SCHÄCK-Interview: FDP ist als bürgerliches Korrektiv so wichtig wie noch nie

FDP-Präsidiumsmitglied und Spitzenkandidaten zur Bürgerschaftswahl in Bremen Thore Schäck gab „welt.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Anna Schneider:

Frage: Beim Stöbern im Wahlprogramm der Bremer FDP wird man daran erinnert, dass es in dieser Gegend kein Uber gibt. Wieso lohnt es sich, für Bremen zu kämpfen, Herr Schäck?

Schäck: Uber ist für mich ein ganz wichtiges Thema, weil es um die Liberalisierung eines Marktes geht. Der Taximarkt ist sehr festgefahren, er muss aufgebrochen werden. Ein breites Angebot an individueller Mobilität ist genau das, was wir wollen.

Frage: Nun wird Bremen seit 1945 von Sozialdemokraten regiert, die Bremer sind mit ihrem Bürgermeister Andreas Bovenschulte zufrieden. Warum also FDP wählen?

Schäck: Ich sehe die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der SPD ehrlich gesagt nicht, denn Bremen rangiert in sehr vielen Bereichen ganz weit hinten. Sei es im Bereich Bildung, sei es im Bereich Kriminalitätsbekämpfung, sei es im Bereich Kinderarmut. Und angesichts einer CDU, die immer stärker mit den Grünen und mit den Sozialdemokraten flirtet, ist die FDP als bürgerliches Korrektiv so wichtig wie noch nie. Deswegen braucht es weiterhin eine starke FDP in der Bremischen Bürgerschaft.

Frage: Tatsächlich ist im Regierungsprogramm der Bremer CDU von einem Förderprogramm für Lastenräder sowie von der paritätischen Besetzung von Führungskräften im öffentlichen Dienst die Rede – die Flanke für einen wirklich bürgerlichen Kandidaten ist also weit offen. Warum schneidet die FDP in Umfragen trotzdem nicht besser ab?

Schäck: Die CDU in Bremen ist eine Mogelpackung. Sie gibt sich vermeintlich bürgerlich und konservativ, war aber in der Vergangenheit nicht darum verlegen, für eine Regierungsbeteiligung alles aufzugeben. Auch jede eigene inhaltliche Position. Letztendlich ist eine Stimme für die CDU eine Stimme für die Grünen, egal, ob wir über solide Finanzpolitik, über Verkehrspolitik oder über Bildung sprechen. Das sind alles Themen, bei denen die CDU im Zweifelsfall einknicken wird. Wem diese Themen wichtig sind, der muss also die FDP wählen.

Frage: Was, wenn der CDU ein Erfolg wie in Berlin gelingt?

Schäck: Die CDU ist ja schon einmal stärkste Kraft in Bremen geworden, 2019. Und was hat uns das eingebrockt? Nach zwölf Jahren Rot-Grün gab es weitere vier Jahre Rot-Grün-Rot. Und in Berlin erleben wir gerade, was passiert, wenn die CDU in eine Regierungsbeteiligung eintritt. Als Allererstes ist sie bereit, ein Enteignungsgesetz mitzumachen und eine Ausbildungsstrafabgabe einzuführen.

Frage: Bei den fünf Landtagswahlen im zurückliegenden Jahr sah es für die FDP eher mau aus; im Saarland, in Niedersachsen und in Berlin hat es nicht einmal für das Landesparlament gereicht. Woher genau kommt Ihr Optimismus für Bremen?

Schäck: Natürlich liefen diese Landtagswahlen alles andere als optimal. Aber jede Wahl steht für sich, ist ein neuer Anfang, eine Chance, etwas zu drehen. Und das gilt in Bremen gerade deswegen, weil wir uns sehr klar in der bürgerlichen Mitte positionieren.

Diejenigen, die erwarten, dass man sich jetzt um die wirklich wichtigen Dinge kümmert, also um die Themen Wohnen, Leben, Arbeiten, Wirtschaft, Verkehr und innere Sicherheit, die sprechen wir jetzt sehr zielgerichtet an. Wir haben Gegenangebote und können, glaube ich, unseren Vorteil als bürgerliches Korrektiv komplett ausspielen.

Frage: Sozial ist der, der eine wirkliche soziale Veränderung bewirkt, sagen Sie. Sind Sie ein Sozialliberaler?

Schäck: Nein. Ich würde mich eher der pragmatischen Mitte zuordnen. Ich habe wenig Muße, mich mit irgendwelchen ideologischen Diskussionen zum Selbstbestimmungsgesetz oder zu einer Flat-Tax zu beschäftigen. Mich interessiert die Lebensrealität der Bremerinnen und Bremer. Also die Probleme, die wir in dieser Stadt teilweise seit Jahren und Jahrzehnten haben und die jetzt gelöst werden müssen. Eines dieser Themen ist der soziale Aufstieg.

Frage: Nebst Wirtschaft legen Sie in Ihrem Wahlprogramm auch einen Schwerpunkt auf Bildung; blickt man auf den Bund, könnte man meinen, dass die FDP sich bei diesem Thema bislang eher überhoben hat.

Schäck: Bildung ist in Deutschland ja Ländersache. Der Bund kann natürlich an der einen oder anderen Stelle unterstützen. Aber am Ende muss dieses Thema in Bremen bearbeitet werden und nicht im Bund. Es ist schließlich fundamental für die Frage des Aufstiegsversprechens.

Frage: Wie sehr schadet die Politik der Ampel-Koalition Ihrem Wahlkampf?

Schäck: Gar nicht so sehr. Klar, es ist sicherlich nicht das einfachste Regierungsbündnis. Aber welche Regierungsbündnisse sind schon einfach? Ich finde, dass die Kolleginnen und Kollegen im Bund mit den vielen Dingen, die sie bisher schon durchsetzen konnten, einen sehr guten Beitrag geleistet haben. Und ja, an der einen oder anderen Stelle konnten sie Zusatzbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger etwa durch höhere Steuern, durch neue Schulden oder durch Klima-Maßnahmen verhindern.

Aber wir machen am Ende einen Wahlkampf für Bremen, darum geht es jetzt. Deswegen: All eyes on Bremen.

Frage: Ist die Wahl in Bremen aber umgekehrt relevant für die Bundespolitik?

Schäck: In Bremen haben wir jetzt 16 Jahre lang sehr, sehr linke Politik erlebt. Erst zwölf Jahre Rot-Grün und dann vier weitere Jahre Rot-Grün-Rot. Und wir sehen, dass wir nach dieser Zeit in fast allen Rankings ganz unten stehen. Vieles hat sich also nicht zum Besseren gewendet, und das ist eigentlich ein klares Signal. Wir können hier sehr praxisnah miterleben, was eine zu linke Politik, die eigentlich nur ans Verteilen und nicht ans Verdienen denkt, innerhalb von 16 Jahren anrichtet.

Frage: Welche Entscheidung der Ampel hat Sie bisher am meisten geschmerzt?

Schäck: Ich finde, dass die Entscheidung, Frau Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten zu machen, schwer auszuhalten ist. Sehr schwer.

Frage: Wenn Sie wählen müssten: Team Marie Agnes Strack-Zimmermann oder Team Wolfgang Kubicki?

Schäck: Beide sind sehr laute Vertreter ihrer Position. Ich ordne mich da keinem Lager zu. Aber ich möchte beide nicht missen, weil ich finde, dass sie einen sehr wichtigen Anteil an der Debatte haben. Einer Debatte, die wir notwendigerweise auch in unserer Partei führen.

Frage: Ein letztes, ad Bremen. Wie sehr schämen Sie sich als Bremer für Jan Böhmermann?

Schäck: Wenn Sie mich bitten würden, Ihnen drei Promis zu nennen, mit denen ich gerne mal ein Bier trinken gehen würde, dann würde Herr Böhmermann da nicht drunter fallen.

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