STRACK-ZIMMERMANN-Gastbeitrag: Die EU braucht keinen neuen Schuldenfonds

Das FDP-Präsidiumsmitglied und die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montagsausgabe) und „faz.net“ den folgenden Gastbeitrag:

Die Grünen wollen nach der Europawahl einen 150 Milliarden Euro schweren EU-Schuldenfonds kreieren, mit dessen Hilfe Investitionen in grüne Industrien gelenkt werden sollen. Die Forderung ist das perfekte Beispiel für faktenfreie Ideologiepolitik.

Europa braucht keinen neuen Schuldenfonds. Die EU hat schon den EU-Wiederaufbaufonds, um den grünen und digitalen Wandel in der EU mithilfe europäischer Schulden zu subventionieren. Der Fonds verfügt aktuell immer noch über 189 Milliarden Euro an nicht ausgegebenen Mitteln. Im Schnitt haben die Mitgliedstaaten jeweils weniger als ein Drittel der ihnen zur Verfügung stehenden EU-Mittel abgerufen. Manche Staaten haben bisher überhaupt kein Geld abgerufen. Es ist also mehr Geld als benötigt vorhanden.

Die Forderung der Grünen ist daher nicht nachfragebasiert, sondern ideologiebasiert: Sie wollen aus Prinzip mehr Schulden, mehr Umverteilung von Steuergeld und mehr staatliche Lenkung. Mit ihrer Schuldeninitiative unterstreichen sie, dass sie eine Wirtschaftswende in Europa ablehnen und lieber Ursula von der Leyens Staatsdirigismus fortsetzen möchten. Sie glauben wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, dass Politik von oben herab alle Handlungen und Entscheidungen der Bürger steuern kann und soll. Ihre Politik ist getrieben von einem Grundmisstrauen gegenüber dem Volk, das sie umerziehen und verbessern wollen.

Ursula von der Leyen hat den Grünen vorgemacht, wie die EU zur ideologischen Regulierungsmaschine umfunktioniert werden kann. Egal, ob es um die Herkunft jeder Kaffeebohne, die Technologie jedes Autos oder den Inhalt jedes Onlinechats geht, von der Leyen hat sich angemaßt, alles regulieren zu können. Gut gemeinte Absichten wurden über das Erreichen praktischer Ergebnisse gestellt. Das grüne Mindset wog bei ihrer Entscheidung stets schwerer als das schwarze Parteibuch.

Die aus dem Vorschlag der Grünen mit Sicherheit resultierende Überförderung wäre Gift für die Wirtschaft. Ein mit Staatshilfen aufgepumpter EU-Markt würde ineffiziente Betriebe zu lange stützen, kostensenkende Innovationen verzögern und so die Wettbewerbsfähigkeit der EU massiv untergraben. Die Inflation würde weiter angeheizt werden und die Lebenshaltungskosten weiter verteuern. Das geht nicht. Die Inflation lässt sich nur durch zusätzliches Angebot dauerhaft senken. Das schließt die Vertiefung des Binnenmarktes – vor allem für Arbeit, Energie, Kapital und digitale Dienstleistungen –, den Abschluss neuer Freihandelsabkommen sowie den Abbau von Bürokratie und Investitionshemmnissen ein.

Mittlerweile sind 57 Prozent der die Wirtschaft erstickenden bürokratischen Belastungen in Deutschland auf EU-Gesetze zurückzuführen. Neue planwirtschaftlich steuernde Umverteilungsfonds verstärkten den Bürokratismus nur und sorgten dafür, dass Unternehmen mehr um Fördertöpfe als um Kunden konkurrieren. Das kann sich weder Deutschland noch Europa langfristig leisten.

Von der Leyen hat vor mehr als einem Jahr angekündigt, dass sie die Berichtspflichten für Unternehmen um 25 Prozent reduzieren wird. Sie ist heute immer noch damit beschäftigt, herauszufinden, wie viele europäische Berichtspflichten es überhaupt gibt. Diese Scheinpolitik verhöhnt seit fünf Jahren den europäischen Mittelstand. Unternehmen, vor allem kleine und mittlere Betriebe sowie Selbständige, sehen sich angesichts der Regulierungswut immer öfter mit der Frage konfrontiert, ob sich Unternehmertum überhaupt noch lohnt. Es braucht daher dringend eine Trendwende für den radikalen Bürokratieabbau.

Neue Freihandelsverträge könnten die Lebenshaltungskosten der Bürger senken und dem globalen Subventionswettkampf Einhalt gebieten. Deutschland und Europa verdanken ihren Wohlstand der Globalisierung, nicht der grünen Chlorhuhn-Angstmache. Das gerät nach fünf Jahren handelspolitischer Untätigkeit von Ursula von der Leyen immer öfter in Vergessenheit.

Für die Wiederherstellung europäischer Wettbewerbsfähigkeit muss darüber hinaus die Kapitalmarktunion weiter vertieft werden. Die EU-Kommission schätzt allein die Investitionen der europäischen Pensionsfonds in den USA auf 700 bis 820 Milliarden Euro. Gäbe es einen europäischen Kapitalmarkt, und nicht 27, jeder mit seinen eigenen nationalen Regeln und Aufsichtsbehörden, wäre das ein immenser Schub für private Investitionen in der EU.

Die Grünen und von der Leyen verstehen das nicht. Die EU braucht konsequenterweise nicht noch mehr von der Leyen, sondern mehr Freiheit. Statt jugendfeindlicher Schulden und ideologischer Subventionsvorschriften muss Europa endlich den Mut haben, den verstaubten EU-Haushalt zu modernisieren. Mehr Fokus auf Biotech als auf Biomilch muss die Devise lauten. Die Ermöglichung von Technologievorsprüngen, nicht die Subventionierung von Technologierückständen muss die Haushaltspolitik bestimmen. Erst wenn für die EU Studenten mehr zählen als Kühe, werden wirtschaftliche Dynamik und Fortschritt zurückkehren.

Die staatsinterventionistische grüne Planwirtschaft ist der falsche Weg für Europa. Auch wenn von der Leyen es vorgemacht hat, ist es nicht Aufgabe der EU, Unternehmen durch Detailsteuerung zu bevormunden, Absätze zu garantieren, Ressourcen zuzuteilen und Preise künstlich festzusetzen. Im Gegenteil: Nur eine EU, die wieder mehr Wettbewerb, mehr freien Handel und bessere Bedingungen für private Investitionen schafft, wird Europa wirtschaftlich nach vorne bringen und dadurch der Stimme Europas in der Welt wieder mehr Bedeutung verschaffen können.

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