LINDNER/BIRKNER-Statement: Der Kompass der FDP ist klar – Freiheit und Selbstbestimmung stehen für uns im Zentrum.
Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der Freien Demokraten gaben der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und FDP-Präsidiumsmitglied und Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Niedersachsen Dr. Stefan Birkner die folgenden Statements ab:
Christian Lindner: Wir haben heute im Präsidium zuerst einmal Stefan Birkner unseren Respekt ausgesprochen. Die niedersächsische FDP hat in einer nicht einfachen politischen Situation Wahlkampf geführt. Wir haben das Schulter an Schulter zwischen Landes- und Bundespartei gemacht. Viele Mitglieder, auch die der Bundesparteiführung, haben sich für den Wahlkampf eingesetzt, weil wir überzeugt sind von unserem Spitzenkandidaten Stefan Birkner und auch vom politischen Profil der niedersächsischen FDP. Umso mehr bedauern wir, dass der Wahlerfolg sich nicht eingestellt hat. Wir haben in Niedersachsen eine wirklich profilierte und mit uns freundschaftlich verbundene Landtagsfraktion verloren. Wir haben der niedersächsischen FDP zugesagt, dass die Bundespartei in der sich anschließenden Phase an der Seite unserer Freunde und Kollegen in Hannover bleibt und in den nächsten Jahren politische und logistische Unterstützung leisten wird. Klar ist: Es wird auch wieder eine nächste Landtagswahl geben mit Freien Demokraten, die dann kandidieren. Für die Zeit dazwischen werden wir in der außerparlamentarischen Opposition in Niedersachsen wirken.
Stefan Birkner: Ja, es ist ein enttäuschendes Ergebnis, eine klare Niederlage. Wir haben den Wiedereinzug in den niedersächsischen Landtag nicht geschafft und damit natürlich das oberste Wahlziel nicht erreicht. Das ist schmerzhaft für uns als Freie Demokraten insgesamt, aber natürlich speziell in Niedersachsen. Wir haben einen engagierten Wahlkampf geführt. Am Ende sind wir sehr, sehr dankbar für die Unterstützung, die wir aus der Gesamtpartei bekommen haben. Das war wirklich großartig, hat aber am Ende leider trotzdem nicht gereicht. Jetzt wird es die Aufgabe sein, nach vorne zu schauen, sich im Land neu aufzustellen. Was jetzt ansteht, ist, eine außerparlamentarische Arbeitsgemeinschaft zu bilden, so heißt das traditionell bei uns, und dann auch außerparlamentarisch unseren Beitrag zur Gestaltung der Landespolitik einzubringen. Das ist natürlich alles andere als erfreulich und nicht einfach. Aber wir werden das solide umsetzen und durchführen.
Christian Lindner: Zu den bundespolitischen Konsequenzen: Wir hatten eine intensive Aussprache, gleich wird sich der Bundesvorstand anschließen. Aber diese Aussprache kann man gewiss auf einen Nenner bringen: Die FDP hat ein klares politisches Profil. Sie weiß, was sie will und wer sie ist. Wir haben kein Problem mit einer Strategie oder Positionierungssuche, sodass wir uns Gedanken machen müssten, warum es uns überhaupt gibt. Die Frage nach dem Warum der FDP konnten wir heute klar beantworten, wir sind da mit uns im Reinen. Die FDP ist eine liberale Partei der Mitte, die einzige liberale Partei in der Mitte. Der Kompass ist klar: Freiheit und Selbstbestimmung stehen für uns im Zentrum. Wir wollen jede Einzelne und jeden Einzelnen ermächtigen und stärken, das eigene Leben selbstbestimmt zu führen. Wir sind Fortschrittsoptimisten und glauben an technologischen Fortschritt. Wir wollen die Kräfte und den Einfallsreichtum unseres Landes entfesseln, um in der Marktwirtschaft den künftigen Wohlstand zu sichern. Wir stehen für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft und wenden uns gegen jede Form von Ressentiment oder Intoleranz. Was wir wollen und welchen Beitrag wir in der politischen Landschaft in Deutschland erbringen wollen, ist für uns klar. Da gibt es keine Zweifel, keine Notwendigkeit nach Neuem zu suchen, sondern wir sind miteinander der Überzeugung, dass unser Leitbild unverändert aktuell und attraktiv ist.
Die zweite Bemerkung und der zweite Befund ist, dass es gegenwärtig aber nicht gelingt, für dieses klare politische Profil, mit dem wir bei der letzten Bundestagswahl zweistellig abgeschnitten haben, hinreichend Unterstützung zu organisieren. Das ist eine Herausforderung, der stellt sich die FDP, da schauen wir nicht auf andere. Wir sind die Partei der Eigenverantwortung. Wir stellen uns der Herausforderung, das unverändert als richtig erkannte Profil jetzt herauszuarbeiten und zu stärken. Dafür nehmen wir uns Zeit. Wir werden jetzt überlegen, welche politischen Maßnahmen damit verbunden sind. Der nächste Bundesparteitag ist erst im Frühjahr des nächsten Jahres und bis dahin werden wir ganz ruhig miteinander besprechen, an welchen Punkten wir arbeiten müssen, was jetzt im Vordergrund steht. Das ist keine Sache für den heutigen Tag oder für diesen Herbst, sondern für eine mittelfristige Perspektive, planvoll und mit guten Maßnahmen.
Wir haben in diesem Zusammenhang natürlich auch über die Situation der Koalition gesprochen. Sozialdemokraten und Grüne werden ja eine Regierung in Niedersachsen bilden. Da wünschen wir gutes Gelingen. Das Ergebnis in Hannover kann aber von einer Tatsache nicht absehen: Die Ampel insgesamt hat an Legitimation verloren. Die Verluste von SPD und FDP werden nicht aufgewogen durch die Zugewinne bei den Grünen. Insofern hat nicht die FDP ein Problem, sondern die Ampel insgesamt muss sie sich der Herausforderung stellen, für ihre Politik mehr Unterstützung in Deutschland zu erreichen.
Aus unserer Sicht müssen wir über die Balance von sozialem Ausgleich, ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft neu nachdenken, damit die Ampel insgesamt wieder reüssieren kann. Ich sage noch einmal: Die Gewinne der Grünen gleichen nicht die Verluste von SPD und FDP aus. Die Ampel hat insgesamt eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. Die besondere Gelegenheit für die deutsche Politik ist ja die Verbindung aus sozialem Ausgleich, ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft. Aber wir haben das noch nicht in der Weise umgesetzt, wie das in dieser Krisenzeit von den Menschen erwartet wird.
Letzter Gedanke: Aus unserer Sicht gibt es eine neue Dringlichkeit hinsichtlich der Stärkung unseres wirtschaftlichen Fundaments. Das, was wir aufgeschrieben haben zur Transformation der deutschen Wirtschaft angesichts des Klimawandels, hat eine neue Bedeutung durch den Energiekrieg, in dem wir uns befinden. Die wirtschaftliche Erneuerung unseres Landes und der Erhalt des Wohlstands hat jetzt höchste Priorität. Und das muss sich natürlich auch in der Agenda der Bundesregierung wiederfinden. Sie muss darauf setzen, bei diesem Transformationsprozess die Menschen und die Betriebe zu begleiten. Jetzt ist nicht die Zeit für zusätzliche Belastungen und Bürokratie, sondern im Gegenteil: Ganz entsprechend unseres Leitbildes gelingt Veränderung und Fortschritt jetzt vor allem dadurch, dass man den Menschen Vertrauen entgegenbringt und ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihren Erfindungsreichtum und ihr Kapital auch zu mobilisieren. Die Ampel ist gut beraten, im Sinne der Balancebildung, dass wir das jetzt auch zu einem prioritären Thema jenseits der aktuellen Krisenbewältigung machen. Und die FDP wird dazu ihren Beitrag leisten.