstehen. Wir wollen insbesondere monatelange bürokratische Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen. Wir möchten außerdem faire Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter schaffen, statt Selbstständige zu gängeln, und setzen uns für eine umfassende Korrektur der EU-Plattformarbeiterrichtlinie ein.

Damit Junge Menschen eine fundiert Wahlentscheidung treffen können, müssen auch komplexe Fragen ausführlich Antworten bekommen. Eine komplexe Frage in 300 Zeichen zustellen ist jedoch schwierig. Wie wollen Sie in Zukunft, im Sinne einer Teilhabe junger Menschen, sich dieses Problems annehmen?

Die Meinung junger Menschen ist uns wichtig. Neben öffentlichen Beteiligungsprozessen bei der Erarbeitung unserer Wahlprogramme, nutzen wir viele Möglichkeiten, um den Austausch zu fördern. Auf europäischer Ebene haben wir mit unserer Fraktion im Europäischen Parlament Renew Europe z.B. verschiedene Formate zur Jugendbeteiligung etabliert. Neben einer Summer School haben wir auch die Renew Youth Academy eingeführt, wo die Beteiligung junger Menschen an Gesetzgebungsprozessen im Mittelpunkt steht. Gemeinsam haben wir ein Prioritätenpaket für junge Menschen für die Arbeit der liberalen Fraktion für EU-Gesetze und Projekte entwickelt.

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