LINDNER-Statement: Jeden Tag muss die Frage nach dem Exit gestellt werden
Zu den Entwicklungen in der Corona-Krise gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner folgendes Statement ab:
„Wir haben heute im Wege einer Videokonferenz in den Gremien der FDP – Präsidium und Bundesvorstand – getagt. Gegenstand unserer Beratungen war natürlich die aktuelle Corona-Krise. In Deutschland gibt es sehr empfindliche Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger. Die Freiheit wird eingeschränkt. Wir halten das gegenwärtig für verhältnismäßig. Es muss jetzt darum gehen, die Ausbreitung dieser Pandemie zu begrenzen, damit die gesundheitlichen Kapazitäten hochgefahren werden können.
Aber mit dieser Woche, mit den getroffenen Einschränkungen unserer aller Freiheit, muss jeden Tag die Frage nach dem Exit gestellt werden. Wir unterstützen die Regierungen im Bund und in den Ländern dabei, alles Erforderliche zu tun, damit wir schnellstmöglich Schritt für Schritt in die Normalität zurückkehren können. Der jetzige Zustand ist auf Dauer unerträglich für die Menschen, unerträglich aber auch für unser wirtschaftliches Zusammenleben. Priorität muss jetzt haben, schnell Testverfahren in der Breite und in hinreichender Zahl zu etablieren, damit wir, wie beispielsweise Südkorea, relativ rasch wieder zu einem normalen Miteinander zurückfinden können. Wir haben sonst große Befürchtungen hinsichtlich des gesellschaftlichen Klimas und der wirtschaftlichen Folgen.
Zum Zweiten: Wir haben beraten über die Situation in der deutschen Wirtschaft. Die FDP-Bundestagsfraktion, also in dem Fall unsere Wirtschaftsexperten und ich, haben in der vergangenen Woche damit begonnen, führende Akteure der deutschen Wirtschaft in Telefonkonferenzen zur Lage zu befragen. Wir sind besorgt über die Rückmeldungen, die wir erhalten. Die Hilfen, die jetzt in Aussicht gestellt worden sind, sind noch nicht überall so geländegängig, dass sie in der Praxis angekommen wären. Deshalb muss hier korrigiert werden. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung auch in Gesprächen mit der Opposition und den Wirtschaftsverbänden Veränderungen bereits vorgesehen hat. Das ist gut und richtig. Wir begrüßen es. Insbesondere ist es richtig, dass die große Förderlücke geschlossen worden ist.
Bisher – noch am gestrigen Abend – gab es seitens der Bundesregierung die Absicht: bis zehn Beschäftigte und ab 2000 Beschäftigte Maßnahmen des Bundes vorzusehen. Es wäre eine große Förderlücke gewesen: von elf bis 1999 Beschäftigten. Nun ist die Schere reduziert. Schon ab 250 Beschäftigten plant die Bundesregierung im Bedarfsfalle den Wirtschafts-Stabilisierungsfonds einzusetzen. Dennoch: zwischen elf und 249, da, wo im deutschen Mittelstand die Musik spielt, da soll nach dem Willen der Bundesregierung gegenwärtig nichts passieren. Da wird auf die KfW und da wird auf die Länder verwiesen. Das halten wir nicht für zweckmäßig. Das Förderinstrumentarium des Bundes in der Krise muss an dieser Stelle ergänzt werden.
Für uns ist das Mittel der Wahl die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge und auf der anderen Seite das Finanzamt, das natürlich auf Antrag gezahlte Steuern zurückerstatten kann oder eine Gutschrift auf zukünftige Steuerzahlungen pauschal überweisen kann. Das wäre eine direkte Liquiditätshilfe bei den Betrieben zwischen 11 und 249 Mitarbeiter. Das sind die deutschen Familienunternehmen, größere Handwerksbetriebe. Die dürfen jetzt nicht im Stich gelassen werden. Die dürfen nicht alleine auf die Geschäftsbank und die KfW verwiesen werden. Denn wie schnell und wie wirksam diese Hilfen sind, das ist gegenwärtig nicht abzusehen.
Ein dritter Punkt: Nachtragshaushalt. Dazu will ich uns auch noch kurz positionieren. Wir halten es für richtig und erforderlich, dass der Staat jetzt seine gesamten fiskalischen Möglichkeiten in die Waagschale wirft, um ein Sicherheitsnetz für Arbeitsplätze und Wirtschaft zu spannen und um alle Ausgaben im Gesundheitssystem zu finanzieren, die nötig sind, um die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen. Das ist völlig klar, das unterstützen wir auch. Wir werden deshalb aller Voraussicht nach der Aktivierung des Artikel 115 des Grundgesetzes – also die Aussetzung der Schuldenbremse –, mit unterstützen, damit genau diese Haushaltsplanung möglich ist.
Für uns knüpfen sich daran allerdings Erwartungen, nämlich an einen klar definierten Tilgungsplan über die nächsten Jahre. Und dass natürlich die Große Koalition, wie alle Parteien, jetzt der Rückkehr zur Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Priorität einräumen. Bis dato will ja die große Koalition von beschlossenen Vorhaben nicht abweichen. Und wir setzen Zweifel daran, ob angesichts der aktuellen, sich komplett veränderten finanzpolitischen Lage die aktuelle mittelfristige Finanzplanung einfach so fortgeschrieben werden kann – einfach um die Ergänzung zusätzlicher vieler Milliarden Euro an Schulden. Nach unserer Auffassung empfiehlt sie ein Moratorium für zusätzliche Staatsaufgaben und Staatsausgaben, Subventionen, die nicht in einem Zusammenhang stehen zur Bewältigung der Corona-Folgen in den nächsten Jahren. Wir müssen eine solide Haushaltsführung auch in den nächsten Jahren wieder erreichen im Interesse nächster Generationen.“