STARK-WATZINGER-Interview: Menschen wollen keine Kompetenzstreitigkeiten
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger MdB gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Freitagsausgabe) und „schwäbische.de“ das folgende Interview. Die Fragen stelle Stefan Fuchs:
Frage: Frau Stark-Watzinger, der Digitalpakt Schule, der 2019 an den Start gebracht wurde, läuft aus. Um eine mögliche Nachfolge gab es zuletzt Streit und Vorwürfe in Ihre Richtung aus der Kultusministerkonferenz. Wie geht es weiter – und gibt es schon eine Hausnummer, was die Finanzierung angeht?
Stark-Watzinger: Wir arbeiten intensiv am Digitalpakt 2.0, denn alle wollen, dass er kommt. Unser Ziel ist, ihn kommendes Jahr an den Start zu bringen. Bei der Finanzierung streben wir eine hälftige Ko-Finanzierung zwischen Bund und Ländern an. Bevor wir aber über konkrete Summen reden, muss zunächst das Gesamtpaket klar sein. Mit dem ersten Digitalpakt wurde vor allem Technik finanziert, aber das reicht nicht. Deshalb streben wir eine Gesamtvereinbarung mit den Ländern und ein neues gemeinsames Verständnis an. Die Menschen wollen nicht, dass wir uns in Kompetenzstreitigkeiten verstricken. Es geht schließlich um beste digitale Bildung für unsere Kinder.
Frage: Was können wir aus dem ersten Digitalpakt lernen? Damals wurden fünf Milliarden Euro bereitgestellt, um die Schulen auszustatten und für die Digitalisierung fit zu machen. Die Gelder wurden aber nur sehr zögerlich abgerufen …
Stark-Watzinger: Ich sehe beim ersten Digitalpakt viel Gutes, aber auch viel Verbesserungspotenzial. Bei der Bürokratie und damit dem Tempo gibt es noch viel Luft nach oben. Ich möchte wie gesagt auch nicht, dass der Digitalpakt 2.0 nur zu einer neuen Bestellliste für Endgeräte wird. Die Länder müssen auch die Lehrerinnen und Lehrer so fortbilden, dass sie die Herausforderungen bewältigen können.
Frage: Künstliche Intelligenz hat an Schulen rasant Einzug gehalten. Inwieweit sehen Sie darin Gefahren aber auch Chancen?
Stark-Watzinger: KI wird alles durchdringen. Die Entwicklung ist derzeit sehr dynamisch. Wichtig ist, dass wir die Chancen sehen und KI nicht etwa verbieten wollen. Denn KI ist ohnehin da und wird nicht einfach wieder verschwinden. Wichtig ist daher, dass Schulen und Hochschulen offen für KI sind und sich damit auseinandersetzen. Dabei kann auch die Wissenschaft helfen: Das Projekt ‚AI4Schools‘ der Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz beispielsweise veranstaltet KI-Thementage sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte. Auch bei diesem Thema brauchen wir mehr Zusammenarbeit. Mehr Einheitlichkeit würde zur besseren Nutzung von KI beitragen.
Frage: Mit dem sogenannten Startchancenprogramm wollen Sie Schülerinnen und Schüler in sozial benachteiligten Milieus unterstützen. Brennpunktschulen sollen Geld erhalten, das Geld wird aber nicht wie sonst nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Warum?
Stark-Watzinger: Wenn der Bund Gelder gibt, verfolgen wir damit ein konkretes Ziel. Beim Startchancen-Programm geht es darum, dort zu helfen, wo die Herausforderungen am größten sind. Deshalb war es uns wichtig, dass die etwa 4000 Startchancen-Schulen gezielt und nicht mit der Gießkanne gefördert werden. Wir müssen in der Bildung dahin kommen, dass das Geld dorthin fließt, wo es wirklich gebraucht wird und dass es auch besonders wirksam eingesetzt wird.
Frage: Sie haben immer wieder die Sprachförderung von Kindern angemahnt. Die baden-württembergische Landesregierung will in ihrem neuen Bildungspaket darauf einen besonderen Wert legen. Wie blicken Sie darauf?
Stark-Watzinger: Dass die Sprachförderung in Baden-Württemberg in den Mittelpunkt rückt und auch verpflichtend werden soll, ist dringend notwendig. Sprache ist die Grundlage für einen erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg.
Frage: Bei solchen Projekten, beim Digitalpakt oder auch bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung müssen am Ende die Kommunen die Arbeit vor Ort leisten. Sie fürchten teils aufgrund von klammen Kassen und Fachkräftemangel Überforderung. Können Sie den Kommunen diese Ängste nehmen?
Stark-Watzinger: Die Kommunen sind der erste Bildungsort – und das beginnt im frühkindlichen Bereich. Uns ist wichtig, dass die Kommunen nicht überproportional belastet werden — auch nicht finanziell. Sie müssen deshalb immer mit am Tisch sitzen. Was nicht passieren darf, ist, dass Dinge wie der Digitalpakt nur in finanzstarken Regionen umgesetzt werden. Denn dann haben wir wieder eine Ungerechtigkeit im Bildungssystem, die wir uns nicht leisten können. Bei Personalfragen müssen wir künftig breiter denken. Multiprofessionelle Teams helfen sehr. Berufe aus diesem Bereich brauchen deshalb mehr Wertschätzung und müssen einen höheren Stellenwert bekommen.
Frage: Sie hatten zuletzt zu Antisemitismusvorfällen an Universitäten Stellung bezogen. Gleichzeitig gibt es aktuell vermehrt Angriffe auf politische Amtsträger oder Wahlkampfhelfer. Wie können Schulen und Universitäten zur Demokratiebildung beitragen?
Stark-Watzinger: Eine Stärke Deutschlands war und ist der Interessensausgleich durch Diskurse und Debatten. Problematisch ist es, wenn daraus Gewalt wird, wie wir es nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel erleben mussten. Hier muss der Rechtsstaat durchgreifen und auch die Hochschulleitungen sind gefragt, weiterhin vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Für Antisemitismus darf an Schulen und Hochschulen kein Platz sein. Grundsätzlich haben Schulen und Universitäten die Aufgabe, Demokratie und Bürgerrechte greif- und fühlbar zu machen, zu vermitteln, dass jeder in der Demokratie auf verschiedenen Wegen Einfluss nehmen kann. Das stärkt die Teilhabe und hilft auch gegen Vorurteile.