WISSING-Interview: Das wirkt alles wenig praxisnah

Der FDP-Generalsekretär Dr. Volker Wissing gab dem WDR5 Morgenecho folgendes Interview:

Frage: Was sagen Sie denn zu den Maßnahmen von gestern?

Antwort: Die Maßnahmen sind an einer Stelle enttäuschend. Es fehlt die Stringenz für einen längeren Zeitraum. Es sind sehr kleinteilige Dinge geregelt. Wenn ich mir anschaue, beim Handel differenziert man wieder zwischen 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und mehr. Das war beim letzten Mal schon bei den Gerichten aufgeflogen. Und jetzt stellt man sich die Frage: Warum muss diese Differenzierung sein? Das wirkt alles wenig praxisnah. Das ist schade. Ich hätte mir gewünscht, dass man eine Linie da drin hat, die auch einfach zu vermitteln ist. Das wird wieder zu reichlich Diskussionen führen. Für die Wirtschaft ist das eine zusätzliche Erschwerung, die natürlich auch zusätzlicher Entschädigungen bedarf. Und die müssen dann aber auch fließen, denn bisher hat der Bund keine Entschädigung für November bezahlt. Wir haben jetzt Ende November und es sind noch keine Gelder geflossen. Das Wort November-Hilfe kann man ja nun wirklich nicht mehr ernsthaft anwenden.

Frage: Jetzt wird wahrscheinlich auch ein großer Kampf ausgetragen worden sein zwischen Bund und Ländern, wie man da vorgeht für dieses Weihnachtsgeschäft. Kann der Einzelhandel froh sein, dass es überhaupt offen bleibt alles. Also ist das nicht so der Kompromiss, den man noch herausschlagen konnte?

Antwort: Der Handel ist hart getroffen von den Maßnahmen, auch von den November-Maßnahmen und so langsam wird die Luft dünn für den deutschen Handel, überhaupt für die betroffenen Wirtschaftsunternehmen. Die Firmen ächzen und jeder weiß, dass das Weihnachtsgeschäft ein wichtiges Geschäft ist. Ich hätte mir gewünscht, dass man hier nicht mit so kleinteiligen Regeln agiert und dass man die Hygiene-Konzepte vielleicht auch ein Stück stärker in den Blick nimmt. Jetzt ist es so vereinbart. Aber wichtig ist wie gesagt, dass wir Hilfen auch zahlen und eben nicht nur ankündigen.

Frage: Sagen Sie mir nochmal, was Sie sich wünschen an Konzepten, die nicht so kleinteilig sind, weil sie jetzt gerade kurz Hygiene-Konzepte erwähnt haben. Was wäre denn für Sie eine Alternative gewesen zu diesen Regelungen jetzt? Dass man sagt pro der und der Quadratmeterzahl in kleinen und großen Geschäften werden eben halt so und so viele Leute nur in die Läden gelassen.

Antwort: Die Bundeskanzlerin hat sich ja dazu entschieden, alle paar Wochen ein neues Konzept zu entwickeln, wie wir diese Pandemie bekämpfen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine Stringenz jetzt mal entwickeln müssen bis ins Frühjahr hinein, denn die Unternehmen brauchen ja irgendwann mal eine Perspektive, wie geht es weiter. Jetzt steht da, bis zum 20. Dezember gelten die Regeln, dann wird neu nachgedacht. Wenn man sich in die Unternehmen versetzt — Gastronomiebetriebe, auch Handel, die sollen jetzt ein System entwickeln, wie man kontrolliert, dass bis 800 Quadratmeter pro zehn Quadratmeter ein Kunde, ab 801 Quadratmeter pro 20 Quadratmeter und dann soll sie das implementieren. Und am 20. Dezember wird jetzt entschieden, ob das danach noch weiter geht oder nicht. Die werden langsam verrückt.

Frage: Sie haben gesagt, sie wünschen sich eine stringentere Lösung. Und dieses Hin und Her, das haben wir ja auch vorhin bei der Meinung der Menschen gehört hier aus Köln, die gesagt haben, dieses Wischiwaschi und immer so und so, das ist es nicht. Aber was wäre denn für Sie eine Lösung gewesen? Weil da haben Sie jetzt auch nichts gesagt. Dass Sie sagen, okay, das wär’s für mich, weil wir müssen die Zahlen runter kriegen und irgendwie muss man dann Geschäfte ja in dem Fall auch herangehen, weil dieses Weihnachtsgeschäft und den Publikumsverkehr, den es da gibt, den kann man sich ja wahrscheinlich nicht erlauben bei den Zahlen, die wir haben?

Antwort: Wichtig ist, dass wir diese gefährdeten Gruppen stärker in den Blick nehmen. Wir können ja nicht alles auf Dauer einstellen, wenn die Corona-Pandemie noch bis ins Frühjahr vorhanden ist. Niemand denkt doch ernsthaft daran, bis März, April die Geschäfte so weit runter zu fahren und die Gastronomie geschlossen zu halten. Also wir brauchen einen stärkeren Schutz der sogenannten vulnerablen Gruppen. Wir brauchen FFP2 Masken für die Betroffenen und wir brauchen Abstandsregeln und auch einen Umgang mit Handel, mit Gastronomie, der über mehrere Monate trägt und nicht nur bis zum 20.. Das bedeutet, man müsste stärker Hygiene-Konzepte nutzen und einfache Regeln haben, die jeder versteht und von denen man auch sagen kann, mit diesen Regeln können wir ein paar Monate leben, bis diese Pandemie wirklich unter Kontrolle ist. Aber Regeln für 20 Tage, verstehen Sie, um dann zu entscheiden, wie es in den nächsten zehn Tagen weitergeht — das ist zunehmend ein Stresstest für die Wirtschaft. Und diese Kleinteiligkeit halte ich nicht für richtig. Und insofern ist es wichtig, dass wir zu einem System kommen, das uns die Möglichkeit gibt, einen gewissen Zeitraum mit dieser Pandemie zu leben. Ich frage mich, was passiert eigentlich nach dem 20. Dezember? Die Gastronomie ist weiterhin geschlossen. Sie soll jetzt voll entschädigt werden vom Bund. Es ist aber nicht klar, was passiert am 21. Dezember.

Frage: Armin Laschet hat schon etwas für NRW gesagt — zumindest weil wir jetzt hier für NRW senden, dass wir jetzt nicht glauben sollten, dass es dann nochmal groß anders wird. Es gibt ja Sonderregelungen für Weihnachten, wenn ich das richtig verstanden habe, aber der meinte, dass das darüber hinaus auch erst einmal noch weitergetragen wird. Und ich glaube, Angela Merkel hat auch schon erwähnt, dass es im Januar wahrscheinlich auch noch weiter gehen wird.

Antwort: Man sollte den Leuten das dann aber klar sagen und man sollte dann auch eine Entschädigungsregel sofort auf den Weg bringen. Ich habe eben schon gesagt, die November-Hilfen sind noch nicht ausbezahlt. Wenn wir jetzt bis zum 20. Dezember so tun, als wäre dann das Problem in Luft aufgelöst, und dann am 21. erklären, jetzt muss wieder ein Monat verlängert werden, dann wird es auch schwierig, die Hilfsprogramme so aufzusetzen, dass sie funktionieren. Schauen Sie, wir haben allein, was die Hilfsprogramme der Wirtschaft angeht, jetzt inzwischen fünf verschiedene Programme. Wir haben die Soforthilfen, die Überbrückungshilfe eins, Überbrückungshilfe zwei, Überbrückungshilfe drei. Wir haben die November-Hilfe, die Dezember-Hilfe, da sind wir schon bei sechs. Ich frage mich, wieso setzt man das Ganze nicht auf eine Schiene und macht ein System? Das wäre jetzt an der Zeit gewesen. Und ich hoffe, dass man das bis zum 20. Dezember noch auf den Weg bringt. Dieses ständige neu regeln macht die Leute verrückt und das verursacht ja einen unglaublichen Aufwand da draußen. Die Menschen wollen doch wissen, was gilt für mich? Wie soll ich mich verhalten?

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