STRACK-ZIMMERMANN-Interview: Ich wünsche mir, dass wir eine europäische Armee aufstellen.

Das FDP-Präsidiumsmitglied und die Leiterin der FDP-Delegation im Europäischen Parlament Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdEP gab der „Rheinischen Post“ (Donnerstag-Ausgabe) und „rp-online.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Gregor Mayntz: 

Frage: Sie sind wieder Verteidigungsausschussvorsitzende, dieses Mal des Europaparlamentes. Sie waren das im Bundestag und haben eine Armee kontrolliert. Die gibt es hier in Brüssel nicht. Was machen Sie also?

Strack-Zimmermann: Diese Aufgabe hier klingt erst einmal identisch. Wir müssen hier aber aus dem Unterausschuss für Verteidigung jetzt vor allem einen Vollausschuss machen. Es geht darum, dass die europäischen Länder in ihrem Außenschutz enger kooperieren müssen. Der russische Angriff auf die Ukraine berührt uns alle. Wir können Europa verteidigungsfähiger machen, für die nötige Kooperation haben wir sehr gut funktionierende Beispiele, etwa das deutsch-niederländische Korps oder die deutsch-französische Brigade.

Frage: Möchten Sie, dass das in eine Europa-Armee mündet?

Strack-Zimmermann: Diese Überlegung gab es schon in den 50er-Jahren, wurde aber von den Franzosen, die diesen Vorschlag ursprünglich machten, wieder einkassiert. Wir müssen jetzt konkret den Anfang machen, die immer wichtiger werdende Kooperation auch in die nationalen Parlamente hineinzutragen. Das ist zugegebenermaßen eine Mega-Herausforderung.

Frage: Was ist Ihre Vision von der künftigen europäischen Verteidigung?

Strack-Zimmermann: Ich wünsche mir, dass wir eine europäische Armee aufstellen. Die einzelnen Länder sollen darin ihre besonderen Fähigkeiten und Interessen einbringen. Spanien und Portugal haben eine andere Sicht auf die geopolitischen Herausforderungen, vor allem, was Russland betrifft, als beispielsweise die nordischen und baltischen Staaten, die eine Grenze zu Russland haben. Ich bin der Meinung, es ist an der Zeit, parallel zu den nationalen Armeen, sukzessive eine europäische Armee aufzubauen.

Frage: Was wollen Sie davon in fünf Jahren geschafft haben?

Strack-Zimmermann: Ihre Frage erinnert mich an die Frage, welches Ergebnis ich mir nach einer Wahl wünsche. So gut wie möglich. Es wäre sehr klug, wenn wir anfangen, groß zu denken und den Weg anfangen einzuschlagen. Ich wünsche mir, dass es in fünf Jahren in Sicherheitsfragen selbstverständlich ist, dass einzelne EU-Mitglieder mehr zusammen wirken und dass wir Vertrauen in die EU haben, dass es in unser aller Interesse gut funktioniert.

Frage: Im Wahlkampf sind Sie der Devise gefolgt „Boah, die Alte nervt“…

Strack-Zimmermann: …das war ein Zitat des Kanzlerberaters Jens Plötner…

Frage: …jedenfalls haben manche den Eindruck, Sie wollten nun auch im EU-Parlament danach agieren.

Strack-Zimmermann: Wenn Sie auf den gemeinsamen Entschluss der FDP-Abgeordneten anspielen, Ursula von der Leyen nicht zu wählen, mag das manche genervt haben. Es war eine ehrliche Antwort darauf, dass wir mit der Arbeit der Kommissionspräsidentin in den letzten fünf Jahren nicht zufrieden waren. Dem haben wir Ausdruck verliehen. Jetzt schauen wir nach vorne und arbeiten zusammen, werden aber selbstverständlich auch kritisch darauf achten, was in der Kommission entschieden wird. Nach einem Gespräch mit Frau von der Leyen bin ich zuversichtlich, dass wir bei Sicherheit und Verteidigung in eine Richtung denken.

Frage: Wie kommen Sie mit David McAllister klar? Der scheint nicht ganz glücklich darüber zu sein, Kompetenzen aus seinem Auswärtigen Ausschuss an Ihren Verteidigungsausschuss abgeben zu sollen.

Strack-Zimmermann: Ich habe mich gerade am Rande des Ausschusses mit ihm besprochen. Er hat ganz in meinem Sinne den Wunsch geäußert, dass wir eng zusammenarbeiten wollen, auch wenn der bisherige Unterausschuss für Verteidigung, wie er es sagt, „in die Freiheit entlassen“ wird. Das habe ich ihm gerne zusagen können. Dass Außenpolitiker und Verteidigungspolitiker eng zusammenarbeiten müssen, liegt in der Natur der Sache.

Frage: Haben Sie sich als Düsseldorferin gefreut auf ein Wiedersehen mit einem anderen Düsseldorfer, der mal Oberbürgermeister war? Mit Thomas Geisel vom BSW?

Strack-Zimmermann: Der ist mir so was von egal. Und er ist auch für die europäische Zukunft nicht wirklich von Belang. Das Bündnis Sarah Wagenknecht verschwindet im Parlament, ist in keine Fraktion eingebunden und hat keinen Ausschussvorsitz. Herr Geisel wird hier keine wesentliche Rolle spielen.

Frage: Die Europawahl war die letzte bundesweite Entscheidung vor der Bundestagswahl. Sie haben die FDP trotz niedriger Prognosen auf über 5 Prozent gebracht – klappt das auch in einem Jahr?

Strack-Zimmermann: Es hat gezeigt, dass wir, wenn wir geeint und positiv in den Wahlkampf gehen und ein klares Ziel vor Augen haben, Prognosen überwinden und uns von Umfragen lösen können. Wir wissen, wo wir 2025 hinwollen. Freie Demokraten sind engagierte Wahlkämpfer, und wir werden die entscheidenden Themen ansprechen.

Frage: Wollen Sie dann eine wiedergewählte Ampel oder sind Sie fertig mit diesem Bündnis?

Strack-Zimmermann: Uns ist klar, dass viele FDP-Wähler ein Problem mit diesem Bündnis haben. Ich hoffe, es ist diesen aber auch klar, dass wir nach diesem Dreierbündnis nicht gelechzt haben, sondern dass Armin Laschet und Markus Söder diese Bundestagswahl wegen ihrer internen Kämpfe schlichtweg versemmelt haben. Daher gab es keine Mehrheit mit der CDU. Wir sind als Ampel sehr gut gestartet. Keine Koalition zuvor ist mit einem solchen Krieg in Europa konfrontiert worden. Jede Regierung wäre mit einem permanenten Stresstest konfrontiert worden.

Frage: Erst einmal kommen Landtagswahlen im Osten – viele scheinen die Extreme bevorzugen zu wollen. Was macht das mit einer Liberalen?

Strack-Zimmermann: Es reicht nicht mehr, davor zu warnen, dass AfD-Wähler Nazis in Kauf nehmen und Wagenknecht-Wähler den Stalinismus. Der Fluch, der auf den Extremisten lag, ist weg. Ich bin jüngst mit einem jungen Mann und seiner Freundin ins Gespräch gekommen – er türkischer Abstammung, sie aus Kenia. Sie diskutierten über seine Überlegung, die AfD zu wählen, „weil Politik in Deutschland mal jemand ordentlich an die Hand nehmen“ müsse. Daran sehen wir, wie wenig die AfD-Sprüche noch abschrecken, selbst diejenigen, die Opfer der AfD-Politik werden würden.

Frage: Was bedeutet das für die demokratische Mitte?

Strack-Zimmermann: CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD müssen Antworten darauf finden, was die Menschen bewegt und was sie zutiefst beunruhigt. Es reicht nicht zu sagen, wenn ihr die oder die wählt, habt ihr nicht mehr alle Tassen im Schrank, das funktioniert nicht mehr. Wir müssen noch genauer hinhören, die Sorgen sehr ernst nehmen und Lösungen anbieten, statt mit naiver Multi-Kulti-Sozialromantik darauf zu reagieren. Letzteres klingt sympathisch, die Realität ist aber bedauerlicherweise häufig eine andere.

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